Warum das Armutsrisiko für alleinerziehende Mütter so groß ist

Warum das Armutsrisiko für alleinerziehende Mütter so groß ist

Interview: Simin Sadeghi/Onlinefassung: Dagmar Scherer   16.01.2025 | 12:30 Uhr

Mutter - Vater - Kind - dieses Familienmodell gibt es heute längst nicht mehr so häufig wie früher. In jeder fünften deutschen und auch saarländischen Familie erziehen meist Mütter alleine. Und das kostet vor allem eins: Geld. Für viele alleinerziehende Mütter ist das Armutsrisiko aber groß und hat oftmals auch Altersarmut zur Folge. Was muss sich ändern, damit sich die Situation für Alleinerziehende verbessert?

Das Armutsrisiko für Alleinerziehende ist drei Mal so hoch wie bei "klassischen Familien". Das steht im neuen Familien-Bericht, den die Bundesregierung vorgestellt hat.

Viele Vorurteile

Vor allem alleinerziehende Mütter würden nur schwer eine Arbeitsstelle finden, sagt Esther Nikaes vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). Es gebe viele Vorurteile - vor allem, dass Alleinerziehende viele Fehlzeiten hätten, weil die Kinder oft krank seien. "Aber das Gegenteil ist der Fall", sagt Nikaes. "Alleinerziehende sind sehr große Organisationstalente."

Alleinerziehende Väter haben eher Sonderstatus

Dass vor allem alleinerziehende Mütter große Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben, hänge auch damit zusammen, dass alleinerziehende Väter in unserer Gesellschaft eher noch einen Sonderstatus hätten. Inzwischen seien in Deutschland zwar 18 Prozent der Alleinerziehenden Väter, aber ihnen werde eher sogar Bewunderung entgegengebracht und sie erhielten deutlich mehr Unterstützungsangebote als Frauen - von außerhalb als auch von den Arbeitgebern, so Nikaes.

Grundproblem Betreuungsangebot

Ein grundlegendes Problem für Alleinerziehende sei aber vor allem das Betreuungsangebot. "Da gibt es sehr große Lücken. Einen Kindergartenplatz zu finden ist fast wie ein Lottogewinn", so die VAMV-Frau. Vor allem im Regionalverband Saarbrücken sei die Lage "ganz schlimm".

Wenn es kein Betreuungsangebot gebe, könne eine alleinerziehende Mutter auch nicht arbeiten gehen. "Wer keine Betreuung hat, kann nicht arbeiten und wer nicht arbeitet, kann auch kein Geld verdienen. Und damit ist die Armut quasi schon vorprogrammiert. Und das hat ja auch Auswirkungen auf die Rente - Stichwort Altersarmut."

Finanzielle Unterstützung

Das Problem ist seit Jahren bekannt. Es gibt zwar auch immer wieder Ansätze, Alleinerziehende finanziell zu unterstützen, aber "wenn man sich jetzt beispielsweise die Kindergrundsicherung ansieht, so wie sie jetzt geplant ist, ist es tatsächlich so, dass sich Alleinerziehende damit sogar schlechter stellen als jetzt", sagt Nikaes.

Wirklich finanziell helfen würde Alleinerziehenden eine Erhöhung des Unterhaltsvorschusses und eine steuerliche Entlastung für Erziehende mit Kindern statt Ehepaaren ohne Kinder durch das Ehegattensplitting.

Ein Thema in der "Region am Mittag" am 16.01.2025 auf SR 3 Saarlandwelle


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