Bundeskanzler Scholz kritisiert Merz-Forderungen zur Asylpolitik scharf
Bei einem Wahlkampftermin in der Congresshalle in Saarbrücken hat Bundeskanzler Scholz Merz' Forderung nach dauerhaften Grenzkontrollen eine klare Absage erteilt. Sie seien mit dem Grundgesetz nicht in Einklang zu bringen. Bei dem Bürgerdialog stand zudem die Krise der saarländischen Industrie im Fokus.
Einen Monat vor der Bundestagswahl hat sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Congresshalle in Saarbrücken Fragen von Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Er verteidigte dabei seine Migrationspolitik und griff CDU-Kanzlerkandidat Merz für dessen Asyl-Vorschläge, dauerhafte Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen einzuführen und Menschen ohne gültige Einreisepapiere konsequent zurückzuweisen, scharf an.
Merz' Vorstoß bezeichnete Scholz auch im Interview mit dem SR als Verfassungsbruch. "Wir haben Grenzkontrollen schon seit einiger Zeit in einer Art und Weise, die ganz gut funktioniert". Das habe auch einen großen Effekt gehabt. "Die irreguläre Migration ist dramatisch zurückgegangen." Auch die Zahl der Rückführungen sei erhöht worden.
Scholz: "Das ist mit mir nicht zu machen"
Der bisherige Weg habe sich also bewährt. "Was aber nicht funktioniert, ist gewissermaßen jetzt den nächsten Schritt zu machen, der darin besteht, die Verfassung zu brechen und die Verträge, die wir ihn Europa geschlossen zu haben, nicht einzuhalten", so Scholz.
Genau das sei aber der von Merz vorgeschlagene Weg – "dass wir einen Schritt über das Grundgesetz hinausgehen. Und das ist mit mir nicht zu machen". Merz hatte angekündigt, kommende Woche im Bundestag Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik einzubringen – unabhängig davon, wer ihnen zustimme.
Scholz zweifelt an Merz' "Brandmauer"-Versprechen
Scholz zweifelt daher auch das sogenannte "Brandmauer"-Versprechen von Merz an, nach der Wahl nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel schrieb am Freitag bei X – ehemals Twitter –, die Brandmauer sei bereits gefallen. Nun frage er sich, was er glauben soll, so Scholz. "Das ist eine Frage, die sich jeder Bürger und jede Bürgerin nach den Vorgängen, die in dieser Woche passiert sind, stellen muss."
Deutsche Wettbewerbsfähigkeit infrage gestellt
Im Gespräch mit den gut 600 anwesenden Bürgern in der Congresshalle, von denen ein Großteil SPD- und Gewerkschaftsmitglieder waren, musste Scholz darüber hinaus Fragen zur Krise der saarländischen Industrie beantworten.
Eine Betriebsrätin von Schaeffler konfrontierte Scholz mit den Plänen ihres Arbeitgebers, rund 2800 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, wovon rund 230 im Homburger Werk betroffen sein könnten.
Ein Gewerkschaftsvertreter der IG Metall sagte, der saarländischen Stahlindustrie stünde das Wasser schon weiter als bis zum Hals. Es sei bereits vor der Transformation schwierig, preislich mit chinesischem Stahl mitzuhalten; die Umstellung auf grünen Stahl, die auch seine Gewerkschaft unterstütze, würde den saarländischen Stahl noch weiter verteuern. Zudem fehle es an Leitmärkten für deren Absatz.
Scholz bekennt sich zum Stahl
Scholz versuchte, dem Publikum zu versichern, dass Industrie und Stahl auch in Zukunft eine zentrale und wichtige Rolle für die Wirtschaft in Deutschland spielen werden. Die Förderung für die Umstellung auf grünen Stahl müsse fortgesetzt werden.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrieunternehmen zu gewährleisten, müssten die Energiepreise sinken, so Scholz. Das sei durch den Ausbau der erneuerbaren Energie möglich, es müssten dafür aber noch Maßnahmen getroffen werden.
"Wenn Strom billig produziert wird, muss er auch billig beim Verbraucher ankommen", sagte Scholz. Das sei noch nicht der Fall. Deshalb müssten die Stromnetze ausgebaut und die Netzentgelte reduziert werden. Scholz versprach, unter seiner Führung würden die Netzentgelte auf drei Cent gedeckelt. Derzeit betrügen sie über sechs Cent.
Forderung nach europäischem Stahlgipfel
Zum Thema Leit- und Absatzmärkte für den grün produzierten Stahl verwies Scholz auf Pläne der Bahn, ihre Züge damit zu bauen. Auch die Automobilindustrie würde langfristig auf grünen Stahl zurückgreifen. Darüber müsste man ins Gespräch kommen.
Scholz forderte einen Stahlgipfel auf europäischer Ebene, um gemeinsam und koordiniert gegen Dumping aus China und mögliche nachteilige Entscheidungen aus Amerika vorgehen zu können. Er zeigte sich optimistisch, noch im Frühjahr darüber Einigkeit mit anderen europäischen Regierungschefs erzielen zu können.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 25.01.2025 berichtet.