Glosse: "Buschmanns Sound oder ein Abgesang der besonderen Art"

"Buschmanns Sound oder ein Abgesang der besonderen Art"

Glosse von Karsten Neuschwender   12.11.2024 | 14:44 Uhr

Ex-Justizminister Marco Buschmann verabschiedet sich mit einem Soundcloud-Song von der Ampel-Regierung. "Gehen um zu stehen" – ein Synthie-Stück, das im Netz für Spott sorgt. Karsten Neuschwender fragt sich: Ist das Selbstironie oder ein ernst gemeinter Abschied?

Marco Buschmann, Ex-Justizminister der FDP, hat auf Soundcloud seinen Abschied aus der Regierung vertont. „Gehen um zu stehen“ heißt das Stück. Im Netz wird das Werk heiß diskutiert: Von KI auf Grundschulniveau ist die Rede – Kommentare wie dieser sind die freundlicheren unter den vorwiegend negativen Bewertungen.

Man muss kein Musikwissenschaftler sein, um zu erkennen: Das Werk ist banal, einfach und stümperhaft. Die spannende Frage aber ist: Was will der Ex-Minister damit sagen?

Kann Musik nicht einfach unpolitisch sein?

Er selbst inszeniert sich auf der Streaming-Plattform mit Spiegelglas-Sonnenbrille und präsentiert den Song mit einem coolen Schwarzweiß-Foto als ehemaliger FDP-Minister im Kreis seiner Kollegen. Meine große Frage ist nun: Ist das ein selbstironisches Statement der FDP über ihren Zustand? Oder ist es ernst gemeint? Wo ist die Message?

Jetzt kann man mich an dieser Stelle fragen: Herr Neuschwender, müssen Sie das so politisch sehen, darf Herr Buschmann nicht einfach Musik als Hobby machen, so ganz unpolitisch als kurzweilige Seelenmassage? Doch, das darf er. Macht er aber nicht.

Denn zum Song, der unmittelbar nach dem Crash der Ampel veröffentlicht wurde, schreibt er auf der Streaming-Plattform als Begleittext: „Manchmal muss man etwas aufgeben, das man liebt, um zu bleiben, wer man ist. Man muss gehen, um zu stehen“ – das ist ganz klar eine politische Botschaft, die ich ernst nehme und nun mal in Beziehung zum musikalischen Inhalt setze.

Karsten Neuschwender (Foto: Benjamin Morris)
Karsten Neuschwender

Was will der Künstler damit sagen?

Und der klingt nach sinnentleerter Synthesizer-Moderne mit mittelalterlichem Chorklischee… Was will uns der Künstler also damit sagen? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als wie fromme Mönche im mittelalterlichen Gesang auf die Erlösung zu warten? Oder er, Marco Buschmann, zitiert wie seinerzeit der Boxer Henri Maske zum Einzug in den Ring diese Gesänge, weil er der wahre Champion ist?

Man kann nur rätseln – klar ist, das Ding klingt kitschig, heroisch und larmoyant… und – um die Frage nach Selbstironie zu beantworten – es ist davon auszugehen, dass Marco Buschmann das ernst meint.

Walter Scheel als Vorbild

Schade, denn Selbstironie hätte etwas Sympathisches gehabt. Das war mal anders. Der FDPler Walter Scheel hat für einen guten Zweck als Vertreter der gelben Partei FDP „Hoch auf dem Gelben Wagen“ gesungen. Nahbar, mit einem Schuss Selbstironie, und die Einnahmen wurden für einen guten Zweck gespendet.

Das hätte sich Marco Buschmann als Vorbild nehmen können. Vielleicht, das macht man heutzutage gerne, unter Zuhilfenahme eines Stars zur Reichweitensteigerung.

Ein Comeback des Grafen von Unheilig?

Vielleicht sogar mit einem Comeback des Grafen von Unheilig. Der hat ja mal – Buschmanns Titel „Gehen um zu Stehen“ klingt da ja fast abgekupfert – den Song „Geboren um zu leben“ gedichtet. Das wären doch ideale Voraussetzungen für ein Duett! Hätte sich sicher gut verkaufen lassen. Meine Empfehlung: Das nun nachholen – und auch die Einnahmen für einen guten Zweck stiften: Kommunikations- und Mediationstraining für Spitzenpolitiker zum Beispiel.

Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 12.11.2024 auf SR kultur.

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