Ford-Konzern entscheidet sich gegen Saarlouis
Die Entscheidung ist gefallen: Der Ford-Konzern wird sein neues E-Auto künftig nicht in Saarlouis, sondern in Valencia bauen lassen. Wie die Zukunft für den saarländischen Standort und die insgesamt mehr als 6000 Mitarbeiter aussieht, ist ungewiss.
Monatelang mussten die rund 4600 Beschäftigten des Ford-Werks und die rund 2000 Beschäftigten der ansässigen Zulieferfirmen in Saarlouis zittern. Wo wird in Zukunft das neue E-Auto-Modell gebaut? Diese Frage schwebte wie ein Damoklesschwert über dem saarländischen Standort.
Valencia der "präferierte Standort"
Nun ist im Bieterwettstreit mit dem spanischen Werk in Valencia eine Entscheidung gefallen - gegen Saarlouis. Künftig sollen in Valencia zwei E-Automodelle gebaut werden.
Ford-Europa-Chef Stuart Rowley betonte, die Entscheidung sei nach einem umfassenden Konsultationsprozess mit beiden Standorten gefallen. Valencia sei der präferierte Standort in Europa, um das Ziel einer „voll-elektrischen Zukunft“ von Ford zu erreichen, sagte Rowley am Mittag in einem telefonischen Pressegespräch.
Zukunft für Saarlouis wird beraten
Allerdings bedeute die Entscheidung nicht das Ende des Werkes im Saarland. Das Unternehmen habe eine Task Force eingerichtet, um mit der Belegschaft und auch der Landesregierung mögliche Zukunfts-Optionen für das Werk in Saarlouis zu beraten. Rowley betonte außerdem, dass sich beide Standorte weiterhin auf bedeutende Restrukturierungen einstellen müssten.
"Belogen, betrogen und verarscht"
Markus Thal, Betriebsratsvorsitzender des Standortes Saarlouis, zeigte sich tief erschüttert und wütend: "Wir wurden belogen, betrogen und verarscht. Drei Jahre hat man uns gegen die Wand laufen lassen." In einer ersten Stellungnahme sprachen die Betriebsräte von einem "abgekarteten Spiel" und einem "Scheinverfahren". Man habe gekämpft und alles gegeben, sei der klare Sieger im Bieterwettbewerb gewesen und werde nun um den Erfolg gebracht.
Jörg Köhlinger, Leiter des IG Metall-Bezirks Mitte, wirft Ford Wortbruch vor. Die Beschäftigten hätten in den letzten drei Jahren alles für die Wettbewerbsfähigkeit des Ford-Standortes in Saarlouis getan. Statt sich gemeinsam mit der Belegschaft für die Standortsicherung einzusetzen, habe das Management aber die Hände in den Schoß gelegt. "Jetzt droht eine ganze Region ins Abseits gedrängt zu werden", so Köhlinger.
Nach der Verkündung der Entscheidung hatte die IG Metall zu einer Kundgebung in Saarlouis aufgerufen. Nach einem Demonstrationszug vom Ford-Werk zur B51 fand um 15.00 Uhr eine Kundgebung auf dem Saarlouiser Röderberg statt.
Keine Angaben über Stellenstreichungen
Eine Zahl, wie viele Stellen nun möglicherweise gestrichen werden, nannte Ford-Europa-Chef Stuart Rowley auch auf mehrfache Nachfrage nicht. Vorwürfe - wie von Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) - dass das Verfahren unfair gewesen sei, wies Rowley zurück. Für Rehlinger ist die Ford-Entscheidung "eine Farce". Der Konzern habe sich für das wirtschaftlich schlechtere Angebot entschieden. "Der Standort Saarlouis liegt unter dem Strich deutlich vorn. So drängt sich der Eindruck auf: Das Verfahren war nie fair", sagte Rehlinger.
Mehr als 6000 Arbeitsplätze in Gefahr
Für das Saarland ist die Entscheidung ein industriepolitischer Schlag. Neben den 4600 Arbeitsplätzen bei Ford stehen auch mehr als 2000 Arbeitsplätze bei Zulieferfirmen auf dem Spiel. Denn die Autoproduktion ist an dem Standort nur bis 2025 gesichert, dann läuft die Herstellung des Verbrenner-Modells Ford Focus aus.
Die Landesregierung hatte – auch mit Unterstützung des Bundes – ein Subventionspaket zusammengestellt, um den Standort zu erhalten. Das Paket umfasst zum Beispiel Arbeitsmarkt-Maßnahmen, aber auch immobilienwirtschaftliche Angebote zur Vermarktung des Werksgeländes. Laut Ministerpräsidentin Rehlinger hat das Paket einen Gesamtumfang von nahezu einer Milliarde Euro.
Zu der Entscheidung über die Zukunft des Standorts Saarlouis hat es am Mittwoch auch eine Betriebsversammlung gegeben.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 22.06.2022 berichtet.