„Share Deals“ – Konzerne umgehen Grunderwerbsteuer
Große Immobilienverkäufe werden oft mithilfe sogenannter „Share Deals“ abgewickelt. Dabei müssen Investoren unter bestimmten Umständen keine Grunderwerbsteuer zahlen – und bringen den Staat so um viel Geld. Eine Reform, die das ändern könnte, liegt zurzeit auf Eis.
Wer in Deutschland ein Haus oder ein Grundstück kauft, muss die Grunderwerbsteuer zahlen. Der Steuersatz liegt je nach Bundesland zwischen 3,5 (beispielsweise in Bayern oder Sachsen) und 6,5 Prozent (wie etwa in Nordrhein-Westfalen oder dem Saarland). Für ein 300.000 Euro teures Haus werden dementsprechend zwischen 10.500 Euro und 19.500 Euro Grunderwerbsteuer fällig.
In der Immobilienbranche gibt es allerdings einen Trick, wie diese Steuer umgangen werden kann: Sogenannte „Share Deals“.
Dabei werden Grundstücke oder Immobilien nicht direkt verkauft, sondern in eine Firma überführt, die oft nur zu diesem Zweck gegründet wurde. Im Anschluss werden Anteile an dieser Firma verkauft – und damit auch die Immobilien. Da es sich hierbei aber per Gesetz nicht um eine Immobilientransaktion handelt, wird meist keine Grunderwerbsteuer fällig.
Dabei gelten allerdings einige Regeln. So darf der neue Hauptbesitzer maximal 94,9 Prozent der Anteile erwerben. Sind es mehr, wird die Grunderwerbsteuer doch fällig. Das gehört zum Trick: Bei Share Deals bleiben die restlichen 5,1 Prozent deshalb einfach beim Verkäufer oder gehen beispielsweise an einen Co-Investor.
Die restlichen Firmenanteile darf sich der Hauptbesitzer nach einer Frist von fünf Jahren zusätzlich aneignen, danach wird keine Grunderwerbsteuer mehr fällig.
Steuerschlupfloch wird ausgiebig genutzt
Illegal ist diese Praktik nicht. Es handelt sich jedoch um ein Steuerschlupfloch, das ausgiebig genutzt wird. Genaue Zahlen zu Share Deals gibt es nicht, denn die steuerfreien Transaktionen sind nicht meldepflichtig. Den besten Überblick hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, das Daten aus verschiedenen Print- und Internetquellen zusammenträgt.
Demnach sind bei mehr als einem Drittel (34 Prozent) aller großen Wohnungstransaktionen (mehr als 800 Wohneinheiten pro Verkauf) zwischen 1999 und 2019 wegen Share-Deal-Konstruktionen keine Grunderwerbsteuern in die Staatskasse geflossen. Das hessische Finanzministerium schätzte 2016, dass dem deutschen Staat pro Jahr so rund eine Milliarde Euro entgehen.
Ursprünglich sollten mittelständische Unternehmen vom Konstrukt des Share Deals profitieren. Der Grundgedanke war, dass Käufer eines Unternehmens Verantwortung für die Mitarbeiter und den Fortbestand der Firma übernehmen. Dabei sollten sie nicht noch zusätzlich durch eine Steuer auf Produktionshallen und das Betriebsgelände belastet werden. Zudem wäre das in die Grunderwerbsteuer fließende Geld verloren für Investitionen, die ihrerseits möglicherweise Arbeitsplätze sichern könnten.
Share Deals auch im Saarland
Recherchen im Rahmen der Aktion „Wem gehört das Saarland“ von SR und Correctiv zeigen: Auch im Saarland gab es schon Share Deals – sogar in Ottweiler: 2007 kaufte eine Firma mit Sitz in Berlin, die „Residential Value West 1 GmbH“, einen Wohnkomplex in Ottweiler mit insgesamt 40 Wohnungen.
In der Zwischenzeit ist der Firmensitz nach Luxemburg verlegt worden. Außerdem wurden mehrfach Anteile an der Firma weiterverkauft. Das zeigen Daten des Grundbuchamtes sowie des deutschen und des luxemburgischen Handelsregisters.
Seit Ende 2017 gehörte die Firma „Residential Value West 1 GmbH“, und damit der Ottweiler Wohnkomplex, einem weit verzweigten Firmennetzwerk, das sich über Luxemburg bis auf die Britischen Jungferninseln erstreckt und alle möglichen Tricks ausnutzte, um Steuern zu sparen.
Schon wieder weiterverkauf
Nach Recherchen von SR und Correctiv stehen dahinter unter anderem Mitglieder einer schottischen Adelsfamilie, des Gordon-Clans. Während der Recherche, kurz vor der Veröffentlichung, wurden die Briefkastenfirmen, und damit insgesamt mindestens 2000 Wohnungen in Deutschland, ein weiteres Mal weiterverkauft – an den nächsten Investor. Wieder in Form eines Share Deals, so dass erneut keine Grunderwerbsteuer fällig wurde.
Das Konstrukt ist auf maximale Verschleierung ausgelegt: Denn dadurch, dass der Firmenname derselbe bleibt, gibt es in den meisten Fällen auch keine Neueintragung im Grundbuch.
Reform der Grunderwerbsteuer könnte Lösung bringen
Während jeder Privatkäufer seine Steuern bezahlen muss, nutzen große Investoren Steuerschlupflöcher: Dass diese unbesteuerten Immobiliengeschäfte hochgradig ungerecht sind, ist auch der Politik nicht entgangen. Seit 2016 sind Share Deals deswegen auf der Tagesordnung der Bundesregierung. Ein entsprechendes Gesetzesverfahren, das diese Steuervermeidungstaktik zumindest schwieriger gestalten soll, wurde auch bereits in die Wege geleitet.
Allerdings herrscht seit eineinhalb Jahren Stillstand – da die Union den Abschluss an ein weiteres Gesetzesverfahren koppelt, schreibt der CDU-Bundestagsabgeordneten Olav Gutting auf Anfrage von SR und Correctiv. Das Problem: Auch dort geht es nicht voran. Wann das Gesetz also wirklich kommt, bleibt nach wie vor unklar.
Wenn Sie Fragen haben oder uns Informationen zukommen lassen möchten, schreiben Sie uns an: wemgehoert@sr.de
„Wem gehört das Saarland?“ ist eine Kooperation von SR und Correctiv und Teil einer Recherche-Serie für mehr Transparenz auf dem Wohnungsmarkt.