SPD sieht Ford für Zukunft des Werkes in der Pflicht
Die Absage des Großinvestors für die Übernahme des Ford-Werks in Saarlouis hat in der Saar-Politik für Unmut und Entsetzen gesorgt. Die Landesregierung arbeite weiter an einer Lösung für die Arbeitsplätze, so die SPD. CDU, FDP und Grüne erheben Vorwürfe gegen das Land.
Seit Donnerstag steht fest: Die Verhandlungen mit einem Großinvestor über die Zukunft von Ford in Saarlouis sind geplatzt.
Rehlinger spricht Management Misstrauen aus
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), die ebenfalls bei der Betriebsversammlung vor Ort war, sagte nach Teilnehmerangaben in einer Rede an die Beschäftigten: "Dass das nicht geklappt hat, das ist großer Mist. Es war aber auch eine Operation am offenen Herzen, eine Ansiedlung in der laufenden Produktion zu versuchen."
Man habe sich erhofft, gewünscht und dafür gearbeitet, ein besseres Ergebnis präsentieren zu können. "Das ist für uns alle heute nicht schön hier, aber es ist nicht das Ende des Prozesses. Ich akzeptiere das nicht als Endergebnis."
Gegenüber dem Ford-Management fand Rehlinger deutliche Worte: "Ich bin nicht sicher, ob ich zu recht das Vertrauen in Sie haben darf, dass wir gemeinsam das gleiche gute Ergebnis für diesen Standort im Blick haben."
Commerçon spricht von teurem Sozialplan
Das Ford-Management habe der Hoffnung, dass es eine Lösung im laufenden Betrieb geben könnte, eiskalt eine Absage erteilt, so SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon. Es sei die Entscheidung des Managements, dem Investor kein vernünftiges Angebot zu machen.
"Das wird bei den Verhandlungen um einen Sozialplan sehr teuer für sie werden", sagte Commerçon. "Die Landesregierung arbeitet weiter rund um die Uhr für die Arbeitsplätze am Standort nach 2025 – ob mit oder ohne Ford."
Vorwürfe von CDU, FDP und Grünen
Die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag, die Saar-FDP, die Saar-Grünen und die Linke Saar erheben nun Vorwürfe gegen die Landesregierung.
"Heute haben sich für tausende Beschäftigte und ihre Familien die von der Landesregierung geweckten Hoffnungen in Luft aufgelöst", so der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Stephan Toscani.
Die Landesregierung habe auf das falsche Pferd gesetzt, heißt es von der FDP.
"Das Land hat sich dafür entschieden, exklusiv mit einem potentiellen Großinvestor die Verhandlungen zu begleiten, statt mit einer Vielzahl von Investoren eine breitere Lösung für den Standort Saarlouis zu suchen", sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der FDP Saar, Angelika Hießerich-Peter. Das Land müsse jetzt endlich einen Plan B vorlegen.
Neues Konzept gefordert
Ähnlich sehen das auch die Grünen. Die Landesregierung habe mit großer Ansage Steuergelder verzockt, anstatt schon lange vorher ein schlüssiges Konzept zur Flächennutzung zu entwickeln.
"Es kann nicht sein, dass man behauptet, der Absprung wäre allein die Schuld von Ford und dem Investor", teilte die Landesvorsitzende der Saar-Grünen, Jeanne Dillschneider, mit. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) seien jetzt in der Pflicht, ein neues Konzept zu entwickeln.
Die Beschäftigten brauchten Zukunft statt vollmundiger Ankündigungen und geplatzter Deals, fordert die Linkspartei im Saarland.
"Die Verantwortung aber nur auf Ford zu schieben, ist einfach unseriös. Das Land hat nicht vorgebaut, um bessere Perspektiven für die Beschäftigten zu bieten", so die Landesvorsitzende der Saar-Linken, Barbara Spaniol.
"Erster größerer Rückschlag" für Landesregierung unter Rehlinger
Der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Universität Trier sprach vom „ersten größeren Rückschlag seit dem Amtsantritt von Anke Rehlinger für die Saar-Landesregierung“. Offenkundig sei dem Investor an irgendeiner Stelle klar geworden, dass sein Investment nicht die nötige Effizienz und Rentabilität bringt, die er sich erhofft habe.
"Aber aus Einzelentscheidungen sollte man aus meiner Sicht jetzt keine generellen Schlussfolgerungen ziehen." Entscheidend sei nun der Umgang der Landesregierung mit diesem Rückschlag, so Jun. Sie müsse nun entsprechende Strategien entwickeln, zeitnah einen neuen Investor an Land zu ziehen. "Da wird man jetzt auf Antworten gespannt sein."
Landrat Lauer blickt dennoch positiv in Zukunft
Der Saarlouiser Landrat Patrik Lauer (SPD) sieht die Verantwortung hingegen ebenfalls bei Ford. Betriebsrat und Landesregierung hätten Tag und Nacht verhandelt und dabei ein sehr gutes Paket geschnürt, "aber letztlich liegt es eben auch an Ford, sich sich mit einem Investor zu einigen, und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Zukunft am Standort zu eröffnen."
Es sei deutlich geworden, dass Politik bei der Frage von Investitionsentscheidungen an Grenzen stoßen könne, wenn die anderen Player nicht bereit seien, mitzuspielen. Mit Blick auf die Zukunft zeigte er sich dennoch optimistisch.
Er halte das Fordgelände jedoch weiter für einen hochattraktiven Standort. "Für mich ist es deshalb nur eine Frage der Zeit, bis wir den Menschen und ihre Familien an diesem Standort eine echte Zukunftsperspektive bieten können."
Auch der Saarlouiser Oberbürgermeister Peter Demmer (SPD) drängt auf „eine Lösung, die den Menschen in Saarlouis eine Perspektive bietet“. Für den weiteren Verlauf sieht er Ford in der Verantwortung: „Ford ist ganz klar in der Pflicht, ein Ergebnis zu präsentieren, das dem Standort und den Menschen, die hier über 50 Jahren treue Dienste geleistet haben, gerecht wird.“
Die Bürgermeisterin von Saarlouis, Marion Jost (CDU) sieht ebenfalls erstmal weiter Ford in der Pflicht. "Es kann nicht sein, dass über 5000 Menschen und ihre Familien bestraft werden, weil das Management die Entwicklung auf dem Automobilsektor verschlafen hat." Jost forderte zudem, dass ein vernünftiger Sozialplan vorgelegt werde, um die Mitarbeiter finanziell abzusichern.
CDA erwartet Handeln von Land und Ford
Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) sprach von einem "Desaster". Die Landesregierung sei gescheitert, so der Landesvorsitzende und Saarlouiser Landtagsabgeordnete Marc Speicher.
"Es braucht jetzt dringend ein Zukunftskonzept für den Standort Saarlouis sowie die 5700 Beschäftigten bei Ford und im Zulieferpark." Hier sei die Landesregierung in der Pflicht, den den abgesprungenen Investoren zugesagten dreistelligen Millionenbetrag in Saarlouis für eine Zukunft des gut gelegenen Standortes und der hoch qualifizierten Beschäftigten vorzulegen. Ebenso müsse Ford seiner Verantwortung für die eigenen Beschäftigten gerecht werden.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 05.10.2023 berichtet.