Fesselndes Debüt: "Die Launen der Ziege“
Der erste Roman des gebürtigens Saarbrückers Dominik Bollow
Der Autor saarländische Autor Dominik Bollow verarbeitet in seinem Romandebüt "Die Launen der Ziege" seine eigene Familiengeschichte und erzählt aus der Sicht seines neunjährigen Vaters, wie die Familie damals vom Saarland nach Marokko ausgewandert ist.
Es ist das Jahr 1956 und der Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik Deutschland steht bevor. Roberts Vater beschließt, seinem französischen Vorgesetzten nach Algerien in eine Zinkmine zu folgen. Da könne er "noch was werden".
Seit es nämlich im Sommer des vorangegangenen Jahres bei einer Kundgebung gegen das Saarstatut zu Prügeleien gekommen war, hatte er kein Wort mehr mit seinem Bruder gewechselt. So aber befand sich in dem smaragdgrünen Kastenwagen der Post-Saar, der wenig später vom Hof fuhr, auch der Brief meines Vaters, in dem er, der Ja Sager und Separatist, wie es auf den Flugblättern hieß, seinem prodeutschen Bruder mitteilte, dass wir auswandern würden.
So macht sich die Familie schon bald in ihrem vollgepackten Peugeot auf die Fahrt in die marokkanische Grenzstadt Bou Beker.
Viele neue Eindrücke
Hauptfigur Robert, 1946 geboren, sieht auf der Reise zum ersten Mal das Mittelmeer, ist fasziniert von der Überfahrt mit der Fähre nach Afrika. Zu allem, was er erlebt, macht er sich so seine Gedanken. Dann rennt der Hund, als sie Pause machen, einem Kaninchen nach – und kommt nicht zurück. Der erste große Verlust. Weitere folgen- auch wenn sie erstmal nicht so sichtbar sind. Das Unglück schleicht sich leise ein.
Tragische Familiengeschichte
Der Vater- pragmatisch und optimistisch- liebt seinen Job. Aber der weiße Sand auf der Halde neben der Stadt ist giftig. Die Gewalt, die den Algerienkrieg kennzeichnet, – liegt hier in Marokko, direkt an der Grenze zu Algerien, klar in der Luft. Und Roberts Mutter kauft eine Ziege, um die sie sich mit obsessiver Hingabe kümmert. Reni, diese Ziege ist sehr krank:
Meiner Mutter hingegen ging es blendend. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es ihr am besten ging, wenn die Reni besonders krank war. Sie strahlte richtig, als sie den breiigen Kot der Reni begutachtete und rief: Wurmbefall!
Robert findet Freunde, lernt Skorpione fangen und schießt mit seiner Spielzeugpistole. Es ist nicht nur der laufende Algerienkrieg, sondern auch der gerade erst zu Ende gegangene Zweite Weltkrieg, der seine Schatten zwischen die Zeilen dieser Geschichte wirft:
Alles, was mit Waffen und Flugzeugen zu tun hatte, erschien mir erwachsen und ernst, irgendwie bedeutend. Kriegsgerät faszinierte mich, auch wenn mir klar war, wie tödlich die Dinge waren, die man in Baracken aufbewahrte und von Männern in Uniform bewachen ließ. Schließlich wusste ich, dass in Willis Kopf eine Patrone herumkullerte und wusste, dass meine Mutter nachts hochschreckte, wenn der Wind draußen Tonnen umwarf, auch wenn von Krieg nur noch die „Spinner“ redeten
Vielleicht hätte dieser kluge und mit Fantasie und Poesie begabte Protagonist das alles noch ausgehalten, aber als er sich verliebt und es wegen des gewalttätigen Vaters des Mädchens auch nicht den Hauch einer Chance für diese Liebe gibt, als seine Mutter weiter in den Wahnsinn rutscht und sein Vater weiterhin „unberührt und ungreifbar neben ihnen her lebt wie ein Phantom“, wird es irgendwann zu viel.
Grosses Lesevergnügen
Es ist ein Vergnügen, diesem klug gesponnenen, niemals aufdringlichen Erzählfaden zu folgen- auch wenn er in den Albtraum führt. Krieg ist unglaublich schwer auszuhalten, er ist unerbittlich und schwer zu fassen. Er setzt sich in allen Fasern des inneren und äußeren Lebens fest. Davon handelt dieses Buch, das man- einmal angefangen- nicht mehr aus der Hand legen mag.
BUCHTIPP
Dominik Bollow
"Die Launen der Ziege"
Conte Verlag
Hardcover, 254 Seiten
22 Euro
ISBN 978-3-95602-271-5
Lesung am 04.12.2024 ab 19.30h in der Stadtbücherei St. Ingbert. Der Eintritt ist frei. Anmeldung unter:
Tel. 06894/13711 oder stadtbuecherei@st-ingbert.de
Video
Ein Thema in "Der Nachmittag" am 04.12.2024 auf SR kultur.