Kinderschutz-Apps: Spionage statt Schutz?
Gefahr bei Apps, die Kinder im Netz schützen sollen
Die Bildschirmzeit von Kindern begrenzen, den Standort einsehen und sie so schützen - dabei sollen eigentlich Kinderschutzapps helfen. Doch eine Studie zeigt, viele dieser Apps sind aus Datenschutzsicht bedenklich.
Es ist ein Dauerthema: Kinder und Mediennutzung. Gerade bei Smartphones ringen Eltern mit ihren Schützlingen oft um das „wie lang“, „welche Apps“ und vor allem dem „welcher Inhalt“.
Viele Eltern greifen daher zu sogenannten Kinderschutz-Apps. Millionenfach gedownloadet landen sie auf den Smartphones der Kinder, um etwa die Bildschirmzeit zu begrenzen oder den Standort zu kontrollieren.
Apps greifen auf Daten zu
Eine internationale Studie zeigt aber: Oft werden diese Apps zur Datenkrake und sammeln weit mehr Informationen, als den Eltern oft bewusst ist.
Für Sarah Neuhausen aus Dillingen, der Name und Ort sind von der Redaktion geändert worden, ist es ein bekanntes Streitthema: Wie lange darf der jüngste Sohn das Handy benutzen? Verschärft wird die Debatte gerade jetzt in den Osterferien geführt, in denen das Kind mehr Zeit für das Smartphone hat.
Die Lösung sieht die Mutter in einer sogenannten Kinderschutz-App. Gemeinsam mit dem Jüngsten wird eine Bildschirmzeit vereinbart. Ist diese verbraucht, sperrt sich das Handy selbst dann, wenn der Sohn unterwegs und die Mutter nicht da ist: „Es ist mir wichtig, die Bildschirmzeit meiner Kinder zu kontrollieren, weil ich glaube, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter nicht in der Lage sind, sich selber hier einzuschränken. Es gibt so viele Kinder, die da wirklich Probleme haben und auch suchtgefährdet sind".
Trotzdem kann das Kind im Notfall noch telefonieren, selbst wenn die Bildschirmzeit aufgebraucht ist. Auch das ist der Mutter aus Dillingen sehr wichtig.
Europäische Studie untersucht Kinderschutz-App
Sarah Neuhausen nutzt eine Schutzfunktion, die in die Betriebssysteme von ihr und ihren Kindern bereits eingebaut ist. Die bietet sogar die Möglichkeit zur Standortkontrolle, ob zum Beispiel das Kind sicher in der Schule angekommen sind.
Doch neben der integrierten Software gibt es zahlreiche Drittanbieter, die mit deutlich ausführlicherer Überwachung locken. Teilweise sind die Programme millionenfach heruntergeladen. Eine Studie von IT-Fachleuten der österreichischen Fachhochschule St. Pöltern und des britischen University College London hat 40 beliebte Kinderschutz-Apps untersucht. 20 Apps kommen aus den regulären App-Stores. Die anderen 20 sind sogenannte Sideloading-Apps und können direkt von den Webseiten heruntergeladen werden.
Von SMS bis Telefongespräche: Apps können heimlich mithören
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass einige Programme zu regelrechten Spionagesoftwares werden und auch sensible, personenbezogene Daten der Kinder sammeln. In einem Fall hat eine Sideloading-App bis zu 31 „gefährliche Berechtigungen“ eingefordert. „Gefährliche Berechtigungen“ sind dabei Berechtigungen, die besonders auf private Nutzerdaten zugreifen.
Mit der manuellen Installation umgehen diese Sideloading-App die Schutzfilter der App-Stores und fordern teilweise sogar die Deaktivierung von weiteren Schutzmaßnahmen auf dem Handy. Nicht selten können die Apps dann mehr, als es Eltern und Kindern bewusst ist: „Die können Textnachrichten mitlesen. Sie sehen nicht nur, wann hat wer jemand auf dem Smartphone angerufen, sondern sie können Anrufe teilweise sogar abhören. Sie können die Fotos auf dem Gerät einsehen und sogar unbemerkt auf Mikrofon und Kamera des Smartphones zugreifen", warnt , Eva-Maria Mayer, die Autorin der Studie.
Die Daten können dann zur Verarbeitung auf den Servern der App-Betreiber gespeichert und weiterverwendet werden. Dabei wird auch das gesammelte Nutzerverhalten der Eltern an die App-Betreiber weitergegeben.
Einige Apps bieten die Möglichkeit zum Ausspionieren
Aus Sicht der Studienautorin Eva-Maria Mayer sind einige der Kinderschutz-Apps eigentlich Spionagesoftwares, die sich sogar auf dem Handy des Kindes tarnen können und gar nicht mehr als App zu erkennen sind.
Von den 20 Sideloading-Apps wurden in der Studie daher acht Programme sogar als sogenannte Spyware eingestuft. Im Grunde genommen Spionagesoftware, die Eltern ermöglicht das Smartphone des Kindes heimlich zu überwachen.
Ohne Einwilligung der Kinder betreten Eltern damit oft eine rechtliche Grauzone. Die Apps informieren ihre Nutzer über diese Problematik nicht.
Kinderschutz-Apps ersetzen keine Medienpädagogik
Der Wissenschaftler Lukas Daniel Klausner hat die Studie mitbegleitet und kann den Schutzwunsch der Eltern nachvollziehen. Einer digitalen Komplettüberwachung steht er aber kritisch gegenüber. Sein Vorschlag: Kommunikation. Kinder, aber auch die Eltern, müssen sich mit dem Smartphone auseinandersetzen: „Die einzige Alternative ist aus meiner Sicht, gemeinsam an der Medien- und Digital-Literacy zu arbeiten. Gerade wenn es darum geht, wie man mit Datenschutzthemen umgeht, wie auch die digitalen Persönlichkeitsrechte der Kinder gewahrt werden können, da gilt es nicht nur die Kinder ausreichend zu schulen, sondern auch bei den Eltern genügend Bewusstsein zu schaffen, damit sie damit verantwortungsvoll umgehen können."
Aus Sicht der IT-Experten ersetzen Kinderschutz-Apps nicht das gegenseitige Vertrauen. Umso wichtiger ist es, Mediennutzung nicht allein über Technik zu regeln, sondern im offenen Dialog gemeinsam zu gestalten.
Datenschutz ernst nehmen
Wer in seiner Erziehung dennoch auf Kinderschutz-Apps setzen möchte, sollte besonders an die offiziellen App-Stores halten, empfiehlt Eva-Maria Mayer. Denn dort gebe es klare Datenschutzerklärungen. Aber auch bei der Installation sollen Eltern prüfen, welche Berechtigungen die Apps genau verlangen und ob diese Berechtigungen im Verhältnis zum angebotenen Service stehen. Haben die Apps zu viele Berechtigungen, wäre es aus Sicht der Forscherin besser, Alternativen zu prüfen oder ganz auf eine App zu verzichten.
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