Hohe Tierarztkosten: Immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen
Fast jede Woche erhält der Deutsche Tierschutzbund im Saarland inzwischen einen Hilferuf von Menschen, die ihre Tierarztkosten nicht bezahlen können. Immer mehr Tierbesitzer seien auf finanzielle Unterstützung angewiesen, berichtet die Vorsitzende Beatrice Speicher Spengler. Mit fatalen Folgen auch für den Tierschutz.
Vor anderthalb Jahren wurde die Gebührenordnung für Tierärzte umfangreich angepasst. Egal ob Hund, Katze oder Kleintier – alle Tierhalter müssen für medizinische Behandlungen nun deutlich tiefer in die Tasche greifen. In Verbindung mit anderen Preissteigerungen des täglichen Lebens bringt das immer mehr Menschen an ihre finanziellen Grenzen.
Tierschutzbund bekommt viele Hilfegesuche
Das erlebt auch Beatrice Speicher Spengler. Sie ist die Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes Landesverband Saarland. Ihr Verband hat seit Jahren einen Notfallfonds. "Damit treten wir zum Beispiel in Vorlage, wenn ein Tierhalter einen Notfall hat und die Kosten für sein Tier nicht bezahlen kann."
Aber inzwischen laufen die Anfragen zunehmend aus dem Ruder, berichtet Speicher Spengler: "Der Fonds wurde noch nie so in Anspruch genommen wie im Moment. Normalerweise gab es im Jahr vier oder fünf Notfälle. Aber jetzt erhalten wir praktisch jede Woche einen Hilferuf."
Bürgergeldempfänger, Alleinerziehende und Rentner seien verzweifelt auf der Suche nach Hilfe. "Neulich hatte ich einen Fall, da wurde eine Katze angefahren. Der Besitzer hat das Tier in die Klinik gebracht und am Ende belief sich die Rechnung auf 2500 Euro", berichtet die Tierschützerin. Das seien Summen, die immer mehr Menschen nicht aufbringen könnten.
Notfallfonds bald aufgebraucht
Die Entwicklung macht der engagierten Tierschützerin große Sorgen: "Wir sind auch bald am Ende der Fahnenstange, in einem halben Jahr ist unser Geld aufgebraucht und dann können wir nicht mehr helfen. Das wird dann ein riesiges Problem. Das macht mir jetzt schon Angst: wenn ich dann Anrufe bekomme und kann den Leuten nicht mehr helfen."
Sie erlebe schon jetzt regelmäßig dramatische Fälle. Manchmal hätten Menschen noch nicht einmal das Geld, um ein krankes Tier einschläfern zu lassen. "Denn auch das kostet um die 200 Euro und die hat nicht jeder."
Weniger Kastrationen, mehr Katzenbabys
Auch Kastrationen sind seit der Gebührenerhöhung teurer geworden. Für die Kastration einer weiblichen Katze werden im Durchschnitt laut Tierärztekammer rund 300 bis 320 Euro fällig. Die Kastration einer Hündin schlägt mit 700 bis 900 Euro zu Buche.
Das führt nach Angaben des Tierschutzbundes auch dazu, dass immer mehr Halter ihre Tiere gar nicht kastrieren lassen. Mit der Folge, dass die unkontrollierte Vermehrung, insbesondere bei Katzen, stark zunehme.
"Wir hatten allein diese Woche drei hochtragende Katzen, die im Katzenhaus Oberwürbach abgegeben wurden", berichtet Speicher Spengler. Häufig seien die Leute auch so ehrlich und sagten, dass sie sich die Kosten nicht mehr leisten könnten.
Tierheime leiden unter hohen Kosten
Gleichzeitig merke man eine deutliche Zurückhaltung bei der Vermittlung von Tieren. "Es werden nicht mehr so viele Tiere adoptiert, weil viele Leute Angst vor den hohen Tierarztkosten haben."
Auch für die ohnehin ständig klammen Tierheime seien die hohen Tierarztkosten zunehmend ein Problem. "Beim Katzenhaus Oberwürzbach haben sich die Tierarztkosten im vergangenen Jahr im Vergleich zu vorher fast verdoppelt", berichtet Speicher Spengler.
Deutschlandweites Problem
Die gestiegenen Tierarztkosten stellten nicht nur im Saarland Tierhalter und Tierschützer vor Herausforderungen. "Das ist deutschlandweit ein riesengroßes Problem", so Speicher Spengler. Deshalb beraten an diesem Wochenende die Landesvorsitzenden des Deutschen Tierschutzbundes in Köln auf einer gemeinsamen Sitzung über Interventionsmöglichkeiten.
Beispielsweise müsse man die Frage stellen, warum es keine Sonderregelungen für Geringverdiener oder Bürgergeldempfänger gibt, so Speicher Spengler.
Tierärzte bieten Stammkunden Ratenzahlungen an
Auch in den saarländischen Tierarztpraxen wird registriert, dass einige Menschen Probleme haben, die Rechnungen zu bezahlen. Susanne Hofstetter, Vizepräsidentin der Tierärztekammer des Saarlandes, sagte dem SR, das ziehe sich "ja leider über viele Branchen und Bereiche". Auch in den Tierarztpraxen seien die Kosten gestiegen.
Viele Praxen würden zuverlässigen Stammkunden aber auch Ratenzahlungen anbieten. Für Tierheime gebe es die Möglichkeit, Betreuungsverträge mit Tierarztpraxen oder -kliniken abzuschließen. Darin könne auch festgehalten werden, dass die einfachen Sätze der Gebührenordnung unterschritten werden dürfen. Dies sei in einem eigenen Paragrafen der tierärztlichen Gebührenordnung (GOT) geregelt.
Krankenversicherung empfohlen
Tierschutzbund und Tierärztekammer empfehlen Tierhaltern generell den Abschluss einer Krankenversicherung für ihr Tier. "Zumindest eine Versicherung für OP-Kosten, denn diese großen Summen sind sonst oft nicht zu bezahlen", sagt Beatrice Speicher Spengler.
Allerdings sind auch bei vielen Versicherungen die Tarife inzwischen gestiegen. Wichtig sei zudem "auf das Kleingedruckte zu achten", sagt Tierärztin Susanne Hofstetter. Alternativ könne man auch regelmäßig selbst Geld zur Seite legen.
Wichtig sei aber vor allem, sich vor der Anschaffung eines Tieres Gedanken zu machen, ob man die hohen Kosten über ein ganzes Tierleben tragen könne. "Tierarztkosten sind ja nur ein Teil der Kosten, die bei der Betreuung eines Haustieres entstehen", so Hofstetter. Auch für Futter und Zubehör seien die Kosten gestiegen.
Was eine Tierarztbehandlung kosten kann*:
Impfung/Vorsorge: 100 bis 150 Euro
Kastration einer weiblichen Katze: 300 bis 320 Euro
Kastration einer Hündin: 700 bis 900 Euro
OP bei Gebärmuttervereiterung Hündin: 1200 Euro
Einschläfern des Tieres: 200 Euro (je nach Tier und Gegebenheit)
Zahnsanierung/Zahnsteinentfernung (bei Hund oder Katze): rund 400 bis 1000 Euro, je nach Narkoseart, Behandlungsumfang und Aufwand
*Alle Angaben sind Durchschnittswerte laut der saarländischen Tierärztekammer und dem Tierschutzbund.