"Intermezzo" - Der neue Roman von Sally Rooney

"Intermezzo" - Der neue Roman von Sally Rooney

Rezension von Sally-Charell Delin   24.09.2024 | 14:41 Uhr

In der Nacht zum 24. September feierten Buchhandlungen weltweit den Release von Sally Rooneys neuem Roman "Intermezzo". Rooney, bekannt durch "Normale Menschen", begeistert Leser und Promis wie Taylor Swift. Doch erfüllt das Buch die hohen Erwartungen? Sally-Charell Delin hat den Roman gelesen.

Im neuen Roman von Sally Rooney "Intermezzo" ist es der Tod des Vaters, der die Leben der beiden Brüder Ivan und Peter aufrüttelt. Ivan ist 22, er ist ein nachdenklicher, unsicherer junger Mann mit Zahnspange, der als Schachwunder durch Irland reist. Peter, 10 Jahre älter, ist Anwalt, scheinbar erfolgreich und doch voller Unsicherheit.

Brüder zwischen Nähe und Entfremdung

Rooney widmet sich der komplexen Beziehung zweier Brüder, die sich einst nahe standen, sich im Laufe der Zeit aber verloren haben und nun, nach dem schweren Verlust, wieder auf der Suche nacheinander sind.

Doch auch die romantischen Beziehungen der beiden Brüder stellt Sally Rooney in den Fokus ihres Romans. Peter, der Anwalt, ist zerrissen zwischen zwei Lieben: Seiner Exfreundin Sylvia, die nach einem Jahre zurückliegenden Unfall tagtäglich mit Schmerzen zu kämpfen hat und als eine der Folgen keinen Sex mehr haben kann, und der 10 Jahre jüngeren Naomi, die Peter vor allem Aufregung und Lust bietet.

Beziehungen mit großem Altersunterschied sind ein immer wiederkehrendes Thema in Rooneys Romanen. Und so trifft auch der jüngere Bruder Ivan bei einem Schachturnier die 36-jährige, in Scheidung lebende Margaret:  

Als ich in deinem Alter war – das stimmt nicht, ich war etwas älter als du, Mitte zwanzig, da lernte ich jemanden kennen. Und später heirateten wir. Offiziell sind wir immer noch verheiratet, weil alles so kompliziert ist. Aber wir leben nicht mehr zusammen. Es ist, wie du sagst, es macht einen fertig, wenn man darüber nachdenkt. Die anderen Leben, die man hätte führen können. Und wenn es vorbei ist, wo ist dann das Leben hin, das man geführt hat? Was soll man damit noch anfangen?“
Sally Rooney (Foto: IMAGO / TT)
Sally Rooney

Nah an den Gedankenwelten der Figuren

Zwar verzichtet Rooney in "Intermezzo" auf die Perspektive eines Ich-Erzählers, und doch rücken wir durch Gedankenströme und halbausformulierte Sätze ähnlich nah an die Innen- und Gedankenwelten ihrer Protagonistinnen und Protagonisten heran. Zugegeben: Diese entwickeln sich auf den fast 500 Seiten nur wenig, sind verhaftet in dem Schmerz um den Verlust des Vaters und des eigenen Schicksals.

Stattdessen lässt Rooney ihre Protagonisten diskutieren, beschreiben und der Vergangenheit hinterhertrauern, wie Peter der Beziehung zu Sylvia:   

Unmöglich, sich je wieder wie ein guter Mensch zu fühlen, auch  nur halbwegs gut, wenn ihm all das Gute, was er mit seinem Leben anstellen wollte, für immer verwehrt bliebe. Kein Weg mehr offen. Und alles in ihm eingeschlossen, eiternd, langsam verwandelt in etwas Seltsameres und Schrecklicheres. Wucherung unangemessener Bindungen. Festhalten, fester halten, klammern, nicht loslassen. Nun, wenn das Leiden ist, denkt er, lass mich leiden. Ja. Lieben, wen ich noch habe.

Melancholie statt gewohntem Witz

Was für ein Leben möchte ich führen? Es ist diese Frage, um die Sally Rooney ihre Figuren auch in ihrem neuen Werk kreisen lässt. Dabei ist "Intermezzo" ein typisches Rooney-Buch mit allem, was dazugehört: Tiefsinnige Gespräche, komplizierte Beziehungen, im Detail beschriebene Sexszenen.

Doch während ihre vorherigen Romane neben all der Nachdenklichkeit auch immer wieder Witz bereithielten, wirkt Intermezzo anders: tiefsinniger und grundtraurig. Ein Buch, das zäher und weniger überzeugend daherkommt und den einen oder anderen Fan der Autorin überraschen wird.

Die Zitate im Beitrag stammen aus dem Hörbuch, erschienen bei HörbuchHamburg, gelesen von Moritz Piquet.


Der SR kultur-Buchtipp:

Sally Rooney: "Intermezzo"
Aus dem Englischen von Zoë Beck
Claassen Verlag
496 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-0-571-36547-0

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 24.09.2024 auf SR kultur.

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