Edo Popovic: "Der Pudel des Staatsführers"
Der kroatische Schriftsteller Edo Popović verfasst existentielle Literatur, sie ist aufregend, rebellisch, visionär. Nun wurde sein Kriminalroman, „Der Pudel des Staatsführers“, von 2016, ins Deutsche übersetzt. Stefan Berkholz hat das Buch gelesen.
Bereits in den ersten Sätzen befinden wir uns am Tatort. Ein toter Mann liegt im Park einer psychiatrischen Klinik. Es ist Stjepan Starman, geboren 1990 in Zagreb, Vorsitzender einer rechtsextremen Jugendbewegung.
Natürlich glaube ich nicht daran, ich bin doch nicht verrückt…
Gibt der Freund Ivan Ciglar dem Polizeiinspektor zur Auskunft.
Diese ganze Scheiße dient doch nur dazu, dass wir unsere Hände in Unschuld waschen, dass wir für alles Schlechte, das uns zustößt, anderen die Schuld geben können. Das ist eigentlich die Methode der Schwächlinge. Ich meine, man kann sich mit Politik beschäftigen, einer Partei beitreten, Karriere, Kohle, Macht, Ruhm und allem, was dazugehört, hinterherhecheln, aber nur Idioten können im politischen Business wirklich an das glauben, was sie da tun. Mein Freund zählte zu denen.
So weit der Freund Ivan Ciglar. Er ist in der Psychiatrie untergebracht, ein schwerer Fall von Schizophrenie heißt es. Er gibt vor, der Pudel von Ante Pavelić zu sein, dem Gründer der faschistischen kroatischen Ustascha-Bewegung. Doch im Gespräch mit dem Inspektor wirkt Ivan Ciglar ganz vernünftig und zugänglich, aber rebellisch ist er.
In dieser Anstalt sind Verrückte, Alkoholiker und Drogensüchtige untergebracht. Aber geführt wird die Anstalt von relativ anständigen, gebildeten Leuten. Profis. Und wer führt die Anstalt da draußen? Idioten, Trunkenbolde, Drogensüchtige, Lügner, Kriminelle. Die Klugen, Anständigen, Gebildeten und Rechtschaffenen sind dort – er zeigte zur Stadt – Schützlinge, Gefangene, Patienten, sogenannte Bürger. Bei euch ist alles umgedreht. Und daran wird sich lange Zeit nichts ändern.
Der Ermittler, PolizeiinspektorBranko Rakitić, ist ein Einzelgänger, obwohl er eine Freundin hat; ein Gegner des Systems und des gewöhnlichen Zusammenlebens, obwohl er ein Bulle ist; genervt von der Routine des Alltags und all dem, was er schon gesehen und erlebt und kombiniert hat, sowie von einem cholerischen Vorgesetzten, dem er Paroli bietet, unbestechlich, verschlossen, sehr eigen und etwas schrullig.
Er tippte eine Telefonnummer ins Handy. Es war ein uraltes Modell ohne Kamera, Internet oder sonstigen Schnickschnack, im Büro machte man sich deshalb lustig über ihn. Sobald sie ein Handy mit eingebautem Grill und Kühlschrank auf den Markt bringen, bin ich der Erste, der es kauft, sagte er dann immer. Alles andere, was sie bis jetzt ins Telefon gestopft haben, brauche ich nicht. Nur das Telefon selbst.
Die Ermittlungen finden im Freundeskreis des Opfers statt, bei Verwandten und näheren Bekannten sowie im rechtsextremen Umfeld. Gewalt und Drogen bestimmen Zagreb, die Feindschaft zwischen Serben und Kroaten. Das Land ist zerrissen zwischen Nationalisten, Rassisten, Faschisten. Und all das ist überwuchert und durchdrungen von Korruption und dem Verdruss über anscheinend unabänderliche Machtverhältnisse. Es kommt zu Intrigen, die Presse funkt dazwischen, auch diese ist nicht unabhängig. Die Polizeiinspektoren wirken zynisch – oder sind sie Realisten? Der Kollege Marko Ančić ist völlig desillusioniert über die Zustände in Kroatien.
Ančić interessierte sich nicht für Politik, er ging nicht einmal zur Wahl. Ihm schien, die Politiker verlangten von ihm, seinen IQ zu senken, die Erinnerungen an sein früheres Leben, an alle seine Erfahrungen zu löschen. Kurz gesagt, sie verlangten von ihm, sein Gehirn zu suspendieren, fremden Worten und Versprechen mehr Glauben zu schenken als den eigenen Augen, dem eigenen Verstand und der eigenen Erfahrung. Als wäre das Leben eine Schachpartie.
Ein Buch führt schließlich zur Lösung des Kriminalfalls, es ist der bekannte Kriminalroman eines chilenischen Schriftstellers. Romantisch, sentimental, anrührend, und, ja tatsächlich, auch „glücklich“ endet dieser gedrungene Krimi. In der Machart erinnert er an Petros Markaris‘ gesellschaftskritische Kriminalromane aus Athen, auch Zagreb steht ständig im Stau. Edo Popović hat einen kurzweiligen und unterhaltsamen Krimi verfasst, klug verdichtet und spannend in sechzehn Kapitel mit knackigen, Dialogen gebracht. Und die beiden Ermittler eigneten sich für eine Serie. Popović bereitet derzeit eine Fortsetzung vor.
Edo Popovic
"Der Pudel des Staatsführers"
Voland & Quist Verlag
144 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3863914301
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 24.04.2025 auf SR kultur.