"Wer es da nicht schafft, Kompromisse zu schließen, macht Politik im Sinne der AfD"

Im Bezirksrat West ist nicht die Vertreterin der mitgliederstärksten SPD-Fraktion, sondern der CDU-Kandidat zum Bezirksbürgermeister gewählt worden. Wahrscheinlich mit den Stimmen der AfD-Fraktion. Deren Kandidat Schwaben wurde erster Beigeordeter und erhielt dabei Stimmen einer der beiden großen Parteien. Dazu ein Kommentar von Janek Böffel aus der SR-Politikredaktion.

Man muss es so einfach ausdrücken: CDU und SPD haben offenbar den Schuss nicht gehört. Nun tun alle so, als wäre das Kind so ganz plötzlich in den Brunnen gefallen. Von wegen. Die Situation hätte nie so weit kommen dürfen.

Beide großen Fraktionen im Bezirksrat sind sehenden Auges in diese Wahl gegangen. Sie waren so verbohrt, dass die einen das Ergebnis billigend in Kauf genommen und die anderen sogar Profit daraus geschlagen haben. Auf der einen Seite die SPD, wissend, dass ihre Kandidatin Isolde Ries, aufgrund jahrelanger Fehden für die CDU nicht vermittelbar ist. Und auf der anderen Seite die CDU, wissend, dass ihr Kandidat am Ende durch die Stimmen der AfD gewählt wird. Dazu brauchte es nicht einmal Absprachen, da brauchte es keine Koalition, das wusste jeder mit einer Handvoll gesundem Menschenverstand.

Und dann noch ein AfDler als Beigeordneter

Dieses Wahlverhalten ist Teil des Geschäftsmodells der AfD. Dass sich mindestens eine der Parteien dann noch nicht einmal genierte, den AfDler Werner Schwaben zum ersten Beigeordneten zu wählen, schlägt dem Fass den Boden aus. Der erste Beigeordnete der AfD im Land. Es ist ein Sündenfall.

Vor allem aber machen sie alle zusammen - CDU und SPD - die AfD zum Scheinriesen, der mit jeder solcher Wahlen größer und mächtiger wirkt, als er tatsächlich ist.

Statt Kompromisse zu schließen - Politik im Sinne der AfD

Im Schnitt hat die Partei bei der Kommunalwahl, ja, ein starkes, aber eben kein beängstigendes Ergebnis erreicht. Wir sind im Saarland meilenweit von ostdeutschen Verhältnissen entfernt, wo es tatsächlich keine Mehrheiten ohne die AfD gibt. Um es nochmal deutlich zu machen: SPD und CDU haben im Bezirksrat Saarbrücken West eine Zweidrittelmehrheit. Wer es da nicht schafft, Kompromisse zu schließen, macht einzig und allein Politik im Sinne der AfD.

Simples Einmaleins der Politik

Wenn es da neue Mehrheiten braucht, dann ist es die Aufgabe der Demokraten, sie zu finden - auch wenn es nicht die Wunschkonstellation ist. Politik ist die Kunst des Möglichen, soll Bismarck mal gesagt haben. Dabei ist es ganz ehrlich, nicht einmal Kunst, so eine simple Mehrheit zu organisieren. Auch wenn das Verzicht auf Maximalpositionen bedeutet.

Wenn die eigene Kandidatin keine Mehrheit hat, dann hat sie keine Mehrheit. Dann braucht es eine andere. Und wenn der eigene Kandidat wohl wissentlich nur mit der AfD eine Mehrheit hat, dann braucht es eine andere Mehrheit. Ganz simples Einmaleins der Politik. Wer das nicht rechnen kann, hat nichts in der Politik verloren.

Fazit

Es geht gar nicht so sehr um das einzelne Wahlergebnis, und damit nicht nur um den Bezirksrat in Saarbrücken, sondern es geht um den Geist, der zu diesem Wahlergebnis geführt hat. Wenn diejenigen, deren Zusammenarbeit in diesen Zeiten mehr denn je gefordert ist, das nicht hinbekommen, wenn die kommunale Ebene selbst bei solchen offensichtlichen Konstellationen jegliche Kompromissbereitschaft vermissen lässt, dann kann einem nur grauen vor dem, was da in den kommenden fünf Jahren im Rat, wenn es um Inhalte und nicht Personen geht, noch bevorsteht. Und am Ende? Da feixt die AfD. Wieder mal. Vermutlich noch mehr über das peinliche Gebaren der Großen als ihren ersten eigenen Beigeordneten im Land.

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Ein Thema in der "Region am Nachmittag" am 12.07.2024 auf SR 3 Saarlandwelle

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