Ein Buch über die jüdischen NS-Opfer in Dillingen

Ein Buch über die jüdischen NS-Opfer in Dillingen

Reporterin: Corinna Kern/Onlinefassung: Dagmar Scherer   27.01.2025 | 16:00 Uhr

Über 50 jüdische Bürger aus Dillingen wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Seit Jahren recherchiert Gertrud Schmidt das Schicksal dieser Menschen und schreibt darüber auch ein Buch, damit sie nicht in Vergessenheit geraten.

Im Arbeitszimmer von Gertrud Schmidt in Dillingen reiht sich ein Ordner an den anderen. Sie enthalten Lebensgeschichten. Sie erzählen von den Schicksalen der Juden, die in der Zeit des Nationalsozialismus in Dillingen gelebt haben.

„Im Rahmen meiner Tätigkeit für die Stadt Dillingen bekam ich den Auftrag, für Stolpersteine zu recherchieren", erzählt Schmidt. Bei diesen Recherchen habe sie dann zu ihrem großen Entsetzen herausgefunden, wie groß die Zahl der ehemaligen Dillinger Bürgerinnen und Bürger war, die von den Nazi ermordet wurden.

Dillinger Kinder des jüdischen Religionsunterrichtes Anfang 1930er Jahre (Foto: privat)
Dillinger Kinder des jüdischen Religionsunterrichtes Anfang 1930er Jahre

Anfang der 1930er Jahren lebten rund 130 Juden in Dillingen - waren Nachbarn, Freunde, führten Geschäfte, waren einfach Teil der Stadt. Über 50 von ihnen wurden Opfer des Holocaust.

Die Gedenksteine für die von den Nazis ermordeten Dillinger Juden wurden bereits 2013 verlegt. Doch die jahrelange Recherche und der Wille, Gesichter hinter den Namen und ihre Geschichten zu rekonstruieren – das treibt Gertrud Schmidt bis heute an.

Hinter all den Zahlen stehen persönliche Schicksale

Neben der unfassbaren Zahl von sechs Millionen getöteten Juden sind es für Gertrud Schmidt diese Einzelschicksale, die sie tief bewegen.

Eine dieser Geschichten ist die von Bertha Beard. Eine alte Frau, die mit ihrem Bruder in der Pogromnacht überfallen wurde und daraufhin fliehen wollte. "Wie ich mittlerweile herausgefunden habe, ist Bertha Beard evakuiert worden, dann nach Berlin gekommen und ein T4-Opfer – also ein Euthanasie-Opfer – geworden.“

Flora Levy (Foto: privat)
Flora Levy

Oder die Geschichte von Flora Levy, einer jungen Mutter aus Dillingen. Sie flüchtete mit ihrem Kind vor den Nazis immer weiter ins Landesinnere von Frankreich – aber auch sie hatte keine Chance. "Sie ist mit ihrem dreijährigen Sohn Marcel ins Gas in Auschwitz gegangen", erzählt Schmidt.

Es mache ihr bis heute eine richtige Gänsehaut, wenn sie sich das Schicksal der jungen Frau vor Augen halte und daran denke, "dass 1939 dann auch noch mit großem Stolz gemeldet wurde: Dillingen ist judenrein.“

Besuch der Gedenkstätte Auschwitz

Im vergangenen Jahr hat Gertrud Schmidt die Gedenkstätte in Auschwitz besucht und dabei in den großen Buchrollen auch einige der Namen entdeckt, auf die sie bei ihrer Recherche gestoßen war.

Und auch, wenn Auschwitz heute als Gedenkstätte sauber und aufgeräumt wirke, bekomme man dort vor Ort eine Ahnung, wie es damals für die Menschen gewesen sein muss, in Auschwitz anzukommen "unter dem Gebell von Hunden, aus den Wagons getrieben, in einem entsetzlichen körperlichen Zustand."

Ein Buch gegen das Vergessen

Damit die jüdischen Opfer der Nazis in Dillingen nicht in Vergessenheit geraten, schreibt Gertrud Schmidt derzeit ein Buch über ihre Schicksale. Es soll noch in diesem Jahr erscheinen. Damit das Leben der Jüdinnen und Juden, die Jahrhunderte lang ein Teil der Stadtgeschichte und der Gemeinschaft Dillingens waren, nicht vergessen wird.


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