?Stell dir vor?

"Stell dir vor"

Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören

Von Peter Tiefenbrunner  

Sendung: Freitag 03.05.2024 16:45 Uhr

Nr. 986

Nicht dass Sie denken, ich erinnerte mich nicht an die alten Slogans: „Das Übel an der Wurzel packen, alle Großkonzerne knacken!“ Oder „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!“  Was ich mir sehr gerne vorstelle - einer meiner Favoriten. Besonders wo zur Zeit ja von allen Rednerpulten und Schreibtischen aus versucht wird, uns das Gegenteil in die Köpfe zu ballern: Stellt Euch vor es ist Krieg und alle gehen hin! Weitaus weniger angenehm, aber unvermeidlich in der Zeitenwende! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Frau Strack-Zimmermann oder Carlo Masala.

Der ist Professor an der Universität der Bundeswehr in München und spätestens seit seinem Buch „Bedingt abwehrbereit“ eine echte Granate im Kampf um die Sessel bei den angesagten Talkshows, Interviews und Podcasts zum Thema „Kriegstüchtigkeit“ und so. Auf dem Weg zu der, sagt der kampfbereite Prof, sei der größte Fehler gewesen, dass man lange versucht habe, den Deutschen, die Soldat:innen in Auslandseinsätzen als „Demokratiebringer“ und „Brunnenbauer“ darzustellen. Statt klar zu sagen „was eigentlich der Kernauftrag der Bundeswehr ist: nämlich zu kämpfen, zu töten und – leider Gottes – gegebenenfalls auch getötet zu werden.“

Irgendwie wussten wir das schon auch und sind vielleicht gerade deswegen lieber auf Friedensdemos als in die Truppenübungen gezogen. Aber das ist natürlich laut Masala eben dieser „Gesinnungspazifismus“, den die Deutschen fatalerweise als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hätten. Und mit dem nun endlich Schluss sein müsste.

Ganz in diesem Sinne agiert auch Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter, der auch schon lange die Pickelhaube nach innen trägt – wie’s halt so geht, wenn man gleich nach dem Abi die Berufsoffizierslaufbahn einschlägt. Jetzt, als Oberst a.D., macht er sich Sorgen um den Nachwuchs der Truppe. Wie sollten denn im länger andauernden Kriegsfalle erschöpfte, verletzte oder gefallene Kämpferinnen und Kämpfer ersetzt werden, um die Kampfbereitschaft aufrecht zu erhalten? Wenn nicht die friedensverwöhnte Jugend wieder zur Dienstbereitschaft erzogen wird?

Da hilft laut Kiesewetter nur „verpflichtende Freiwilligkeit“, mit der die Jugend wieder fröhliche Leidensbereitschaft und friedensstiftenden Schusswaffengebrauch lernt. Dulce et decorum est pro patria mori – süß und ehrenvoll ist der Tod fürs Vaterland.

Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen noch an die schulischen Zivilschutzübungen in den Siebzigern? Als man uns empfahl im Falle eines Atomangriffs einfach die Aktentaschen über den Kopf zu halten? Tempi passati? Nicht wenn’s nach dem strammen Roderich geht! „Wenn ein Atomblitz passiert“ faselt der verhinderte Krieger, „wir wollen ihn nicht, er wird auch nicht kommen, aber wie verhält man sich, wo geht man hin? Dass man unter die Sitze geht, die Hände über dem Kopf verschränkt“, das müssen die Kids wieder lernen.

Meine Nachbarin Barscheck findet allerdings, viel wichtiger sei es, dass die Kinder auf ihren Stühlen sitzen bleiben können und lernen, in nicht baufälligen Schulen mit genügend Lehrer:innen und Lehrmaterial, egal, woher sie kommen. Denn dann, sagt meine Nachbarin, fallen sie auch nicht so leicht auf das Kriegsgeschwätz alter Komissköppe rein. Wär doch mal ne Zeitenwende, oder?


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 03.05.2024 und in "Der Morgen" am 04.05.2024 auf SR 2 KulturRadio.

 


Brunners Welt

Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!

Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.

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