Premierenkritik: "Mephisto" am Saarländischen Staatstheater

"Mephisto" im Saarländischen Staatstheater

Premierenkritik

Reporterin: Barbara Grech/ Onlinefassung: Nadja Schmieding   27.01.2025 | 08:00 Uhr

Es war damals eine Sensation, ein Donnerschlag, als der Film "Mephisto" von Istvan Szabo 1982 mit dem Auslands-Oscar ausgezeichnet wurde. Für Klaus-Maria Brandauer, der den Mephisto- also den Schauspieler Hendrik Höfgen- darstellte, der mit den Nazi paktierte, war es der Durchbruch zu einer Weltkarriere. Die Romanvorlage für den Film und auch für das Theaterstück, das am Saarländischen Staatstheater nun Premiere gefeiert hat, stammt von Klaus Mann, der darin, ziemlich unverhohlen, den Theaterstar der 1930iger Jahre, Gustav Gründgens, ins Visier nahm. Die Premierenkritik von Barbara Grech.

Die Parallele ist fast schon zu deutlich: wie Faust schließt der Schauspieler Hendrik Höfgen einen Pakt mit dem Teufel. In seinem Fall sind das die Nationalsozialisten, mit denen sich Höfgen gut stellt, um seine Karriere voranzutreiben und nicht zuletzt selbst den Mephisto zu spielen.

Die Premiere von "Mephisto" im Saarländischen Staatstheater (Foto: Martin Sigmund)

Klaus Mann hat diesen Stoff in einem Roman verarbeitet. Vorbild dafür war der Schauspieler Gustaf Gründgens. Später wurde ein Theaterstück daraus- von Birgit Letze-Funke. Und das hat der Saarbrücker Schauspieldirektor Christoph Mehler in seiner Fassung jetzt auf die Bühne im Großen Haus gebracht.

Gründgens war - wie es der Titel schon sagt - DER Mephisto in Goethes Faust. Eine Theaterikone in den 1930iger Jahren. Eine schillernde Persönlichkeit, zwischen Genie und Abgrund. So jedenfalls schildert ihn Klaus Mann in seinem Roman "Mephisto". Ein Mann zwischen bürgerlichem Glanz und fetischistischen sexuellen Neigungen. Zwischen einer großbürgerlichen Ehefrau und einer schwarzen Geliebten, einer Tanzlehrerin, die an diesem Theaterabend die Domina mit Peitsche gibt.

Die Premiere von "Mephisto" im Saarländischen Staatstheater (Foto: Martin Sigmund)

Da beginnt schon die Ungereimtheit dieser Theaterinszenierung. Denn Regisseur Christoph Mehler hat sich entschieden diesen Hendrik Höfken mit einer Schauspielerin zu besetzen.

Die Premiere von "Mephisto" im Saarländischen Staatstheater (Foto: Martin Sigmund)

Warum, weiß der Himmel. Nicht, dass Verena Bukal die Sache nicht meistern würde. Sie spielt ihre Rolle mit beeindruckender Intensität. Aber sie ist eben eine zarte, wenn auch intensive Erscheinung und man kann ihr all diese dämonische, männliche Ambivalenz die in dieser Rolle steckt, einfach nicht abnehmen.

Eher wie ein androgyner Android wandert sie durch die Handlung. All ihre Liebesschwüre und erotische Ausstrahlung, die dieser Hendrik Höfgen anscheindend haben muss, nimmt man ihr nicht ab. Ein Faktor, der bis zum Schluss dieses Theaterabends einfach stört. Und ablenkt von dieser inzwischen ungemeinen Aktualität, die der "Mephisto" heute wieder hat.

Die Premiere von "Mephisto" im Saarländischen Staatstheater (Foto: Martin Sigmund)

Als Istvan Szabos Film Anfang der 1980iger Jahre weltweit ein Erfolg war, war "Mephisto" ein Rückblick auf den nationalsozialistischen Faschismus in Deutschland. Der Gleichschaltung von Kultur in dieser Zeit.

Heute müssen wir nur nach links und rechts gucken: Autoriäre und postfaschistische Regierungen sind hier in Europa im Vormarsch. In Ungarn oder Italien sind schon unliebsame und kritische Geister aus den Kulturinstitutionen verbannt und durch regierungsfreundliche und parteistramme Führungspersönlichkeiten ersetzt worden. In Österreich, einer der wichtigsten deutschsprachigen Kulturnationen, steht uns das mit der FPÖ in der Regierung bald bevor. Und dann?

Das ist auch die Frage, die Hendrik Höfgen umtreibt? Gehen? Bleiben? Sich anbiedern und mitmachen, zwecks der Karriere?

Die Premiere von "Mephisto" im Saarländischen Staatstheater (Foto: Martin Sigmund)

Erst im letzten Drittel dieser Inszenierung, geht Mehler auf diese Problematik ein. Und das durchaus virtuos. Er collagiert deutsches Liedgut, gesungen von einem Kinderchor mit Filmsequenzen aus dem dritten Reich und Höfkens antichambrieren mit den Nazi-Größen. Zuvor aber jammert der androgyne Mephisto in der Saarbrücker Inszenierung über sein mangelndes Selbstbewusstsein und allerlei körperliche Gebrechen.

Ein Theatermann schaut auf einen anderen Theatermann und bleibt in seiner Bubble. Aktualität will man offensichtlich über die Öffnung der Geschlechterrolle erreichen: also, dass eine Frau einen Mann spielt. Dabei gäbe es soviel politische Aktualität, die in diesem Stück dieser Tage mitspielt.

Aber diese Chance wird nicht ergriffen - im Saarbrücker "Mephisto".

Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 27.01.2025 auf SR kultur.

Artikel mit anderen teilen


Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja