Vorwürfe gegen Datenretter ResQ aus Blieskastel
Strafverfolgungsbehörden aus ganz Deutschland haben Aufträge an einen fragwürdigen IT-Dienstleister aus dem Saarland vergeben. Nach SR-Recherchen gibt es bei diesem Unregelmäßigkeiten im Privatkundengeschäft. Fraunhofer-Experten sprechen nach einem Experiment von "besorgniserregendem Verhalten".
Der kleine, inhabergeführte Betrieb “ResQ Data and Repair” aus Blieskastel beschreibt sich selbst als bundesweiten Spezialisten für komplizierte Datenrettungen. Kunden scheinen darauf zu vertrauen: Nach eigenen Angaben kommen jährlich bis zu 4000 Geräte bei dem Betrieb an, die meisten zur Datenrettung.
Was machen Datenretter-Unternehmen?
Fällt ein Smartphone beispielsweise ins Wasser oder schlägt es unglücklich auf dem Boden auf, kann es irreparable Schäden bekommen. An Dateien wie beispielsweise Fotos, die nur auf dem Gerät selbst gespeichert sind, kommt der Besitzer dann nicht mehr so einfach ran.
Hilfe versprechen professionelle Datenretter: Sie können auch von schrottreifen Datenträgern wie Handy, USB-Stick oder Festplatte Dateien sichern.
Vorwürfe von Privatkunden
Nach SR-Recherchen gibt es im Privatkunden-Geschäft jedoch Unregelmäßigkeiten.
Dem SR wurden interne Unterlagen zugespielt – Kostenvoranschläge, Rechnungen und Kundenchats. Darin finden sich mehr als 70 vergleichbare Fälle, in denen sich Kunden hintergangen fühlen.
Sie haben von ResQ eine Rechnung erhalten und betonten, einen entsprechenden Kostenvoranschlag nie angenommen zu haben. In der Regel geht es um Datenrettungen für 899 Euro oder um rabattierte Summen. ResQ besteht in den Chats aber darauf, dass die Kunden zahlen müssten.
Ein Insider beschreibt dem SR weitere Unregelmäßigkeiten: „Das Gerät kommt an. In den meisten Fällen wird es gar nicht ausgepackt.” Trotzdem würden Kostenvoranschläge verschickt – ohne Diagnose.
Schon mehrere Verfahren
Wegen solcher und ähnlicher Streitigkeiten mit Privatkunden hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken insgesamt acht Mal gegen den Eigentümer von ResQ ermittelt. Die Vorwürfe: Betrug, Unterschlagung oder Sachbeschädigung.
Ein Fall landete vor dem Amtsgericht St. Ingbert; das stellte das Verfahren wegen geringer Schuld ein. Andere Ermittlungen wurden eingestellt mangels hinreichendem Tatverdacht. Eines läuft aktuell wieder, ob es dort tatsächlich zu einer Anklage kommt, ist offen.
Auch Behörden sind Kunden – bis zum BKA
Neben den Privatkunden hat ResQ auch Kunden aus sensiblen Bereichen. Dem SR liegen rund 30 Rechnungen vor: adressiert etwa an Staatsanwaltschaften, Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt oder Bundespolizei. Sie kommen auf eine Gesamtsumme von über einer Viertelmillion Euro.
ResQ schult den Rechnungen zufolge Mitarbeiter oder repariert Handys, nach SR-Recherchen in zum Teil sensiblen Ermittlungsverfahren, etwa bei Terrorverdacht oder Organisierter Kriminalität. Die Behörden teilen mit, ResQ habe die Arbeiten wie gefordert abgeliefert.
Das Experiment: Was passiert mit präparierten Testhandys?
Das SR-Rechercheteam hat den Anbieter selbst auf die Probe gestellt und als Privatkunden getarnt vier Smartphones eingeschickt. Experten des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit (AISEC) haben diese Handys vorher präpariert. Bei zwei Geräten treten am Ende große Unregelmäßigkeiten auf.
Ein Test-Gerät hatte lediglich einen leeren Akku, bei einem anderen verdreckten die Wissenschaftler nur den USB-Anschluss. Für beide Geräte schickte ResQ aber Angebote für Datenrettungen über zunächst 899 Euro und teilte mit, die Handys seien Totalschäden. Beide Geräte wurden zurückgefordert. Als diese wieder ankamen, funktionierten sie tatsächlich nicht mehr.
Kaputt zurückgekommen
Die Fraunhofer-Experten untersuchten diese Geräte. Ergebnis: Verdacht auf Kurzschluss. Bei einem der Smartphones gelang sogar der Nachweis. Mithilfe eines Multimeters hätten die Forscher „die genaue Stelle gefunden, wo dieser Kurzschluss sitzt“, beschreibt Wissenschaftler Andreas Korb.
Er und seine Kolleginnen und Kollegen legen sich fest: Mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ sei dies kein Schaden, der bei einem Transport entstehe, sondern eher in der ResQ-Werkstatt. Korbs Fazit: „Wir haben hier schon ein sehr besorgniserregendes Verhalten beobachtet.”
ResQ-Anwalt weist Vorwürfe zurück
Der Anwalt von ResQ weist auf SR-Anfrage die Vorwürfe zurück. Es würden keine Geräte vorsätzlich beschädigt. Außerdem keine Kostenvoranschläge ohne vorherige Diagnose erstellt und keine Rechnungen untergeschoben. Er zweifelt die Methoden und Ergebnisse des Fraunhofer-Instituts an.
Behörden wussten nichts von früheren Ermittlungen
Die Behörden, die ResQ beauftragt hatten, erklären, von den eingestellten Ermittlungsverfahren gegen ihren Dienstleister nichts gewusst zu haben. Auch die Leitung der IT-Forensik der saarländischen Polizei wusste nach eigenen Angaben davon nichts. Wer es aber wusste: die Staatsanwaltschaft Saarbrücken.
Sie bestätigt auf SR-Anfrage, ResQ trotzdem im vergangenen Sommer beauftragt zu haben. Der Anbieter habe im Rahmen von Ermittlungen ein Handy aufbereitet, das längere Zeit im Wasser gelegen hatte. Zeitgleich ermittelte dieselbe Staatsanwaltschaft gegen den Inhaber von ResQ.
Dies sei nicht zu beanstanden, teilt die Behörde weiter mit. Sie verweist darauf, dass der Inhaber nicht rechtskräftig verurteilt sei. Außerdem sei es bei dem Auftrag nur um eine technische Instandsetzung eines Geräte gegangen, nicht um eine Auswertung von Daten.
Dienstleister überprüfen
Laut BKA bekommen die Ermittlungsbehörden jedes Jahr Hunderttausende digitale und elektronische Beweismittel auf den Tisch. Da bräuchten sie externe Dienstleister, wie auch ResQ einer ist, sagt der Professor für digitale Forensik an der Hochschule Mittweida, Dirk Labudde. Doch Behörden seien gut beraten, genau zu überprüfen, mit wem sie zusammenarbeiteten.
Wie sie ihre Dienstleister überprüfen: Dazu haben die Ermittlungsbehörden, die der SR wegen ihres Dienstleisters ResQ kontaktiert hatte, kaum konkrete Antworten geliefert.
Justizministerium kündigt Überprüfung an
Nach der SR-Recherche hat nun das Justizministerium eine Überprüfung angekündigt. Ein Sprecher teilte mit, man werde den Fall näher betrachten und anschließend bewerten.
Über dieses Thema berichten auch die SR info-Nachrichten im Radio am 05.03.2025 berichtet.