Wo im Saarland Bürokratiewahnsinn herrscht
Egal ob Gesetze, Richtlinien oder auch Vorschriften – die Bürokratie kann Projekte verlangsamen oder auch scheitern lassen. Das ist auch im Saarland nicht anders. Drei Beispiele für Probleme, die keine sein müssten.
Bürokratie kann den Alltag erschweren – sowohl für Privatpersonen als auch für Städte, Gemeinden oder auch Unternehmen. SR-Reporter Lars Ohlinger hat im Saarland beispielhaft mit drei Betroffenen gesprochen, die mit ganz unterschiedlichen Hürden zu kämpfen haben.
Beispiel 1: Keine Kabelbrücke, keine Wallbox - kein Strom fürs E-Auto
Beispiel 2: Umzug mit Umständen - Keine Leitung von der Telekom
Beispiel 3: Parkplatz-Kostenchaos wegen EU-Richtlinie
Beispiel 1: Keine Kabelbrücke, keine Wallbox - kein Strom fürs E-Auto
Christian Allerchen aus Friedrichsthal hat sich ein Plug-in-Hybrid-Auto gekauft. Den Ladestrom dafür wollte er kostenlos und klimaneutral von seiner eigenen Photovoltaik-Anlage beziehen. Dafür wollte sich Allerchen eine Wallbox anschaffen. Die Umsetzung scheitert aber an der Bürokratie.
Sondernutzung des Gehsteigs verboten
Grund dafür sind überregionale Gerichtsurteile, die eine Sondernutzung des Gehsteigs verbieten. Und genau dort müsste die Kabelleitung für die Wallbox drüberführen. Selbst eine gut sichtbare Kabelbrücke ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts Frankfurt eine unzumutbare Stolperfalle.
„Bei uns ist die spezielle Situation so, dass der Bürgersteig auch gar nicht durchgängig wäre, das heißt man muss zwangsweise sowieso auf die Straße wechseln. Wir haben hier gehbehinderte Menschen in der Straße, die das sicher nicht als Problem angesehen haben“, so der E-Auto-Besitzer.
Ein Meter Kabelweg lässt Projekt scheitern
Zudem ist auf dieser Nebenstraße ohnehin fast niemand zu Fuß unterwegs. „Es ist für mich auch schwierig, als Bürger nachvollziehen zu können, warum man mir nicht zutraut – oder warum man generell dem Bürger nicht mehr zutraut –, einen Schritt über eine Kabelbrücke zu machen.“ Die gebe es schließlich auch hundertmeterweise auf Volksfesten und Marktplätzen.
Die Wallbox bleibt nun aber ein geplantes Projekt, das nicht umgesetzt werden kann. „Bei uns verhindert ein Meter Kabelweg jetzt – und das wird ja kein Einzelfall bleiben - dass man eine teure und sinnvolle Technik, dann auch so sinnvoll anwendet“, bedauert Allerchen.
Für den Normenkontrollrat haben solche Fälle durchaus Symbolkraft. „Eine komplexe Welt verlangt auch nach komplexeren Gesetzen. Dort wird aber auch nicht bedacht: ‚Wie kann man denn in der Umsetzung dafür sorgen, dass die Gesetze möglichst einfach umgesetzt werden?“, so Lutz Göbel, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrats.
Beispiel 2: Umzug mit Umständen – Keine Leitung von der Telekkom
Bürokratie und komplexe Strukturen gibt es laut Göbel aber nicht nur in Behörden: „Das gibt es sicherlich auch in großen Unternehmen. Ein Großunternehmen kann sich verheddern und wird dann auch immer langsamer.“
Genau das hat das Ehepaar Spath in St. Ingbert erlebt. Nach einem Umzug verweigerte ihnen die Telekom einen Anschluss ans Telefonnetz – obwohl die Vormieterin einen Anschluss hatte. Die Telekom stornierte ihren Vertrag für den neuen Anschluss. Begründung: „Leitungsmangel“. Es gebe keine Kapazitäten mehr für eine Nutzung von Internet oder Telefon. Auch andere Anbieter sind hilflos, da die letzten Kabel-Meter der Telekom gehören.
Viele Beschwerden bei Bundesnetzagentur
Auch Besuche in einer Verkaufsstelle bringen den Spaths nichts. Sie werden auf das Mobilfunknetz verwiesen. Das wäre aber wohl viel teurer, befürchtet das Ehepaar. Sie fühlen sich machtlos und dem Konzern hilflos ausgeliefert. Beim Mieterbund erfahren sie, dass sie laut Telekommunikationsgesetz ein Anrecht auf eine Verbindung haben.
Mit dem Problem ist das Ehepaar nicht alleine: Bei der Bundesnetzagentur liefen im vergangenen Jahr 4000 Beschwerden zur Mindestversorgung auf. Ein Interview lehnt die Behörde ab. Vorgeschrieben im Gesetz ist aber nicht nur eine Verbindung, sondern auch ein erschwinglicher Preis. Der beträgt laut Bundesnetzagentur 30 Euro, aber nicht unbedingt per Festnetz.
Für das Ehepaar aus St. Ingbert ging es aber gut aus. Kurz nach der Interview-Anfrage von „Plusminus“ stellten die Telekom nun plötzlich doch noch einen schnellen Anschluss in Aussicht – zumindest testweise.
Beispiel 3: Parkplatz-Kostenchaos wegen EU-Richtlinie
Probleme, hervorgerufen durch ein neues EU-Gesetz, gibt es ab kommendem Jahr rund um Städte- und Gemeindeparkplätze. Genauer gesagt durch die sogenannte Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Diese sorgt dafür, dass – je nach Lage – für Parkplätze Steuern anfallen.
Während parken an der Straße umsatzsteuerfrei bleibt, muss auf andere Parkplätze, die nicht an der Straße liegen, Umsatzsteuer gezahlt werden. Gemäß der Richtlinie stehen Gemeinden bei letzteren in Wettbewerb mit privaten Anbietern. Und in der Privatwirtschaft fielen 19 Prozent Umsatzsteuer an, erklärt Marcus Hoffeld, Merziger Oberbürgermeister.
Merzig entscheidet sich für teilweise kostenlose Lösung
Ein Parkautomat könne jedoch keine zwei unterschiedlichen Preise aufrufen. Ein mögliche Lösung könnten zwei Parkautomaten sein, das würde aber vermutlich nur für Verwirrung bei den Parkenden sorgen, so der Oberbürgermeister.
„Aus dem Grund wollen wir versuchen, hier eine einfache Lösung zu schaffen, indem wir sagen: Die Zeile wird für eine gewisse Zeit kostenfrei sein und die andere Zeile muss halt Gebühren zahlen. Aber egal was wir hier machen, es wird bei dem ein oder anderen für Kopfschütteln sorgen“, schließt Hoffeld.
Über dieses Thema hat auch die Sendung "Plusminus" am 21.08.2024 berichtet.