Hohe Ausgaben, wenig Kontrolle – massive Kritik des Rechnungshofes
Wohl selten hat ein Bericht des Landesrechnungshofes im Saarland schon im Vorfeld so große Wellen geschlagen. Gleich mehrfach hat die Staatsanwaltschaft als Folge der Prüfungen Ermittlungen aufgenommen. Massive Kritik gibt es aber auch am Corona-Sondervermögen des Landes.
So spektakulär die Razzien bei Handwerkskammer und Kunsthochschule waren, was die Summen angeht, waren sie fast schon Kleinkram im Vergleich zur größten Prüfung im Bericht des Rechnungshofes, dem Corona-Sondervermögen mit seinen 1,4 Milliarden Euro hohen Kreditermächtigungen.
Kritik an fehlendem Corona-Zusammenhang bei Mammutprojekten
Das Sondervermögen hatte die Landesregierung 2020 eigentlich aufgesetzt, um die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Doch der Rechnungshof hat gleich bei mehreren Projekten der damaligen Koalition aus CDU und SPD beträchtliche Zweifel, ob sie wirklich im engen Zusammenhang mit der Pandemie standen und damit auch, ob sie so überhaupt zulässig waren.
Im Fokus stehen dabei vor allem zwei Projekte: die 100 Millionen Euro für den Gigabit-Ausbau und 50 Millionen Euro für "Moderne Mobilität". Bei beidem fehle der unmittelbare Zusammenhang mit der Pandemie, heißt es im Bericht.
Beim Thema Mobilität fällt das Urteil der Prüfer sogar noch deutlicher aus. Die Regierung habe sich mit diesem Projekt eine „inhaltlich und zeitlich nahezu unbegrenzte Kreditaufnahme auf Vorrat“ gesichert, die sich zudem jeglicher Kontrolle des Landtags entziehe.
Vergleiche zum Transformationsfonds
Und genau diese Punkte im Bericht dürften auch eine Mahnung an die aktuelle Landesregierung sein. Deren Transformationsfonds hatte der Rechnungshof bereits vor zwei Wochen sehr kritisch beäugt.
Der aktuelle Prüfbericht lässt sich also auch als Hinweis darauf lesen, dass der Rechnungshof sehr genau im Auge haben wird, wie die Landesregierung die bis zu drei Milliarden Euro Schulden verwendet und ob die Ausgaben auch tatsächlich im Zusammenhang mit der aktuellen Krise stehen.
Staatsanwaltschaft bei der Handwerkskammer
Doch natürlich, so groß diese Summen sind, die größten Wellen hat der Bericht schon im Vorfeld bei der Handwerkskammer (HWK) geschlagen, wo längst die Staatsanwaltschaft ermittelt. Juristisch läuft die Aufarbeitung der Vorgänge dort bereits seit zwei Wochen. Aufgrund der ersten Prüfmitteilung des Rechnungshofes hatte das Wirtschaftsministerium als zuständige Rechtsaufsicht die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Die Liste der Vorwürfe um HWK-Präsident Bernd Wegner und den Ex-Hauptgeschäftsführer ist lang. Es geht um Dienstwagennutzung durch die Ehefrau, Restaurantbesuche und Betriebsausflüge, aber auch eine Feier für Wegners 60. Geburtstag auf Kosten der Kammer. Doch der Bericht des Rechnungshofes geht in seinen Betrachtungen zur HWK noch weit darüber hinaus.
Vernichtendes Urteil über Handwerkskammer
Mit ihrem Haushaltsgebaren habe die Kammer im Prüfungszeitraum von 2010 bis 2019, also vor der Kammer-Reform 2021, "gegen fundamentale Grundsätze des Haushalts- und Satzungsrechtes verstoßen." Der Bericht lässt sich wie ein einziges vernichtendes Urteil lesen.
Von einer "aufgeblähten" Organisation ist die Rede, bei der selbst die grundsätzlichen Regelungen für Arbeitsabläufe gefehlt hätten. Die Geschäftsführer seien zu hoch bezahlt worden und auch in der Ebene darunter habe es immer wieder "rechtsgrundlose" Zulagen gegeben.
Ausgaben hochgerechnet, Mitgliedsbeiträge immer wieder erhöht
Auf der anderen Seite seien die Beiträge der Mitglieder immer wieder erhöht worden, während die Ausgaben der Kammer deutlich langsamer stiegen. Die Ausgaben seien teils hochgerechnet worden, offenbar auch um die Beiträge erhöhen zu können. Die daraus resultierenden Überschüsse wurden aber nicht in den Haushaltsabrechnungen aufgeführt, stattdessen wurden die Rücklagen der Kammer immer weiter vergrößert.
Und so endet der Bericht zur HWK mit der Empfehlung, Entscheidungen sollten sich doch "künftig stärker an sachlichen Erfordernissen und weniger an personalpolitischen Aspekten orientieren". Angesichts der langen Liste an Vorwürfen spart der Rechnungshof dabei auch nicht mit Kritik am Wirtschaftsministerium. Das habe weggeschaut und sei seinen Aufgaben "teilweise nur unzureichend nachgekommen."
Kunsthochschule nicht im Bericht, aber doch im Fokus
16 Seiten lang ist der Bericht zur HWK. Doch wer die Nachrichten der vergangenen Wochen verfolgt hat, wird an anderer Stelle vergeblich suchen. Denn die Hochschule der Bildenden Künste (HBK) taucht im 283-seitigen Bericht gar nicht auf, obwohl dort die Prüfung des Rechnungshofes ebenfalls Auslöser der aktuell laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen war.
Denn der Rechnungshof war in seiner Arbeit nie über diese erste Prüfung hinausgekommen, offenbar weil die Situation, die man bei der HBK vorfand, schlicht nicht prüffähig war. Vor allem, weil Unterlagen und Belege fehlten. Stattdessen wurde die Rechtsaufsicht, in diesem Fall das Ministerium für Bildung und Kultur, informiert und die Einleitung aller gebotenen Maßnahmen angeregt, also auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.
Millionenschweres Konto außerhalb des regulären Haushaltes
Schon der erste Überblick hatte zahlreiche Fragen aufgeworfen. So entdeckten die Prüfer ein Konto mit insgesamt 19 Unterkonten, die außerhalb des regulären Haushaltes geführt wurden und auf denen zwischen 2006 und 2020 Zahlungen von über einer Million Euro eingegangen waren. Öffentliche und private Fördermittel waren offenbar bunt gemischt. Auf mehr als 100.000 Euro haben sich dabei alleine sogenannte Barvorlagen summiert, also Erstattungen, wenn Mitarbeiter Ausgaben vorgestreckt haben.
Dabei lagen für diese Erstattungen offenbar nur in einem Bruchteil Belege vor. Auch deshalb schien eine umfassende Prüfung nicht möglich. Statt der Prüfer des Rechnungshofes ermittelt nun also die Staatsanwaltschaft.
Zuwendungsverstöße bei Projekten zur Flüchtlingsbetreuung
Doch neben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und milliardenschweren Sondervermögen gibt es auch in diesem Jahr die eher klassischen Themen eines Rechnungshofberichtes irgendwo zwischen Verschwendung, Schildbürgerstreich und Seltsamem.
So herrschte beim Sozialministerium offenbar wenig Klarheit über Förderkriterien für ehrenamtliche Projekte in der Flüchtlingsbetreuung. Der Zweck mag noch so gut gewesen sein, bei der Verteilung der Mittel gab es laut Rechnungshof massive Verstöße gegen das Zuwendungsrecht. Oft ging die Initiative, wer Mittel bekommt, "allein vom Ministerium beziehungsweise seiner Hausspitze oder einzelnen Abgeordneten aus", heißt es da.
Schaukelpferd zur Verbesserung der Lehre an der HTW
Ähnlich unklar war offenbar an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, wie mit den Kompensationsmitteln für entfallene Studiengebühren umzugehen ist. Insgesamt gab es zwischen 2010 und 2019 18,75 Millionen Euro zum Ausgleich vom Land, die eigentlich zur Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre verwendet werden sollten.
Das hat man bei der HTW offenbar recht großzügig ausgelegt. So wurden Mittel unter anderem für Hängematten, Adventskalender oder auch ein Schaukelpferd verwendet.
Kommunen sollen marode Bahnhöfe übernehmen
Auch das leidige Thema 'barrierefreie Bahnhöfe' im Saarland hat sich der Rechnungshof diesmal genauer angeschaut. Seit Jahren hinkt der Umbau der Bahnhofsgebäude hinterher, einzelne Maßnahmen dauerten zwischen 15 und 25 Jahren bis zur Umsetzung, heißt es im Bericht. Auch das Verkehrsministerium habe seinen bremsenden Teil dazu beigetragen.
Da vor allem der Verkauf der Bahnhofsgebäude in den 1990er Jahren an private Investoren zu dieser Situation geführt habe, empfiehlt der Rechnungshof, dass die Kommunen künftig zum Verkauf stehende Bahnhöfe selbst übernehmen und dabei vom Land unterstützt werden sollen.
Lob für die Stiftung saarländischer Kulturbesitz
Immerhin an einer Stelle gibt es auch Lob im Bericht und das ausgerechnet für eines der jahrelangen Sorgenkinder, die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Die war vor mehr als zehn Jahren schon einmal Gegenstand einer Prüfung durch den Rechnungshof, damals mit einem vernichtenden Urteil. Doch diesmal hat die Prüfung einen positiven Eindruck hinterlassen.
Die zuständigen Stellen hätten sich "nicht nur bemüht, Kritikpunkte aufzugreifen und zu beheben. Es ist ihnen in weiten Teilen auch gelungen", heißt es da. Zumindest das also auch eine der Erkenntnisse des Berichtes mit so viel Sprengkraft: Besserung ist möglich.
Über dieses Thema berichteten die SR-Hörfunknachrichten am 24.11.2022.