Das Logo von "Wem gehört das Saarland" über einer Panoramaansicht von Friedrichsthal (Foto: Alexander M. Groß/SR)

Die Bürgerrecherche im Überblick

 

Ottweiler Mieten fließen über Umwege in eine karibische Steueroase. Große Immobilienfonds sind auch im kleinen Saarland aktiv. Die Mieten steigen – auch weil die öffentliche Hand vor Jahren Wohnungen verkauft hat. Das sind einige Ergebnisse der Bürgerrecherche von SR und Correctiv.

Rund 1200 Saarländerinnen und Saarländer haben mitgemacht bei der Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland?“ von SR und dem Recherchezentrum Correctiv. Im September und Oktober 2020 haben sie ihre Geschichten rund ums Thema Wohnen erzählt und ihre Daten geteilt, zum Beispiel zu ihren Vermietern.

Probleme von Mietern und Vermietern

Die Rückmeldungen haben schon in dieser Phase zu vielen verschiedenen Erkenntnissen geführt. Darunter zählen zum Beispiel der Ärger von Vermietern, wenn Mieter beim Auszug Chaos hinterlassen oder Probleme von Mietern, die monatelang ihrer Kaution hinterherrennen.

Einige Privatvermieter lassen ihre Wohnungen nach schlechten Erfahrungen sogar lieber leer stehen – aus Angst, erneut an die falschen Mieter zu geraten. Das führt zu größerem Leerstand, gerade im ländlichen Raum.

Schwierige Suche nach dem Traumhaus

Auf der Eigentümerseite ist nach den Erkenntnissen der Recherche vor allem die Immobiliensuche ein Problem. Viele Menschen haben berichtet, dass Häuser unter der Hand weggingen und die Immobilien auf dem Markt in schlechtem Zustand und trotzdem teuer seien.

Das untermauert auch der Grundstücksmarktbericht der Landesregierung. Daraus geht hervor, dass Bauland im Saarland in den letzten beiden Jahren im Schnitt um 13 Prozent teurer geworden ist, Einfamilienhäuser immerhin um 7,5 Prozent.

Hinweise von Mietern führen zu überraschenden Ergebnissen

Dass es auf dem Immobilienmarkt eine Verbindung zwischen der 15.000-Einwohner-Stadt Ottweiler und einer Steueroase in der Karibik gibt, war wohl die überraschendste Erkenntnis der Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland?“. Hinweise von Bürgern über den schlechten Zustand von Wohnungen und eine Vermieter-Firma mit einem seltsamen Namen haben die Recherche ins Rollen gebracht.

An deren Ende steht die Erkenntnis, dass die Mietgewinne von 40 Wohnungen in Ottweiler und mindestens 2000 weiteren Wohnungen bundesweit nahezu steuerfrei auf die britischen Jungferninseln geflossen sind. Dafür nutzten die Investoren ein intransparentes, verschachteltes Firmennetzwerk, bei dem Luxemburg eine wichtige Rolle spielt. Nach den Recherchen von SR und Correctiv standen hinter dem Netzwerk unter anderem Mitglieder einer schottischen Adelsfamilie, des Gordon-Clans.

Außerdem haben die Investoren schon beim Kauf der Immobilie mit einem Trick die Grunderwerbsteuer gespart, durch einen sogenannten Share Deal. Dem deutschen Staat dürften so Millionen Euro verloren gegangen sein.

Share Deals erklärt
Video [SR.de, (c) SR, 02.02.2021, Länge: 01:44 Min.]
Share Deals erklärt

Öffentliche Hand verkauft Wohnungen – die Miete steigt

Dank Bürgerhinweisen wurde weiterhin klar, dass Spekulationen mit großen Immobilienpaketen auch in Saarbrücken angekommen sind. Die Recherchen zeigen, was langfristig passieren kann, wenn die öffentliche Hand Wohnungen verkauft.

Es geht um 220 Wohnungen, die früher der gemeinnützigen Saarbrücker Siedlungsgesellschaft gehörten. Diese musste sie nach eigenen Angaben 2006 aus wirtschaftlichen Gründen verkaufen, um ausreichend Eigenkapital für die Sanierung des restlichen Bestandes zu haben. Mittlerweile wurden die Wohnungen mehrfach im Paket weiterverkauft. Zuletzt stieg der Preis innerhalb von zwei Jahren um mehr als 40 Prozent.

Das hat sich auch auf die Mieten ausgewirkt. Mieter berichten davon, dass bei Neuvermietungen die Preise in diesem Zeitraum im ähnlichen Rahmen gestiegen sind.

Große Player wie Union Investment in Saarbrücken aktiv

„Wem gehört das Saarland?“ zeigt auch: In Saarbrücken wird ein schwunghafter Handel mit Mietwohnungen betrieben. Mit im Geschäft sind dabei bundesweit bekannte Akteure wie die Union Investment. Einem Fonds der Genossenschaftsbanken gehören derzeit rund 240 Wohnungen in Alt-Saarbrücken und St. Arnual.

In den letzten zehn Jahren wurde das Wohnungspaket mehrfach gewinnbringend weiter verkauft, nach SR-Recherchen zuletzt für rund 28 Millionen Euro. Das waren fast 30 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. In diesem Rahmen dürfte es eines der größten Geschäfte mit Wohnimmobilien in den letzten Jahren in Saarbrücken gewesen sein.

Wer die tatsächlichen Investoren sind, bleibt unklar. Denn es handelt sich nicht um einen Fonds für Privatanleger, sondern für Großinvestoren. Welche, wollte die Union Investment auf SR-Anfrage nicht mitteilen.

Die Mieter hingegen ärgern sich über Probleme mit der Hausverwaltung, Schädlingsbefall oder fehlende Rauchmelder.

Unser Fazit der Bürgerrecherche: Die Politik ist gefordert

Der Immobilienmarkt im Saarland ist natürlich nach wie vor weniger angespannt als der in Metropolen wie München oder Berlin. Die Ergebnisse der Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland?“ machen aber deutlich, dass Verkäufe von Wohnungspaketen für Millionensummen mittlerweile auch im Saarland üblich sind.

Und in den großen Städten haben die extremen Mietsteigerungen oft damit begonnen, dass kommunale Gesellschaften viele Wohnungen an Investoren verkauft haben. Für die Politik im Saarland heißt das: Gegensteuern und wieder mehr in den eigenen Besitz bringen.

Außerdem müssen Steuerschlupflöcher wie Share Deals oder das Verschieben von Mietgewinnen in Steueroasen schleunigst beendet werden. Diese Ungerechtigkeiten im Steuersystem sind zwar schon länger bekannt, dürfen aber derzeit munter weiter gehen. Die saarländische Landesregierung ist gefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass dem Einhalt geboten wird. Und die Bundesregierung muss unter anderem dafür sorgen, dass der Gesetzentwurf zur Erschwerung von Share Deals bald beschlossen wird und nicht weiter von der Unionsfraktion im Bundestag blockiert wird.

Schließlich schätzte das hessische Finanzministerium schon 2016, dass dem deutschen Staat durch solche Share Deals pro Jahr rund eine Milliarde Euro Grunderwerbsteuer verloren gehen. Während jeder, der privat ein Häuschen kauft, ganz regulär zahlen muss.


An der Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland“ haben unter anderem folgende Journalistinnen und Journalisten gearbeitet:

SR: Niklas Resch, Linda Grotholt, Volker Roth, Caroline Uhl, Marc-André Kruppa

Correctiv: Michel Penke, Jonathan Sachse


CORRECTIV ist das erste gemeinnützige Recherchezentrum in Deutschland. Die Journalisten arbeiten unabhängig und nicht-gewinnorientiert. Die Redaktion finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge von Unterstützern. Ihr Anspruch: In langfristigen Recherchen Missstände aufdecken und unvoreingenommen darüber berichten. Sie können die Arbeit unterstützen unter correctiv.org


Wenn Sie Fragen haben oder uns Informationen zukommen lassen möchten, schreiben Sie uns an: wemgehoert@sr.de

„Wem gehört das Saarland?“ ist eine Kooperation von SR und Correctiv und Teil einer Recherche-Serie für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.


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Alle Beiträge im Überblick
Vier Wochen lang hat der SR die Frage gestellt „Wem gehört das Saarland?“ Über 1000 Saarländerinnen und Saarländer haben sich an der Aktion beteiligt. Die brisantesten Ergebnisse der Bürgerrecherche von SR und dem Recherchezentrum Correctiv gibt es hier im Überblick.

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