So aktiv ist der Saar-Chef der AfD-Jugend im rechten Milieu
Im Streit zwischen AfD und dem Bundesverfassungsschutz verhandelt wieder das Oberverwaltungsgericht Münster. Es geht unter anderem um die Frage, ob die AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" bundesweit als gesichert rechtsextrem bezeichnet werden darf. SR-Recherchen zeigen: Der saarländische JA-Landeschef steht extrem weit rechts außen.
Nicolas Benyoucef zeigt Symbole, die der Attentäter von Christchurch bekannt gemacht hat. Benyoucef, Landeschef der "Jungen Alternative Saarland", wirbt mit Büchern des rechtsextremen Autors Martin Sellner. Er preist in eigenen Texten die Vorteile einer massenhaften Ausweisung von Menschen aus Deutschland an. Und für die Kommunalwahl hat er sich auf AfD-Listen wählen lassen. Wer ist dieser Mann?
Öffentlich bekannt ist relativ wenig über ihn. Nach SR-Informationen studiert Benyoucef an der Saar-Uni BWL und ist Mitglied der rechten Burschenschaft "Ghibellinia zu Prag".
Junge Alternative wehrt sich gegen Einstufung als Rechtsextrem
Die JA, als deren Landesvorsitzender er sich 2022 hat wählen lassen, ist die Jugendorganisation der AfD – das Bundesamt für Verfassungsschutz hat diese als gesichert rechtsextrem eingestuft.
Die JA wehrt sich juristisch dagegen. Im Berufungsprozess vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, der in diesen Tagen fortgesetzt wird, geht es auch um diese Streitfrage.
Handzeichen ist rechter Code
Benyoucef macht aus seiner extremen Gesinnung keinen Hehl. Öffentlich ist er beispielsweise mehrfach in Erscheinung getreten, als er das sogenannte "White-Power"-Symbol zeigte: drei Finger ausgestreckt und Zeigefinger und Daumen zum Kreis geformt.
Bei Tauchern bedeutet das "alles okay". "Neonazis sehen darin jedoch die Buchstaben W und P für ‚White Power‘, den Ausspruch der Überlegenheit der Weißen", erläuterte gerade erst der Extremismus-Experte Felix Neumann von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung".
Brenton Tarrant, der rechtsextreme Attentäter, der 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen tötete, zeigte das Zeichen nach seiner Verhaftung demonstrativ noch hinter Gittern – und machte es damit als Symbol der äußersten Rechten weltbekannt. "Zu sehen war es schon bei Mitgliedern der Identitären Bewegung oder der Jungen Alternative", betont Neumann.
Das gilt auch für Saar-JA-Chef Benyoucef. Ein Foto, das zuletzt auch schon die "Saarbrücker Zeitung" veröffentlich hatte, zeigt, wie er Anfang 2022 bei einer Corona-Demo in Saarbrücken das Zeichen zeigte.
Feier zur Sonnenwende
Im vergangenen Sommer posierte er für einen Instagram-Post der JA Saarland auf einem Gruppen-Foto mit demselben Handzeichen. Anlass war eine Feier der JA zur Sommersonnenwende.
Diese wiederum ist in der deutschen Geschichte untrennbar verbunden als ein Termin einst mit festem Platz im Kalender des Nazi-Regimes. Historikern zufolge legte vor allem SS-Führer Heinrich Himmler großen Wert auf derartige vermeintlich germanische Bräuche wie die Sonnwendfeier.
Sellner-Buch als Geschenk
Zudem fällt auf: Benyoucef und sein Landesverband verbreiten und bewerben Inhalte, die Experten dem rechtsextremen Lager zuschreiben. Ende vergangenen Jahres warb die JA in sozialen Netzwerken um neue Mitglieder - mit einem Buch von Martin Sellner als Willkommensgeschenk.
Der Österreicher Sellner ist der bekannteste Vordenker der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung (IB) – und spätestens seit den Correctiv-Veröffentlichungen von Potsdam einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Völkische Codewörter
Benyoucef selbst schrieb im vergangenen Herbst mehrfach Artikel für rechte Online-Magazine, in denen auch schon Saar-AfD-Chef Carsten Becker gegen sexuelle Minderheiten und Ausländer gehetzt hatte. Eine dieser Online-Publikationen, der österreichische "Heimatkurier", gilt als wichtiges Sprachrohr der IB.
In einem seiner Texte dort verwendet Benyoucef Begriffe wie "ethnokulturelle Identität" und "Ersetzungsmigration" und warnt vor den "globalistischen Träumen linker Eliten".
Für den Extremismus-Forscher Carsten Koschmieder von der FU Berlin sind das eindeutig völkisch-nationale und antisemitische Codewörter. "Ersetzungsmigration" stehe für "diese völkische Vorstellung von: ,Wir Deutschen haben so ein besonderes Blut. Wir sind natürlich die Besten’", erläutert Koschmieder im SR-Interview.
Forscher: vorgebliche jüdische Weltverschwörung
Migration sei in dieser Denkweise deshalb immer etwas Schlechtes und stehe für einen "großen Plan": die Ersetzung des deutschen Volkes, von Rechtsextremen auch als "der große Austausch" bezeichnet. Und hinter diesem Plan stehe in deren Weltbild eine "jüdische Weltverschwörung".
Das wiederum sei dann "einfach Antisemitismus. Es gibt irgendwo im Hintergrund Juden, die das steuern, und die wollen die Weltherrschaft", erläutert Experte Koschmieder weiter. Die "globalistischen Träume linker Eliten", das sei bei Rechtsextremen die Umschreibung für diese vorgebliche jüdische Weltverschwörung.
Weniger Ausländer – weniger Staus?
Auch auf einem zweiten rechten Online-Portal, "Info-Direkt", befasst sich Benyoucef mit der Migrations-Thematik – oder genauer, mit den laut ihm positiven Folgen einer millionenfachen Ausweisung von Menschen aus Deutschland. Etwa: weniger Staus im Berufsverkehr.
Extremismus-Forscher Koschmieder entgegnet konkret: "Irgendjemand muss ja beispielsweise die Straßen bauen und instand halten, auf denen der Junge-Alternative-Chef dann irgendwie nicht im Stau stehen möchte."
Argumentation suggeriert "einfache Antworten" auf Probleme
Allgemein passe die Argumentation Benyoucefs in die Kommunikationsstrategie rechtsextremer Organisationen und Parteien, erklärt Koschmieder weiter. "Sie sagen: Es gibt sehr viele Probleme auf der Welt, und wir können die alle einfach lösen: keine Ausländer mehr.‘" Das sei sehr anziehend für manche, "weil es eben einfache Antworten sind".
Dass ein JA-Landeschef solche Thesen vertritt und seine Organisation offen mit der IB kokettiert, erstaunt den Experten indes keineswegs. Die JA sei deutschlandweit eine der Kräfte, die die AfD weiter radikalisierten, sagt Koschmieder. "Und das ist eben einmal eine Gefahr für die Demokratie."
Innenminister Jost ist alarmiert
Der saarländische Innenminister, Reinhold Jost (SPD), zeigt sich alarmiert, wenn es um Verlautbarungen wie die von Benyoucef geht. "Am Anfang stehen das Wort und die Schrift, und wir haben einen Auftrag, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen", betont Jost.
Jeder, der sich dagegen auflehne, "ist ein Verfassungsfeind, unabhängig von rechts oder von links. Und wir haben die auf dem Schirm." Zur JA speziell äußern sich Minister und der saarländische Verfassungsschutz aus juristischen Gründen aktuell aber nicht.
Benyoucef strebt in Ämter
Auf politischer Ebene strebte Benyoucef schon den nächsten Schritt an. Nach SR-Informationen stand er auf einer Wahlliste der AfD für den Saarbrücker Stadtrat auf aussichtsreicher Position. Doch weil die Partei keine gültige Wahlliste vorlegte, darf sie bei der Stadtratswahl im Juni nicht antreten. Der JA-Chef geht damit erst einmal leer aus.
Kampfsport im Keller
Außerhalb der Politik in Räten warb er im vergangenen Herbst in einem Text für sogenannte "rechte Häuser". Dort könnten "Aktivisten" und "junge Familien" leben. Es könne einen "Gemeinschaftraum" geben für "jegliche alternativen Veranstaltungen" und einem Sportraum, inklusive "kleiner Hantelbereich im Keller oder ein Ring für das Kampfsporttraining".
Nicolas Benyoucef hat auf eine SR-Anfrage zu seiner politischen Einstellung, seinen politischen Aktivitäten und seinen Publikationen bisher nicht reagiert.
Für Extremismus-Experte Koschmieder haben Benyoucefs Texte eines gemein: Wer sich auskenne, lese Rassismus und Rechtsextremismus heraus. "Aber es ist eben nicht so offen. Es ist nicht wie auf einer NPD-Demo oder so. Es gibt schon einen Unterschied in der Außendarstellung."
Nur bei den Inhalten ist der Unterschied möglicherweise gar nicht mehr so groß.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 11.04.2024 berichtet.