Ampel abgeschaltet: So reagiert das Saarland
Die Ampel ist am Ende: Bundeskanzler Scholz will im Januar die Vertrauensfrage stellen, die CDU fordert ein schnelleres Vorgehen. Auch die saarländische Politik ist uneins beim Zeitplan.
Schon länger kriselte es in der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP. Am Mittwochabend verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz dann das Ende der Ampelregierung: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wird entlassen, sein Nachfolger wird Jörg Kukies, der bislang Staatssekretär im Kanzleramt war.
Bundeskanzler Scholz will im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Dann könnten Neuwahlen Ende März folgen.
Der CDU allerdings ist das nicht schnell genug: CDU-Chef Friedrich Merz hat von Scholz gefordert, die Vertrauensfrage sofort, aber spätestens nächste Woche, zu stellen. Wie es jetzt in den nächsten Tagen und Wochen weitergeht, welche möglichen Szenarien es gibt, erklärt tagesschau.de hier.
Kurz erklärt: Vertrauensfrage
Mit der Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes kann sich der Bundeskanzler vergewissern, ob er noch die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages hat. Ist das nicht der Fall, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen.
Die Abstimmung über das Vertrauen des Bundestages in den Kanzler muss 48 Stunden nach der Vertrauensfrage erfolgen. Im Gegensatz zum konstruktiven Misstrauensvotum findet die Abstimmung über die Vertrauensfrage nicht in geheimer Wahl statt.
In der Geschichte der Bundesrepublik wurde die Vertrauensfrage insgesamt fünfmal gestellt, dreimal führte sie zu vorgezogenen Neuwahlen. 1972 wurde Willy Brandts (SPD) sozialliberale Koalition mit der FDP durch Neuwahlen deutlich bestätigt. 1982 wurde die Frage zweimal gestellt - einmal von Helmut Schmidt (SPD), einmal von Helmut Kohl (CDU).
Gerhard Schröder stellte die Frage zweimal: 2001 zur Beteiligung am Afghanistan-Einsatz und 2005, um Neuwahlen herbeizuführen.
Rehlinger: "Das ist gut für alle"
Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) lobte die Entscheidung von Scholz, die Ampel-Koalition zu beenden: "Der Streit hat ein Ende: Das ist gut für alle", teilte sie dem SR mit.
Deutschland müsse in einer instabilen Weltlage für Wirtschaft und Arbeitsplätze im Land kämpfen. Sie wünsche sich, "dass sich dafür auch in der neuen Lage Mehrheiten im Bundestag finden."
Der Forderung der CDU nach einer sofortigen Neuwahl, erteilte Rehlinger im Gespräch mit dem SR eine Absage: Man müsse "zunächst den parlamentarischen Raum nutzen. Den hätten wir nicht, wenn wir direkt ein Neuwahl-Szenario eintreten würden." Dann würden wichtige Entscheidungen sich wieder zeitlich nach hinten verschieben.
Luksic (FDP) tritt zurück
Der saarländische FDP-Vorsitzende Oliver Luksic kündigte nach dem Ampel-Aus an, von seinem Amt als Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium zurückzutreten. Sein Chef, Bundesverkehrsminister Wissing, will hingegen im Amt bleiben und aus der FDP austreten.
Luksic erklärte, die FDP habe konkrete Vorschläge für eine Wirtschaftswende auf den Tisch gelegt, "die SPD und Grüne leider nicht im Koalitionsausschuss diskutieren wollten." Scholz habe die Schuldenbremse aussetzen wollen, das sei mit der Verfassung so nicht in Einklang zu bringen. Christian Lindner habe "Haltung und Mut bewiesen". "Ich glaube, wir brauchen jetzt möglichst schnell Neuwahlen und eine Richtungsentscheidung für unser Land."
Grüne sehen Verantwortung bei FDP
Die saarländischen Grünen sehen die Verantwortung für das Scheitern der Ampel bei Christian Lindner und der FDP. Die-Co-Vorsitzende Jeanne Dillschneider sagte: "Die FDP hat sich immer wieder als regierungsunfähig gezeigt. Mehr denn je braucht es Verbindlichkeit und Stabilität."
Der Co-Landesvorsitzende Volker Morbe erklärte, eine Koalition könne nicht aufrecht erhalten werden, wenn ein Koalitionspartner wie die FDP wahltaktische Eigeninteressen verfolge.
Morbe sagte dem SR, er trage den Zeitplan von Bundeskanzler Scholz für ein Misstrauensvotum im Januar mit. "Es wäre natürlich wünschenswert, dass noch einzelne Projekte abgeschlossen werden können. Dazu soll ja die CDU aufgefordert werden, Friedrich Merz, mitzuarbeiten und man muss sehen, was daraus wird."
Saar-AfD nicht überrascht
Der Pressesprecher der Saar-AfD Christoph Schaufert sagte, für seine Partei komme das Ampel-Aus nicht unerwartet. So habe man bereits die Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt.
Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei der Versuch gewesen, etwas zusammenzuschmieden, was nicht zusammengehört, sagte Schaufert: "Es hat viel länger gehalten, als es Deutschland gutgetan hat." Er glaube auch nicht, dass die "Restregierung" bis zum 15. Januar halte.
CDU wirft Scholz Führungsschwäche vor
Aus Sicht saarländischer CDU-Politiker ist das Ende der Ampel ein Schritt, der längst nötig gewesen wäre. CDU-Landeschef Stephan Toscani sagte, "die Bundesregierung ist auf ganzer Linie gescheitert. Deutschland steht vor einem großen Scherbenhaufen, den die Ampel in ihrer Gesamtheit zu verantworten hat, vor allem aber der kommunikations- und führungsschwache Olaf Scholz."
Deutschland könne sich jetzt keine weitere Hängepartie leisten. Man brauche "klare, stabile Verhältnisse". "Ich bin für umgehende Neuwahlen", so Toscani. "Der Weg dahin geht darüber, die Vertrauensfrage so schnell wie möglich zu stellen." Er sei davon überzeugt, dass durch einen schnelleren Wechsel der Regierung die wirtschaftliche Krise, in der das Saarland stecke, früher aufgelöst werden könne.
Auch mit Blick auf die USA, wo Donald Trump ab Januar im Amt sein werde, sei es wichtig, dass in Deutschland die neue Bundesregierung spätestens ab Februar feststehe. In der Übergangsphase könnten aber eventuell notwendige Gesetze noch beschlossen werden.
Teilweise Unsicherheit durch Haushaltshickhack
Welche Gesetze das genau sein könnten, sagte Toscani nicht. Ob seine Partei dazu beiträgt, etwa den Bundeshaushalt für 2025 noch zu verabschieden, ist fraglich.
Sollte dieser nicht mehr rechtzeitig zustande kommen, wäre zwar auch im Saarland die Finanzierung von rechtlich festgeschriebenen Ausgaben trotzdem gesichert. Unsicherheit gibt es allerdings bei Projekten, die unter anderem durch Bundesmittel gefördert werden, im Saarland zum Beispiel die Projekte des Programms "Demokratie leben".
Dort läuft Ende des Jahres die Förderperiode aus, und die neue Finanzierung steht auf wackligen Füßen, solange kein Haushalt verabschiedet ist. Denn über die Bundesmittel werden auch Mitarbeiter bezahlt.
Kurz erklärt: Konstruktives Misstrauensvotum
Das „konstruktive Misstrauensvotum“ (Artikel 67 des Grundgesetzes) ist eine besondere Abstimmung im Bundestag. Damit können die Abgeordneten des Bundestags den Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin das Misstrauen aussprechen und ihn abberufen. „Konstruktiv“ heißt die Abstimmung deshalb, weil die Abgeordneten sich gleichzeitig auch auf einen neuen Regierungschef einigen müssen. Der Bundestag muss dann den Bundespräsidenten ersuchen, den Bundeskanzler zu entlassen und den gewählten Nachfolger zu ernennen. Der Bundespräsident muss diesem Ersuchen entsprechen und zwischen Antrag und der Wahl müssen 48 Stunden liegen.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 07.11.2024 berichtet.