Thorsten Nagelschmidt: „Soledad“

Thorsten Nagelschmidt: "Soledad"

Sally-Charell Delin   05.02.2025 | 16:39 Uhr

Der Titel des neuen Romans von Thorsten Nagelschmidt lautet „Soledad“. Das ist Spanisch und bedeutet so viel wie „Einsamkeit“ oder „Abgeschiedenheit“. Dorthin nimmt das Buch uns mit, nämlich in die Abgeschiedenheit eines mystischen Orts im kolumbianischen Dschungel. Sally-Charell Delin hat „Soledad“ gelesen und mit Thorsten Nagelschmidt gesprochen:

Das eigene Leben und eigene Erfahrungen waren schon oft ein großer Antreiber in Thorsten Nagelschmidts Schreiben: Während er in seinem 2018 erschienenen Roman „Der Abfall der Herzen“ seine Jugend anhand eigener Tagebuchnotizen rekonstruierte, widmete er sich 2020 in „Arbeit“ der Stadt, in der er heute lebt: Berlin.
In seinem neuen Roman „Soledad“ nimmt Nagelschmidt seine Leserinnen und Leser nun mit nach Kolumbien. Und auch hier hat er sich von eigenen Erfahrungen leiten lassen:

"Es gibt so einen Ort, der heißt nicht „Soledad“, sondern anders, im Norden Kolumbiens, an dem ich mal gelandet bin. Und das war für dieses Buch wirklich der Ausgangspunkt. Also, ich hab nicht sofort gedacht: So, hier spielt mein nächster Roman. Aber ich habe so gemerkt, dass das bei mir geblieben ist und dass ich immer gedacht habe, dass der sich super anbietet, um da so ein kammerspielartiges Setting eben zu etablieren. Und das ist eben das, was passiert."

Dieses literarische Kammerspiel zeichnet Thorsten Nagelschmidt in der Tortuga Lodge. Hier landet die Fotografin Alena, nachdem die eigentlich gemeinsam geplante Reise mit ihrer Partnerin Sonja in einer dramatischen Trennung endete. Neben Alena ist Rainer die zweite Hauptfigur in „Soledad“. Er ist der Besitzer der Tortuga Lodge und mit 70 Jahren doppelt so alt wie Alena und auch darüber hinaus scheinen die beiden sehr unterschiedlich zu sein:

"Aber es geht dann eigentlich darum zu zeigen, dass diese beiden vermeintlich unterschiedlichen Menschen eigentlich mehr gemeinsam haben, als dass sie trennen würde und dass sie sich eben auch gegenseitig erkennen. Also ich glaube, bei ihm geht es sogar ein bisschen schneller als bei ihr. Aber sie sehen sich gegenseitig und sie nehmen auch diese Gemeinsamkeiten wahr. Und ich glaube, das ist tatsächlich was auch passiert, wenn Menschen miteinander reden. (...) Ich glaube, dass wenn Menschen miteinander reden, sie eigentlich ganz schnell merken, dass da mehr Verbindendes als Trennendes ist."

Denn sowohl Alena als auch Rainer sind stark von ihrem Aufwachsen unter jeweils nicht einfachen Umständen geprägt. Davon erzählt Thorsten Nagelschmidt in weiteren Zeitebenen des Romans, in Rückblenden, etwa zu Rainers Kindheit und Jugend in Mainz. Im Jahr 1950 geboren, sind diese vor allem geprägt von der Nachkriegszeit. Eine Zeit, die Thorsten Nagelschmidt sehr interessiert:

"Ich glaube, dass ich dafür ein Faible habe. Ich merke das auch in meinem eigenen Leseverhalten, das ist eine Zeit, die mich sehr interessiert. (…) Das ist natürlich auch eine Zeit, die ich selbst so nicht erlebt habe. Aber die trotzdem viel mit mir zu tun hat, hatte ich den Eindruck. Also, meine Mutter zum Beispiel ist im exakt selben Alter wie Rainer. Ist zwar auch nicht in Mainz aufgewachsen oder sowas, aber das ist irgendwas von dem ich das Gefühl habe, das hat wirklich auch noch viel mit mir zu tun."

In diesen Rückblenden und der feinen Zeichnung der beiden Hauptcharaktere liegt eine große Stärke des Romans. Und doch: An Thorsten Nagelschmidts Vorgängerromane „Der Abfall der Herzen“ oder „Arbeit“ reicht „Soledad“ einfach nicht heran. Und es bestärkt darin, in all den vermeintlichen Unterschieden zwischen uns Menschen auch mal auf die Gemeinsamkeiten zu blicken – ein starkes Plädoyer, gerade in unserer heutigen Zeit.


Thorsten Nagelschmidt
"Soledad"

S. Fischer Verlag
448 Seiten, 26 Euro
ISBN: ISBN: 978-3-10-397108-8


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 05.02.2025 auf SR kultur.

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