Öffentliche Hand zieht sich zurück – und Mieten steigen
Spekulationen mit großen Immobilienpaketen sind auch in Saarbrücken angekommen. Das zeigt der Fall von 220 Mietwohnungen quer über Saarbrücken verteilt, die seit 2006 immer teurer werden. Sie gehörten ursprünglich der gemeinnützigen Saarbrücker Siedlungsgesellschaft.
Eine ruhige, etwas abgelegene Wohnsiedlung in Saarbrücken-Fechingen. Seit vergangenem Sommer wohnt Tobias Bertram* mit seiner Familie hier in einer 80-Quadratmeter-Wohnung. Sein Vermieter laut Mietvertrag: Die „Institutional Investment Partners GmbH“.
„Das klang erst einmal relativ nichtssagend für mich. Und die Firma, die das hier managt, sitzt halt auch noch einmal ganz woanders, ist also auch nicht direkt der Vermieter.“ Bertram interessiert, wer dahinter steckt - und macht mit bei der Bürgerrecherche „Wem gehört das Saarland?“ von SR und Correctiv.
Die Institutional Investment Partners GmbH ist ein Immobilienfonds mit Sitz in Frankfurt und Luxemburg. SR-Recherchen ergeben: Das Unternehmen besitzt 220 Wohnungen, quer über Saarbrücken verteilt.
Genau diese Wohnungen gehörten früher der gemeinnützigen Saarbrücker Siedlungsgesellschaft. 2006 wurden sie mit vielen anderen (insgesamt mehr als 1.000 Wohnungen) im Paket an die „Mondura Liegenschaften“ aus Frankenthal verkauft, weil die Siedlung Geld für die Sanierung anderer Gebäude brauchte. Ein Verkauf womöglich unter Wert, denn der Durchschnittspreis pro Wohnung lag bei rund 26.500 Euro. Für 220 Wohnungen entspricht das rund 5,8 Millionen Euro.
Siedlungs-Wohnungen wandern durch viele Hände
2016 kaufte dann der internationale Immobilienfonds „EVP Milano“ die oben genannten 220 Wohnungen aus dem Siedlungs-Paket für rund 10,2 Millionen Euro. 2018 wurden dieselben Wohnungen an den heutigen Besitzer, die Institutional Investment Partners GmbH, weiterverkauft – für 14,5 Millionen Euro. Eine Preissteigerung von gut 42 Prozent in nur zwei Jahren – es ist wohl einer der größten Wohnungspaketverkäufe in Saarbrücken.
Mit den Verkaufspreisen stiegen auch die Mieten – deshalb müssen neue Mieter wie Tobias Bertram tiefer in die Tasche greifen. Unmittelbar vor seinem Einzug fand er im Internet eine drei Jahre alte Annonce, in der seine Wohnung deutlich günstiger angeboten wurde: „Wir haben die jetzt für 660 Euro kalt gemietet und in der Annonce stand sie für 470 Euro.“ Bertram zahlt jetzt also rund 40 Prozent mehr. Der Neuvermietungspreis ist hier fast genauso stark gestiegen wie der Verkaufspreis der Immobilien. Von ähnlichen Entwicklungen berichten auch andere Mieter.
Die Institutional Investment Partners GmbH begründet Preisanstiege bei Neuvermietungen auf SR-Anfrage mit Modernisierungen. Freiwerdende Wohnungen würden bei Bedarf teil- oder komplettsaniert. Bestandsmieter würden teilweise deutlich weniger zahlen. Bis Ende 2020 seien zudem mehr als 25 Prozent des Kaufpreises in Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an den Saarbrücker Gebäuden investiert worden.
Am meisten Geld floss demnach in die Wohnungen in der Rubensstraße 66-78 auf dem Saarbrücker Wackenberg. Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Mietpreise: Zum heutigen 1. Februar gibt es eine Mieterhöhung, manche Wohnungen kosten jetzt gut 80 Euro mehr pro Monat.
Wer profitiert eigentlich von den Mieten?
Wer genau in den Fonds investiert und von den Mietzahlungen profitiert, ist unklar. Die Institutional Investment Partners GmbH spricht auf SR-Nachfrage lediglich von Versicherungen, Pensionskassen oder Versorgungswerken. Die angestrebte Rendite liege bei drei bis vier Prozent.
Für den Ökonomie-Professor Dirk Löhr ist es überraschend, dass auch im kleinen Saarland große Immobilienfonds aktiv sind. Der Immobilienexperte von Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld, sagt: „Das kann ich mir eigentlich nur damit erklären, dass mittlerweile in den richtig teuren Städten die Preissteigerungserwartungen nicht mehr so groß sind und man darauf hofft, dass dann in weniger teuren Städten eine entsprechende Dynamik in der Zukunft passiert.“
Öffentliche Hand gefordert
Der Fall zeigt zudem, was mittelfristig passieren kann, wenn die öffentliche Hand Immobilien verkauft: Die Mieten steigen. Damit nicht immer mehr Häuser und Wohnungen zum Spekulationsobjekt werden, fordert Immobilienmarkt-Experte Löhr, dass die Kommunen wieder mehr Verantwortung auf dem Wohnungsmarkt übernehmen.
Eine Forderung, der sich auch die gemeinnützige Saarbrücker Siedlungsgesellschaft anschließt. Heinz-Peter Klein, Geschäftsführer der Siedlung, sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht: „Wir dürfen im sozialen Wohnungsbau maximal 5,40 Euro Miete verlangen, wenn wir neu bauen 50 Cent mehr. Das ist im Augenblick nach meiner Auffassung nicht genug, denn die Baukosten sind in den letzten Jahren gestiegen, und wir bauen hier genauso teuer wie in den Ballungsräumen.“
Laut Klein müsste die Landesregierung die derzeitige Förderquote zwingend erhöhen, damit wieder deutlich mehr Sozialwohnungen gebaut werden können. Was passieren kann, wenn es so weitergeht wie bislang, zeigen Beispiele aus größeren deutschen Städten: In Frankfurt oder Berlin haben die großen Mietsteigerungen oftmals damit begonnen, dass die öffentliche Hand viele Wohnungen an Investoren verkauft hat.
*Name von der Redaktion geändert
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„Wem gehört das Saarland?“ ist eine Kooperation von SR und Correctiv und Teil einer Recherche-Serie für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.