Robert B. Shermann: Ein Unterhaltunskünstler, der das Grauen gesehen hat
Jahrestag Befreiung Konzentrationslager Dachau
Das Komponisten-Duo Robert B. Sherman und sein Bruder Richard sind vor allem durch ihre Zusammenarbeit mit Walt Disney berühmt geworden. Wenig bekannt ist, dass Robert zu den GIs gehörte, die das Konzentrationslager Dachau befreiten.
Am 29. April vor 80 Jahren wurde das Konzentrationslager Dachau bei München befreit. Wobei „befreit“ der falsche Begriff ist: Als die US Army hinter den Stacheldraht zu den Gefangenen gelangte, waren die Nazi-Schergen schon geflüchtet.
Vom Grauen zu Kinderliedern
Unter den GIs war damals ein junger Soldat, Robert B. Sherman, der später zusammen mit seinem Bruder Kinderlieder komponieren und weltweit Groß und Klein fröhlich stimmen sollte - obwohl oder gerade weil er das Grauen von Dachau gesehen hat?
Die Shermans waren Walt Disneys „Hofkomponisten“ für Mary Poppins, das Dschungelbuch oder Aristocats. Der Trickfilmtycoon nannte die Brüder Robert und Richard „The Boys“.
Kriegsverletzung
Oscarverleihung 1965. Fred Astaire verkündet den Gewinner für den besten Song. Richard und Robert Sherman schreiten zum Rednerpult auf der Bühne, Robert braucht den Stock, um ein Bein zu entlasten, denn er war vor genau vor 20 Jahren in Deutschland im Krieg:
Mit 17 und der erforderlichen Erlaubnis der Eltern meldet er sich freiwillig, um Deutsche zu „killen“, denn Uncle Sam hat die Jugend darauf eingeschworen, gegen die Nazi-Diktatur zu kämpfen. Das, wofür er lebenslang die Gehhilfe benutzen muss, passiert in einem Ort den er als Bredenbek erinnert.
Dschungelbuch, Aristocats, Mary Poppins
„Wir bezogen Stellung vor einem Dorf und sollten losmarschieren, den Ort einzunehmen. Ich verhedderte mich im Stacheldraht, als ich versuchte mich zu befreien, traf mich eine Kugel ins Knie.“ Robert Sherman wird später mit seinem Bruder, der zu jung und asthmageplagt den Krieg in den USA begleitet, vielen Generationen herzlich-positive wortverspielte Ohrwümer liefern.
Die Shermans reimen ein Löffelchen voll Zucker für die bittere Medizin von Mary Poppins, lassen Katzen in Aristocats furchtbar viel Musik brauchen oder swingen mit dem König im Affenstaat, „Ich wär so gern wie Du“. Seine Dämonen begleiten Robert Sherman trotzdem. Als Maler schafft er düster dunkle Werke und lebt zuletzt lieber in London als im sonnigen Kalifornien.
Sherman schrieb über Dachau
Über das Konzentrationslager Dachau spricht er in Interviews nie. Was er mit 19 erlebt hat, darüber schreibt er als alter Mann in seinen Memoiren. Wie in seinen Liedern, poetisch, aber fast nicht zum Aushalten drastisch.
„Fünf dünne, graue, verblasst und verlassene Vogelscheuchen, knochige Skelette mit dunklen Augenringen kreuzten hinter dem Lagereingang unseren Weg. Einer schrie aufgeregt in Deutsch: „Es sind Amerikaner!“ Er kam auf mich zu und umarmte mich. Sofort umgab mich ein unglaublicher Gestank. Ich sah es auf seiner Kopfhaut kriechen. Die Augenbrauen waren voller Läuse. Ich stieß ihn von mir weg, was keiner großen Anstrengung bedurfte, so gebrechlich wie er war. Er erfasste meine linke Hand und küsste sie, und ich fühlte mich sofort traurig und schuldig. In einer halben Stunde sah ich Dinge, die für Alpträume bis zum Lebensende reichen würden“.
Ein Paradoxon
Im Angesicht der schrecklichsten Bilder, die es überhaupt geben kann, hat Robert Sherman mit seinen Liedern den Menschen über Generationen und Jahrzehnte pure Lebensfreude und das ganz große Strahlen geschenkt. War das seine Therapie? Ein "Geradedeswegen"? Oder eine Flucht in die heile Welt, gerade weil er selbst die Hölle gesehen hat?
Weitere Informationen
Ein Thema in der Sendung "Guten Morgen" am 29.04.2025 auf SR 3 Saarlandwelle.