"Im Großen sind viele Hebel umgelegt - es hakt im Kleinen"
Verkehrswende, Mobilitätswende - Begriffe, die ausdrücken sollen, dass das Auto nicht mehr allein der Maßstab für Mobilität sein soll. Das Umdenken hat zwar begonnen, die Konsequenzen daraus sind aber noch sehr ambivalent. Ein Kommentar von Stephan Deppen.
Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) ist die Autolobby schlechthin. Und der ADAC ist nicht mehr gegen ein Tempolimit auf Autobahnen, ist für den Ausbau der Radinfrastruktur, bietet sogar Pannenhilfe für Pedalisten. Was ist los in Deutschland?
Im Großen sind viele Hebel umgelegt
Nun, die Verkehrs- oder Mobilitätswende hat begonnen. Langsam zwar, aber immerhin. Verkehrsentwicklungspläne von Land und Kommunen, Beratung und Geld für Fahrrad-Infrastruktur, Rekord- Investitionen in die Deutsche Bahn, Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Sinne einer Abkehr von der reinen Autozentriertheit: Im Großen sind viele Hebel umgelegt.
Es hakt im Kleinen
Und im Kleinen? Da hakt es an allen Ecken und Enden. Kein Geld, keine Ideen, Angst vor dem Unmut all derer, die mit ihren zu großen Autos in der Stadt unbedingt bis vor die Wursttheke fahren wollen. Dabei sind viele Dinge ohne zusätzliches Geld, dafür aber mit guten Ideen und Hartnäckigkeit relativ schnell umsetzbar.
Ein paar Beispiele aus dem Regionalverband Saarbrücken:
- Warum stehen Verkehrszeichen, die Autos betreffen, mitten auf dem Radweg?
- Warum dürfen Firmen öffentliche Straßen als kostenlosen Parkplatz nutzen? Wenn nur eine Fahrspur je Richtung nötig ist, könnte die andere ja statt als Parkplatz für Firmenautos als Rad-, Fußweg oder Allee genutzt werden.
- Warum können verblasste Markierungen auf Rad- und Gehwegen, an Sicherheitsstreifen und Kreuzungen nicht aufgefrischt werden?
- Warum gibt es keine Fahrrad-optimierten Ampelschaltungen?
- Warum wechseln die Bezeichnungen Radweg beziehungsweise Fußweg und Fahrräder frei in kurzen Abständen? Das schafft Unsicherheiten und provoziert Fehlverhalten. Fehlverhalten, das für die anderen nervig bis gefährlich ist.
Keine Ahndung von Fehlverhalten
Fußgänger, die schwächsten in der mobilen Nahrungskette, fühlen sich vor allem durch e-Tretroller in ihrer Sicherheit gefährdet, in zweiter Linie durch Fahrräder. Aber Fehlverhalten ahnden? Große Fehlanzeige im Saarland. Kein Personal, so die stereotype Antwort der Polizei. Jeder kann mehr oder weniger tun und lassen was er will. So lässt sich eine geordnete Verkehrswende nicht erreichen. Der Ton wird rauer. Viele sind unterwegs, als gelten die Regeln nur für die anderen.
Und immer wieder: die ÖPNV-Verbindungen
Nun sind Fahrräder und Tretroller eher Vehikel für gutes Wetter. Wer aber auch sonst ohne Auto unterwegs sein muss oder will, hat noch immer mindestens ein Problem: Zu wenige oder ungünstige Verbindungen, Verspätungen, schlechte Anschlüsse.
Und dazu das ewige Rumgeeiere mit der ach so gewünschten Reaktivierung von Bahnstrecken im Saarland. Seit Jahren ein einziges Vertrösten aus verschiedenen Gründen. Im Sommer nun sollen die letzten Gutachten vorliegen. Und dann? Hoffentlich geht es nicht wie beim Deutschlandticket: Eine gute Idee wird wegen nicht endender politischer Diskussionen ums Geld um den guten Ruf gebracht.
Es geht um mehr Lebensqualität
Bei all dem geht es ja längst nicht mehr nur ums Auto. Es geht um Schadstoffe, es geht um Lärm, es geht um lebenswertere Kommunen - und dazu braucht es die Mobilitäts- oder Verkehrswende. Nicht der Verzicht aufs Auto ist die Botschaft, sondern der Gewinn an Lebensqualität für alle. Auch kleine Schritte auf dem Weg dahin können viel bewirken.
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Ein Thema in den "Bunten Funkminuten" am 27.06.2024 auf SR 3 Saarlandwelle