Antje Rávik Strubel: "Der Einfluss der Fasane"

Antje Rávik Strubel: "Der Einfluss der Fasane"

Joachim Dicks   13.03.2025 | 13:24 Uhr

Nachdem Antje Rávik Strubel zuletzt einen Essayband und ihre Lichtenberg-Poetikvorlesungen veröffentlicht hat, erscheint nun ihr neuer Roman. Er heißt „Der Einfluss der Fasane“. Joachim Dicks hat ihn gelesen.

Beginnen wir ausnahmsweise mal von hinten, mit dem letzten Satz des Romans. Er lautet: 

Aber die Sonne scheint immer wieder.

Und als Motto ist dem Roman dieser Satz des schwedischen Schriftstellers Hjalmar Söderberg vorangestellt:  

Es ist mit der Wahrheit wie mit der Sonne: Ihr Wert hängt für uns einzig und allein von der richtigen Distanz ab.

Darum geht es also: um die Sonne, die Natur, - hier kommen auch die Fasane des Titels ins Spiel -, um die Wahrheit und was wir aus ihr machen. Und dann wirft uns die Autorin mitten hinein ins Geschehen.

Im fernen Australien nimmt sich der Ehemann einer be­rühmten deutschen Opernsängerin vor der herrlichen Kulisse der Sydney Opera das Leben.

Diese Zeitungsnotiz bringt die Geschichte in Rollen, in deren Mittelpunkt die Journalistin Hella Karl steht. Bei dem Toten handelt es sich um den Berliner Theaterintendanten Kai Hochwerth. Hella Karl hatte kurz vor dessen Suizid in ihrer Zeitung einen kritischen Artikel über ihn veröffentlicht. In einem Fernsehinterview wird sie dazu befragt:

Intendant zwingt Schauspielerin zur Abtreibung. Diese Schlagzeile stammt von Ihnen, nicht wahr?« Hella musste sich beherrschen, um nicht aufzufahren. »Ich war nicht die Einzige, die über den Fall berichtet hat. Es hat eine umfassende – äh – Berichterstattung gege­ben.« »Sie waren die Erste. Sie haben diese Schlagzeile for­muliert.« »Dann bin ich wohl das beste Beispiel für das, wovor ich in den letzten Monaten in meinen Artikeln immer wieder gewarnt habe«, sagte sie steif, »eine kopflose Presse.

Wie die Wahrheit schreiben? Wie über patriarchale Herrschaftsstrukturen? Über sexuellen Missbrauch? Fake-News? Was geschieht in den sogenannten „Sozialen Medien“? Wie schnell kann ein Mensch unter die Räder kommen? Hella Karl verliert ihren Job, ihren Rückhalt bei den Kollegen und am Ende auch die Beziehung zu ihrem Lebensgefährten T., dessen vollständigen Namen sie niemals ausspricht, als könne sie ihn durch Anonymität vor den schrecklichen Erfahrungen schützen, denen sie selbst ausgesetzt ist. Antje Rávik Strubel ergründet anhand dieser schwungvoll erzählten Journalistinnen-Geschichte die Gefahren der Sprache, wie sie in den Medien, aber auch in der Literatur verwendet wird. Bis zum Schluss kämpft Hella um ihre Reputation. Ein wenig Ruhe findet sie nur in den wenigen Momenten, in denen sie die Fasane erblickt.

Vom Schlafzimmerfenster aus hatte sie an den Schneebeerbüschen einen Trupp Fasane gesehen, die nach Essbarem auf der harten Erde suchten. Der Huflattich, der ihnen als Versteck diente, war erfro­ren. Braun und schlaff ließ er die Blätter hängen. Im Auto war es eisig. Erst auf der Königsallee war das Eis an der Heckscheibe langsam getaut. Über dem Funkturm ging die Sonne auf. Glutrot brannte sie auf den Stahlträgern.

„Nah genug weit weg“, so hat Antje Rávik Strubel ihre Göttinger Lichtenberg-Poetikvorlesungen überschrieben. Und an diese Mischung aus Nähe und Distanz hält sie sich auch beim Erzählen in ihrem neuen mitreißenden Roman.


Antje Rávik Strubel
"Der Einfluss der Fasane"
S. Fischer-Verlag
240 Seiten, 24 Euro
ISBN: 978-3-10-397171-2


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 14.03.2025 auf SR kultur.

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