Lucky Luke - erstmals an der Ostküste - und bei den Deutschen

"Die Maß ist voll"

Lucky Luke - erstmals an der Ostküste - und bei den Deutschen

Gerd Heger   31.10.2024 | 16:00 Uhr

Gerade haben Asterix und Obelix ihren 65. Geburtstag gefeiert, und denken nicht daran, in Rente zu gehen. Genauso wenig wie ein anderer der großen franko-belgischen Comichelden, der auch schon über 70 ist: Lucky Luke. Erfunden vom Zeichner Morris (damals rauchte Lucky), zum Erfolg geführt durch Asterixpapa René Goscinny als Texter. Luke trifft jetzt, erstmals in seiner Karriere, auf die Deutschen – ohne das Amerika des 19. Jahrhunderts zu verlassen. Heute sind Jul (Julien Berjeaut) und Achdé (Hervé Darmenton) seine Schöpfer.

So ein einsamer Cowboy im Wilden Westen hat einen harten Alltag: Klapperschlangen erschießen, Kühe fangen, Indianer bändigen, Banditen einbuchten. Die Quittung: ein Hexenschuss. Ein Arzt muss her. Neu München in Minnesota ist die nächste Stadt. Und schon ist Lucky Luke im deutschen Gürtel – unterhalb der Großen Seen an der Ostküste, wohin die meisten Deutschen gekommen waren während der Auswandererzeit. Mitten im Wilden Osten – bei den „germans“: Inklusive Sauerkraut, Weihnachtsbaum, Hamburger, Frankfurter Hot Dogs, Arbeiterbewegung uuuund roten Ampeln - die man keinesfalls übersehen darf. Klischees, die es für den Humor braucht. Texter Jul sieht sich da in der Tradition von René Goscinny, der ganze Klischeelisten hatte.

"Wir wollen diese Klischees nutzen, um uns ein bisschen davon zu distanzieren und natürlich, um darüber zu lachen. Das war ein sehr reiches Themenfeld." Jul
Deutsch-indianische Ehe - und Lucky Luke beim Abendessen (Foto: Lucky Comics©2024/Story House Egmont)
Deutsch-indianische Ehe - und Lucky Luke beim Abendessen

Ein Beispiel: Streik. Typisch deutsch. Weswegen der Wilde Westen ohne Bier dasteht: Lücky Lück muss in die Stadt Milwaukee, wo die deutschen Bier-Barone herrschen: Schlitz, Blatz, Miller, Falk und -Colonel Frederick Martz. Der wird, neben dem Gewerkschafter Wolf, zur Hauptfigur – nicht nur böse, nicht nur gut.

"Bei beiden zerbrechen Sicherheiten, Vorurteile, aber es geht natürlich gut aus, weil es ein Lucky Luke ist. Und natürlich ist es vor allem lustig." Achdé

René Goscinny hatte damals, neben seinen Klischeelisten über Italiener, Mexikaner, Indianer und was sonst noch kreuchte und fleuchte im "far west", auch auf seine Amerikaerfahrungen bauen können - wie Lucky-Luke-Erfinder Morris. Beide waren in den Staaten gewesen, hatten vor allem die Popkultur tief in sich aufgenommen, von Superman über Mad bis hin zu John Wayne. Jul sieht sich da ebenfalls komplett in der Tradition:

"Die Recherchen, meint Jul, über die deutschen Gemeinschaften in den USA, über die Brauerein in Milwaukee haben mir erlaubt, viele Details zu nutzen, um eine erfundene Geschichte zu erzählen." Jul

Und eben die Klischees: In der ziemlich perfekten Übersetzung von Klaus Jöken wird, wie im Original, keine Bieranspielung ausgelassen. "Wir schäumen vor Wut!" Oder: "Das Fass läuft über!" Und natürlich der Titel: "Letzte Runde für die Daltons" (auf Französisch: "Lucky Luke sous pression" - was sowohl Druck heißt, als auch das Bier aus dem Zapfhahn bezeichnet.

Arbeitersolidarität in Amerika - deutscher Import (Foto: Lucky Comics©2024/Story House Egmont)
Arbeitersolidarität in Amerika - deutscher Import

Lucky ist zwar dank deutscher Pillen vom Rückenleiden zwar geheilt, wird dafür aber mit diesem Deutschtum überhäuft. Sogar eine Wagner-Aufführung muss er sich antun – mit einer aufwendig gezeichneten Attentatsszene in der Oper – die von Achdé wie in einem Mafiafilm gezeichnet wurde:

"Es ist ein bisschen wie in einem Film über die Mafia. Das Drama spielt auf der Bühne, aber gleichzeitig in den Kulissen." Achdé
Achdé zeichnet Lucky Luke beim Pressetermin in Berlin (Foto: Egmont Ehapa Media)
Achdé zeichnet Lucky Luke beim Pressetermin in Berlin

Der 102. Lucky Luke entfernt sich so sehr weit von den doch sehr einfach gehaltenen Originale, erreicht gerade in den besonderen Perspektiven an Asterix und andere aufwändige Werke des franko-belgischen Stils - und wird, ohne den Mann, der schneller schießt als sein Schatten, zu verraten zunehmend heutiger. Wenn auch ein bisschen bieder, was ja aber zu den Deutschen passt. Und ein bisschen zu unserem in die Jahre gekommenen, immer sympathischen Helden. Den richtig guten Schlussgag mit dem Sonnenuntergang sollte man sich nicht entgehen lassen.

Und noch ein Tipp: Für den deutsch-französischen Fernsehsender Arte folgt übrigens Texter Jul den „Fußstapfen von Lucky Luke“ – und war für eine dreiteilige Doku inh Amerika. Wie damals die Erfinder Morris und Goscinny . Zu sehen auf Arte Plus.

Bier und Daltons in Milwaukee (Foto: Lucky Comics / Story House Egmont)
Bier und Daltons in Milwaukee

Jul / Achdé
Lucky Luke Letzte Runde für die Daltons
Egmont Ehapa Media
(übersetzt von Klaus Jöken)
ISBN 4193381507995

Auf Französisch:

Lucky Luke Un cow-boy sous pression
Lucky Comics by Achdé and Jul


Die Känguru-Comics, 1. Folge (Foto: Kissel / Kling / Zeit.de)
Die Känguru-Comics

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