Ein Mann zeigt an einer Hecke auf seine Uhr während seine Nachbarin den Rasen mäht. (Foto: IMAGO / photothek / Thomas Trutschel)

Was dem Nachbar Recht ist - das kleine Nachbarschafts-Einmaleins im Saarland

Thomas Braun   14.11.2024 | 06:00 Uhr

Zweige überm Gartenzaun, Videoüberwachung an der Grundstücksgrenze, lauter Gesang in der Nacht: Es gibt zahllose Dinge, über die Nachbarn in Streit geraten können. Aber wie sind die rechtlichen Regelungen im Saarland? Das Einmaleins des Nachbarschaftsrechts.

Gerade in den ländlichen Räumen des Saarlandes ist es einer der häufigsten Streitfälle: Der Zweig, der vom Nachbargrundstück über den Gartenzaun wächst. Wenn dadurch die Benutzung des eigenen Grundstücks beeinträchtigt ist, kann man den Nachbarn auffordern, den Zweig zu entfernen- oder nach einer angemessenen Frist selbst zur Schere greifen.

Aber: Wann genau liegt so eine Beeinträchtigung vor? Heruntergefallene Blätter zum Beispiel muss man noch hinnehmen - wenn aber die Kinderschaukel so überwachsen ist, dass sie nicht mehr genutzt werden kann, ist das ein ganz anderes Thema.

Vor einem Prozess geht es erst zum Schiedsamt

Solche Streitfälle gehören zum Alltagsgeschäft von Klaus Walter Schneider, Landesvorsitzender beim Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen im Saarland. Bevor ein Nachbarschaftsstreit vor Gericht landet, geht es damit im Saarland verpflichtend erst zum örtlichen Schiedsamt.

"Wenn man vor Gericht geht, ist einer Gewinner und einer Verlierer - was für den Fortbestand einer friedlichen Nachbarschaft nicht geeignet ist", sagt Schneider. Beim Schiedsamt gehe es darum, eine für beide Parteien passende Lösung zu finden, damit der Streit in Zukunft nicht mehr auftritt.

Dabei könne man auch abweichend vom Gesetz Vereinbarungen treffen - sofern nicht öffentliches Recht betroffen sei. Das Gesetz bildet dabei eher die Leitplanken.

Broschüre des Justizministeriums klärt auf

Genau diese "Leitplanken" hat das saarländische Justizministerium bereits in einer Broschüre zum Nachbarrecht zusammengefasst und dabei die häufigsten Streitfälle aufgegriffen. Neben dem überhängenden Ast geht es dabei zum Beispiel auch ums Schwenken oder das Knattern des Rasenmähers.

Grundsätzlich muss ein Eigentümer "Einwirkungen" von Nachbargrundstücken hinnehmen, wenn dadurch die Benutzung des eigenen Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. So dürfen zum Beispiel keine Grenzwerte überschritten werden, zudem müssen öffentliche Vorschriften beachtet werden - beim Rasenmäher etwa die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung.

Wann Rasenmähen und Schwenken verboten ist

An Sonn- und Feiertagen muss demnach der Rasenmäher ausbleiben. Ansonsten darf er aber von 7.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends betrieben werden - auch in der Mittagspause. Für die als besonders laut eingestuften Rasentrimmer, Laubbläser oder Kettensägen gilt das hingegen nicht. Hier gibt es deutlich eingeschränkte Zeiten. Sie dürfen nur zwischen 9.00 und 13.00 Uhr und von 15.00 bis 17.00 Uhr eingesetzt werden.

Zurück zum Schwenken: Letztlich kommt es auf den Einzelfall an. Einen leichten Bratenduft muss man wohl ertragen. Zieht aber der ganze Qualm im Hochsommer ins Schlafzimmer, könnte eine Klage auf Unterlassen Erfolg haben.

Je nachdem, was ortsüblich ist, urteilen die Gerichte in Deutschland auch unterschiedlich. Die Bandbreite, wie oft Grillen erlaubt ist, reicht dabei von mehrmals monatlich bis höchstens zwei Mal jährlich.

Videoüberwachung kann sogar in Gefängnisstrafe münden

Ein Streitthema, das in den vergangenen Jahren laut Schiedsmann Schneider auch immer häufiger für Konflikte sorgt, ist die private Videoüberwachung. Zwar darf man sein eigenes Grundstück überwachen - aber ohne ausdrückliche Genehmigung des Nachbarn darf man weder dessen Grundstück, noch gemeinsam genutzte Wege oder Einfahrten filmen.

Hier wird in den "höchstpersönlichen Lebensbereich" eingegriffen. Und das ist dann nicht mehr nur zivilrechtlich relevant, sondern kann auch strafrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Gefängnisstrafe haben. Auch hier klärt übrigens die Broschüre des Landes umfassend auf.

Ist der Kinderwagen auf dem Treppenflur erlaubt?

Während sich auf dem Land viel Streit im und um den Garten herum entzündet, geht es in den städtischen Gebieten des Saarlandes häufiger um Lärm - oder auch um die Hausordnung im Mehrparteienhaus.

So gibt es zum Beispiel immer wieder Streit über Kinderwägen im Treppenflur. Hier gab es bereits Gerichtsurteile, die Kinderwägen erlaubten - wenn dadurch keine Rettungswege verstellt werden.

Anders sieht das hingegen bei Fahrrädern aus, insbesondere, wenn es gesonderte Abstellräume dafür gibt: Die haben im Hausflur nichts zu suchen.

Mehrere Stunden täglich musizieren? Ja!

Und wie sieht es mit dem Singen und Musizieren aus? Grundsätzlich sind natürlich öffentliche Regeln wie etwa die Nachtruhe zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr einzuhalten. Aber ein generelles Musikverbot gibt es nicht. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil 2018 Leitlinien aufgestellt, wonach zwei bis drei Stunden Musizieren am Werktag und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen erlaubt sind.

Aber auch hier kommt es letztlich wieder auf den Einzelfall an und darauf, eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten leben können. Denn wie wird schon in der Nachbarschaftsbroschüre des Landes betont: Auch nach einem Prozess wohnt Ihr Nachbar immer noch nebenan.


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