Alarmstimmung in der Wirtschaft
"Für die Saarwirtschaft war es ein Jahr des Horrors"
Ford, SVolt oder auch Wolfspeed - die Saarwirtschaft war in diesem Jahr eines der bestimmendes Themen. Zurecht, denn die Lage der Wirtschaft war schon mal deutlich besser. Ein Kommentar von Wolfgang Wirtz-Nentwig aus der SR-Wirtschaftsredaktion.
Man kann es nicht anders sagen: Für die Saarwirtschaft war es Annus horribilis - ein Jahr des Horrors. Lange waren die Konjunktur und der Arbeitsmarkt trotz Corona, Kriegen und Inflationsschüben erstaunlich stabil. Aber 2024 kam es knüppeldick - in ganz Deutschland, aber im Saarland eben ganz besonders. Denn hier konzentrieren sich viele Risiken wie durch ein Brennglas. Durch die besonders starke Stellung der Industrie, durch die große Bedeutung der Autobranche und die starke Export-Abhängigkeit.
Alarmstimmung bei den Zulieferern
Schon länger ist klar, dass vom einst so erfolgreichen Ford-Werk nur noch Fragmente übrigbleiben – und auch die nur für begrenzte Zeit. Aber auch bei den Zulieferern herrscht inzwischen regelrechte Alarmstimmung. Denn es geht nicht mehr nur um einen technischen Umbruch mit E-Autos und Digitaltechnik, was schon schwierig genug wäre. Nein, gerade wird der gesamte Weltmarkt umgepflügt. Das frühere mitleidige Grinsen über Autos aus China ist der europäischen Konkurrenz längst vergangen.
Stellenstreichungen bei vielen Betrieben
Die Politik, die Hersteller und die Kunden sind tief verunsichert und wissen nicht, wie es in den nächsten Jahren konkret weitergeht. Und das trifft die Zulieferer besonders stark. Sie haben viel Geld in neue Technik und Produkte investiert und oft zu wenig Rücklagen für eine lange Durststrecke. Auch das spürt man an der Saar besonders deutlich. ZF, Bosch, Michelin, Schaeffler, überall werden Arbeitsplätze abgebaut oder in Länder mit niedrigeren Löhnen und Energiekosten verlagert.
Ansiedlung von Chipfabrik und Batterie-Werk ungewiss
Und schlimmer noch: Wichtige Neuansiedlungen wurden verschoben oder ganz aufgegeben. Ob in Ensdorf tatsächlich eine Chipfabrik entsteht oder in Überherrn ein Batterie-Werk, das ist jetzt zur Jahreswende offener denn je. Trotz aller Anstrengungen und Förderzusagen der Landes- und Bundesregierung: Im Moment ruhen fast alle Planungen für Halbleiter- und Akku-Werke - bundesweit.
Transformation in der Stahlbranche kommt voran
Immerhin: Die Transformation von Dillinger und Saarstahl kommt voran. Es wurden milliardenschwere Bestellungen auf den Weg gebracht, um künftig die Luft im Saarland, aber auch das weltweite Klima möglichst wenig zu belasten. Wo allerdings die riesigen Mengen an Öko-Energie und Wasserstoff herkommen sollen, die schon in wenigen Jahren eingesetzt werden sollen, das bleibt eine spannende Frage. Ich hoffe sehr, dass es bis dahin bessere Lösungen gibt als zum Beispiel französischen Atomstrom, der uns als Öko verkauft wird.
Wahlkampf statt Geschlossenheit
In solchen Krisenzeiten müsste die Politik eigentlich entschlossen antizyklisch handeln, mit Großaufträgen die Konjunktur stützen, um die Rezession abzubremsen. Doch das Land und die Kommunen sind finanziell mehr als klamm. Und Deutschland steckt im gerade beginnenden Wahlkampf zwischen Black-Rock-Merz und Cum-Ex-Scholz fest, während weiter überlegt wird, wie man die selbst gestellte Falle mit dem Schönwetter-Fetisch Schuldenbremse möglichst elegant umschifft - ohne sich neue Rüffel des Verfassungsgerichts einzufangen.
Blick über die Grenze verheißt unruhige Zeiten
In Frankreich mit seinem angeschlagenen Präsidenten und den wackeligen Regierungen macht der Blick ins neue Jahr auch nur wenig Hoffnung. Und aus den USA ist von Bald-Wieder-Präsident Donald Trump und seinem Homunkulus Elon Musk auch nichts Gutes zu erwarten, eher neue Probleme, die genau die Branchen hart treffen könnten, in denen das Saarland besonders stark ist.
Lichtblicke im Jahr 2025
Gut möglich, dass 2025 ein weiteres schweres Jahr wird. Da müssen wir durch, denn dazu gibt es keine Alternative. Aber: Neben dem Umbau der Stahlindustrie machen zwei andere Projekte dann doch noch Hoffnung: Die geplante Fabrik des grundsoliden Mittelständlers Vetter Pharma auf dem Ford-Gelände und – auch wenn das merkwürdig klingt: Die aktuelle Havarie an der Moselschleuse in Müden.
Da geht es jetzt wohl doch deutlich schneller voran als befürchtet. Weil nicht mehr lange diskutiert, sondern einfach angepackt wird, um die Mosel und die Saar möglichst schnell wieder schiffbar zu machen.
Saarland - eine Modellregion der Entbürokratisierung?
Vielleicht sollten wir uns für die Zukunft nach außen nicht mehr über unsere Winzigkeit definieren - als Maßstab für Ölteppiche und Waldbrände, sondern über Pragmatismus und Schnelligkeit? Als das Land der kurzen Wege?
Denn genau diese Faktoren werden in der Welt von morgen enorm an Bedeutung gewinnen. Und da könnte das Saarland auch gegenüber viel größeren Konkurrenten punkten. Dafür wäre nicht einmal viel Geld nötig, sondern nur der Wille in Politik und Verwaltung, eine Modellregion der Entbürokratisierung zu werden.
Ein Thema in der "Region am Mittag" am 21.12.2024 auf SR 3 Saarlandwelle