Hausdurchsuchung bei Saarbrücker Rechtsanwalt war rechtswidrig

Hausdurchsuchung bei Saarbrücker Rechtsanwalt war rechtswidrig

Thomas Gerber   07.04.2025 | 20:00 Uhr

Die im Zusammenhang mit einem Corona-Betrugsverfahren durchgeführte Hausdurchsuchung bei einem Saarbrücker Rechtsanwalt war rechtswidrig. Dies hat das Landgericht entschieden. Gegen den zuständigen Staatsanwalt prüft die Generalstaatsanwaltschaft den Verdacht der Verfolgung Unschuldiger.

Dass bei Verteidigern als sogenanntes "Organ der Rechtspflege" durchsucht wird, ist zwar eher selten, kommt aber schon mal vor. Etwa, wenn sie Mandantengelder veruntreut haben. Darum aber geht es im Fall des promovierten Juristen S. nicht.

Dem 53-Jährigen wurde vielmehr von der Staatsanwaltschaft versuchte Strafvereitelung vorgeworfen, das Verfahren ist inzwischen eingestellt worden. Dabei ging es um Briefe seines ehemaligen Mandanten Dirk M., die der aus der Untersuchungshaft über Dritte an Bekannte und Mittäter schmuggelte, die dann aber sichergestellt werden konnten.

M. wurde zwischenzeitlich vom Landgericht wegen gewerbsmäßigen Betruges in zwei Coronatestzentren zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. In den Briefen aus der U-Haft hatte er versucht, das drohende Strafmaß etwa durch eine vorgetäuschte Spielsucht oder durch manipulierte Tests zu drücken. Dabei erwähnte er immer wieder Anwälte, die ihn angeblich entsprechend beraten hätten.

Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschluss

Wobei M. kein leichter Mandant war. Im Laufe seines Verfahrens wurde er von vier Verteidigern vertreten. Dr. S. hatte bereits im Herbst 2023 sein Mandat niedergelegt. Die inkriminierten Briefe wurden aber Wochen später geschrieben.

Als dann im Juli 2024 plötzlich die Ermittler bei Dr. S. erschienen, fiel der Jurist aus allen Wolken. Der in den Briefen erwähnte "der Anwalt" könne er gar nicht mehr sein, hatte er das Mandat doch längst niedergelegt. Gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts legte er Beschwerde ein. Die landete schließlich vor dem Landgericht und dessen Entscheidung vom Dezember 2024 ist eindeutig: Die Razzia war rechtswidrig.

Eingriff in die Persönlichkeitsrechte

Der Beschluss des Landgerichts liest sich fast schon wie eine Anklage gegen diejenigen, die die Hausdurchsuchung beantragt und dann offenbar durchgewunken haben. Also gegen Staatsanwalt und Amtsrichter. Auf 14 Seiten listen die Richter Fehler auf. Der schwere Eingriff in die Persönlichkeitsrechte (die Hausdurchsuchung) basiere eben nicht auf einem konkreten Verdacht, für den es tatsächliche Anhaltspunkte gegeben habe. Es handele sich vielmehr um "vage Anhaltspunkte" oder gar "bloße Vermutungen".

Im Klartext: Es wurde "auf Verdacht" ins Blaue hinein und nicht wegen eines "konkreten Verdachts" durchsucht, was unzulässig und nicht verhältnismäßig sei. Gefilzt wurde nahezu alles: Kanzlei, Wohnhaus, Auto, Handys. Und das wegen "versuchter Strafvereitelung" durch einen Rechtsanwalt, der aufgrund seiner Funktion einen besonderen Schutz genieße.

"Geringe Auffindewahrscheinlichkeit" 

Die Richter werden in ihrem Beschluss zudem kriminalistisch und praxisnah. "Des Weiteren ist auch die Auffindewahrscheinlichkeit gering. Es steht, sofern tatsächlich unzulässige Beratungsleistungen seitens des Beschwerdeführers (Dr. S.) stattgefunden haben, nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass dieser die Beratungen dokumentiert hat."

Im Klartext: Dr. S. wäre dann ja wohl nicht so blöd gewesen und hätte die Sache auch noch zu Papier gebracht. Jurist Dr. S. ließ sich den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte nicht bieten, legte nicht nur erfolgreich die Beschwerde ein, sondern hat den ermittelnden Staatsanwalt wegen Verfolgung Unschuldiger angezeigt. Und auch im Amtsgericht sorgt die Causa für Wirbel. Dem zuständigen Ermittlungsrichter wirft Dr. S. Rechtsbeugung vor.

"Noch kein veritables Ermittlungsverfahren"

(General-)Staatsanwaltschaft und Justizministerium geben sich auf SR-Anfragen zugeknöpft. Dass nach der Strafanzeige durch Dr. S. gegen einen Kollegen ermittelt wird, bestätigt die Staatsanwaltschaft nur indirekt. Derartige Anzeigen würden von der Generalstaatsanwaltschaft auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts geprüft. Zwar hat die Sache bereits ein "Js" - Aktenzeichen, aber das sei wohl eher eine Art Bürofehler.

Es laufe noch kein veritables Ermittlungsverfahren, es handele sich vielmehr um Vorermittlungen. Der Kollege Staatsanwalt werde also aktuell nicht als Beschuldigter geführt - das zumindest geht aus Schreiben der Behörde an Dr. S. hervor.

Ministerium gibt sich wortkarg

Noch wortkarger ist das Ministerium. Ob denn nach dem eindeutigen Beschluss des Landgerichts Veranlassung bestehe, mehr Gründlichkeit beim Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen anzumahnen, wollte der SR wissen. Dazu hieß es lediglich, dem Ministerium sei es "aus verfassungsrechtlichen Gründen untersagt, richterliche Entscheidungen zu kommentieren".

Dr. S. gilt als streitbarer Verteidiger, einer der weniger den Deal pflegt, sondern schon mal konfrontativ im Gerichtssaal vorgeht. Seit 25 Jahren ist er im Geschäft. Die rechtswidrige Hausdurchsuchung, sagt er, habe ihn und seine Familie durchaus "gebeutelt".

Noch schlimmer ging es einem jungen Kollegen, der ebenfalls im Fall Dirk M. verteidigt hatte. Der frisch gebackene Vater hat nach der Hausdurchsuchung seinen Verteidigerjob an den Nagel gehängt.

Die Frage des SR, ob denn die Staatsanwaltschaft gedenkt, den durch die rechtswidrige Durchsuchung angerichteten Schaden wiedergutzumachen oder sich dafür zu entschuldigen, beantwortet die Staatsanwaltschaft mit einem Hinweis auf das Gesetz. Etwaige Ansprüche bestimmten sich nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz.


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