Lost in Sozialversicherung
Doku über den schwierigen Zugang zur Erwerbsminderungsrente
In Deutschland beantragen jedes Jahr etwa 340 000 Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Sie soll das selbsterzielte Einkommen ersetzen oder ergänzen, wenn Betroffene gesundheitsbedingt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Eine Existenzsicherung auf überschaubarem Niveau. Es geht um durchschnittlich knapp 1000 Euro im Monat. 40 Prozent der Anträge werden abgelehnt. Wie kann das sein?
Sendung: Samstag 07.09.2024 9.05 bis 10.00 Uhr
Erkrankung, erste Diagnose, Arbeitsunfähigkeit, Therapieversuche mit weiteren Diagnosen, Reha-Bemühungen, Gutachten von Therapeuten, Gutachten von Amtswegen, Ablehnungen, Widersprüche, Gegengutachten, Gerichtsverfahren mit möglicherweise neuen Gutachten und Widersprüchen. Eine solche oft jahrelange Odyssee ist kein Einzelfall. Wer wegen grundlegend gesundheitlicher Einschränkungen eine Erwerbsminderungsrente beantragt, um zumindest die finanziellen Belastungen zu mindern, macht oft erstmals in seinem Leben Erfahrungen mit Fallstricken der Sozialversicherung. Das reibungsreiche Zusammenwirken von Kranken-, Renten-, Arbeitslosten- und evtl. auch Unfallversicherung degradiert, so Kritiker, viele anspruchsberechtigte Hilfsbedürftige zu Bittstellern. Von jährlich etwa 340 000 Anträgen werden 40 Prozent abgelehnt. Viele Betroffene – die mit Abstand größte Gruppe hat eine psychische Diagnose – resignieren irgendwann. Ihnen fehlt die Kraft für weitere Kämpfe.
Autor Jörn Klarne spricht mit Anwälten und Richtern, VertreterInnen der großen Sozialverbände, der Deutschen Rentenversicherung, Medizinern, Politikern und Wissenschaftlern, die einen Blick ins europäische Ausland werfen, wo einiges, insbesondere die Wiedereingliederung teilerwerbsgeminderten Menschen in den Arbeitsmarkt, besser läuft. Und er trifft verzweifelt und wütend kämpfende Antragstellerinnen. „Irgendwas läuft hier komplett falsch“, sagt eine Frau, die ihren Antrag vor zwei Jahren aufgrund der gravierenden Folgen einer schweren Viruserkrankung gestellt hat: „Das ist Kafka, das ist schrecklich“.
(NDR)
Der Autor
Jörn Klare lebt in Berlin und schreibt Sachbücher, Theaterstücke und Radio- Features, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde.
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