Ein Junge macht Schularbeiten (Foto: picture alliance/Sven Hoppe/dpa)

Hilfe für Eltern hochsensibler Kinder

Martina Kind   02.07.2023 | 19:27 Uhr

Jeder Mensch nimmt Reize aus seiner Umwelt auf und verarbeitet sie. Bei fast allen Menschen wird ein Großteil der Informationen aus der Wahrnehmung herausgefiltert – bei Hochsensiblen ist dieser Filter aber offenbar kleiner. Dann kommt es schnell zu Reizüberflutungen, die bei Kindern gerne als "Launen" abgetan werden. Wie Eltern damit umgehen können.

Hochsensible Menschen nehmen äußere Sinneseindrücke stärker wahr und brauchen länger dafür, sie zu verarbeiten. Geräusche erscheinen ihnen lauter, Gerüche intensiver, Licht greller. Sie haben aber auch ein vermeintlich offeneres Filtersystem für innere Reize. Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen sie nachhaltiger als andere, sie fühlen stärker mit und verlieren sich öfter in Grübeleien. Dadurch sind Hochsensible auch schnell reizüberflutet, die Folge: Erschöpfung, Stress oder emotionale Gereiztheit.

Das zumindest sind einige Kriterien für Hochsensibilität, die die US-amerikanischen Psychologen Elaine N. Aron und Arthur Aron in den 1990er Jahren definiert haben und die bis heute in der Forschung gültig sind – wenn die Wissenschaft auch grundsätzlich immer noch skeptisch ist, ob es so etwas wie Hochsensibilität überhaupt gibt.

Bedürfnisse Hochsensibler werden nicht ernst genommen

Als Krankheit oder Persönlichkeitsstörung wie ADHS gilt Hochsensibilität jedenfalls nicht. "Es handelt sich vielmehr um eine Charaktereigenschaft bzw. einen Wesenszug", erklärt die Saarbrücker Erziehungswissenschaftlerin Susanne Wilhelm, die unter anderem bei der Diakonie Saar Workshops für Eltern zum Thema leitet. "Dennoch kann der Leidensdruck hoch sein."

Schätzungen zufolge sind zwischen zehn und 30 Prozent aller Menschen hochsensibel. Dass Hochsensibilität durch Fragebogen bzw. Tests auf Grundlage der Ergebnisse Arons – und damit durch Selbstdiagnose – festgestellt wird, macht es für Betroffene nicht einfacher, sagt Wilhelm. "Sie und ihre Bedürfnisse werden oft nicht ernst genommen." Gerade bei Kindern würden die Reizüberflutungen häufig als Launen, wenn nicht gar als Zeichen schlechter Erziehung abgetan.

Rückzugsorte schaffen

Klassenzimmer seien für hochsensible Kinder besonders anspruchsvolle Orte, so Wilhelm. "Es ist laut, es herrscht viel Gewusel, es kommen verschiedene Gerüche zusammen, das ist extrem anstrengend." Dann könne es schnell vorkommen, dass hochsensible Kinder aggressiv reagierten, die Unterrichtsarbeit verweigerten oder ihre Überforderung auf andere Weisen geltend machten. Dem stünden Lehrkräfte gegenüber, die sich die Reaktion des Kindes möglicherweise nicht erklären können und nicht adäquat darauf zu antworten wissen.

"Deshalb ist es umso wichtiger, dass Eltern hochsensibler Kinder mit offenen Karten spielen, damit Lehrkräfte auch angemessen reagieren können." Etwa, indem sie es dem Kind erlauben, sich für ein paar Minuten an einen ruhigen Ort zurückzuziehen, idealerweise in Begleitung eines Schulsozialarbeiters oder einer Schulpsychologin, die dem Kind ein Gefühl von Sicherheit vermitteln können.

Freiräume seien aber auch außerhalb der Schule wichtig. "Hochsensible Kinder brauchen viel Zeit für sich, um ihre Eindrücke und Empfindungen in Ruhe verarbeiten zu können. Nach der Schule jeden Nachmittag noch ein umfangreiches Programm zu haben, das kann schnell zu viel für sie sein." Eltern sollen zudem darauf achten, dass sich der Medienkonsum in Grenzen hält, denn dabei sind Kinder besonders vielen Reizen ausgesetzt.

Hochsensible Kinder ernst nehmen

Natürlich gelte das für alle Eltern, "aber vielleicht noch etwas mehr für Eltern hochsensibler Kinder, da sie so feinfühlig sind und so intensiv auf ihre Umwelt reagieren: In Stressituationen sollten Eltern immer Ruhe bewahren und ihren Kindern damit einen entspannten Umgang mit Konflikten vorleben."

Am Allerwichtigsten aber sei es, hochsensiblen Kindern stets zu vermittlen, "dass mit ihnen alles in Ordnung ist, dass sie gut und richtig sind, so wie sie sind – und dass man sie hört und sieht und ihre Bedürfnisse wahr- und vor allem ernst nimmt".


Für Eltern hochsensibler Kinder im Saarland bietet die Evangelische Familienbildungsstätte eine Anlaufstelle. Dort findet Anfang Juli ein Workshop zum Thema statt, bei einer hohen Nachfrage soll es zeitnah einen weiteren geben.


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