Frank Schulz: "Amor gegen Goliath"

Frank Schulz: "Amor gegen Goliath"

Peter Henning   15.01.2025 | 12:06 Uhr

In dem neuen Roman von Frank Schulz suchen die Figuren in Zeiten der Pandemie und vor dem Hintergrund der drohenden Klimakatastrophe stellvertretend für uns nach Sinn und neuen Perspektiven. Peter Henning hat den Roman gelesen.

Verächter seiner Literatur sehen in ihm einen freidrehenden Blödelprosa-Schreiber, der die Tinte nicht halten kann; seine Fans dagegen werden nicht müde, ihn als blitzgescheites Sprachgenie zu preisen, das von der Banalität des Seins zwangsläufig in den Humor getrieben werde.

Tatsächlich ist der 1957 in Stade geborene Frank Schulz einer, der die Misere regelmäßig ins Humoristische wendet. Das Resultat ist eine verblüffende, weil sich ebenso kühn wie gekonnt zwischen Dialekt, Kalauer und Existenzialismus bewegende Prosa, die unter den deutschen Schriftstellern dieser Jahre ihresgleichen sucht.

In seinem zwischen 2019 und 2021 spielenden Monumentalroman „Amor gegen Goliath“ nun rückt Schulz eine Handvoll skurriler Charaktere ins Bild die einander auf Kreta zufällig begegnen. Sie alle suchen eine Zeitlang Abstand zu den Malaisen des heimischen Alltags - und ihren inneren Dämonen; allen voran der mächtig ins Trudeln geratene Musiker mit dem volltönenden Namen Ricky Kottenpeter. Denn Ricky kämpft nicht nur mit seiner anhaltenden Erfolglosigkeit, sondern inzwischen eigentlich ausschließlich mit heftigen Angststörungen, die er vor seiner Frau Cathi zu verbergen sucht. Doch die scheint ohnehin längst auf anderen Bahnen zu kreisen, getrieben ...

… von einer Ethik des inneren Handelns um einer nicht-egoistischen Selbsterkenntnis willen. Doch wie war das möglich...?

Ricky schluckt Beruhigungsmittel wie andere bunte Smarties - an arbeiten ist nicht zu denken; obendrein plagt ihn die Sorge, Cathi könne ihn verlassen. Denn die scheint nur noch ein Thema zu kennen: das Klima - und jene mutigen Männer, die tapfer dafür kämpfen. Als Aktivistin in der Osnabrücker Ortsgruppe von "Everyday for Future" versucht die Psychologin zu retten, was eigentlich nicht mehr zu retten ist. Dass sie Ricky damit in den Wahnsinn treibt, versteht sich bei Schulz von selbst. 

Nicht ungewöhnlich, dass Ricky Kottenpeter seinen Leib als Instrument des Satans empfindet. Ständig plagen ihn Ohrwürmer und -geräusche… Doch dieses tief schürfende Bassmotiv des Grauens, das ist noch mal etwas ganz anderes. KLIMA. KLIMA. KLIMA. Das ist existenziell. Das ist das seelische Äquivalent zu Atemnot bei Herzinfarkt… Wann immer ihm in Sachen KLIMA eine Hiobsbotschaft um die Ohren gehauen wird, setzt ein Symptomschub ein, untermalt vom Bassmotiv des Grauens.

Den Kottenpeters stellt Schulz Phillip, den Journalisten und Schürzenjäger gegenüber, der gleich mit zwei Frauen - seiner Verlobten und deren bester Freundin - nach Kreta gekommen ist. Phillip träumt von einem flotten Dreier mit den Damen - und einer Top-Story, die er vor Ort recherchieren will. Und auch die pensionierte Lehrerin Ilona hat keineswegs nur ein intellektuelles Interesse an den Vertretern des anderen Geschlechts. Derweil greift die Pandemie um sich, sodass sowohl die privaten als auch die gesamtgesellschaftlichen Ängste ein Klima der kollektiven Paralyse erzeugen. Und mittendrin: Schulz‘ unterschiedlich motivierte Sinnsucher. Vor diesem Hintergrund läuft der Osnabrücker Schriftsteller zur Hochform auf, indem er geschickt alles mit allem und seinen Figuren in Verbindung bringt. Bis selbst Ricky seinen Frieden mit der Welt und seinen Ängsten zu machen bereit ist, und er sich für den „Rest seines Lebens nichts sehnlicher wünscht“, als ...

...Cathie beim Leben zuschauen zu dürfen, sie ab und zu dabei zu begleiten – und die musikalische Untermalung dazu zu erfinden.

So erweist sich „Amor gegen Goliath“ am Ende als ein bei aller Komik packendes Sittenbild jener Pandemie-Jahre, die uns inzwischen gottlob erscheinen dürfen wie ein ferner Spuk mit all den Verschwörungstheorien und den Toten.

Dass man den Roman leicht um ein paar hundert Seiten hätte kürzen können, ohne ihn dabei im Kern zu beschneiden – und Schulz es bisweilen übertreibt mit seinen Wortschöpfungen, das werden seine Fans als Mäkeln auf hohem Niveau abtun; und seine Verächter werden ihn ohnehin nicht lesen. Allen anderen sei der Roman als Proviant für jene wiederkehrenden Momente empfohlen, in denen mehr als nur eine Prise Humor von Nöten ist. Und sei sie auch noch so schräg.


Frank Schulz
„Amor gegen Goliath“

Galiani Berlin Verlag, 752 Seiten, 32 Euro
ISBN: 3869712376


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 15.01.2025 auf SR kultur.

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