Noch Hunderte offene Corona-Bußgeld-Verfahren im Saarland
Seit einem Jahr ist die Corona-Pandemie offiziell beendet. Zahlreiche Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die verhängten Schutzmaßnahmen sind es aber nicht. Allein im Regionalverband Saarbrücken laufen derzeit noch über 600 Verfahren. Sollte man in diesen Fällen über eine Amnestie nachdenken?
Für einen gewissen Zeitraum haben die Corona-Pandemie und die Schutzmaßnahmen das Leben der Menschen deutschland- und weltweit beeinträchtigt. Zu den Maßnahmen zählten unter anderem die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, zeitweise ein Versammlungsverbot und später eine maximale Anzahl von fünf Personen in einer Gruppe. Und wer gegen diese Regeln verstieß, musste mit einem Bußgeldverfahren rechnen.
Und viele von diesem Verfahren sind ein Jahr, nachdem die Bundesregierung die Pandemie offiziell für beendet erklärt hat, noch immer nicht abgeschlossen. So gibt es im Saarland noch immer Hunderte offene Bußgeldverfahren. Das ergab eine SR-Abfrage der Landkreise.
Private Zusammenkünfte und Maskenverstöße
So wurden im Regionalverband Saarbrücken zwar seit dem Auslaufen der Corona-Schutzmaßnahmen Anfang 2023 keine neuen Bescheide mehr versendet. Doch laufen laut einem Sprecher derzeit noch 633 Verfahren. Wann diese abgeschlossen würden, sei noch unklar.
„Zum einen sind teilweise noch Ratenzahlungen offen und zum anderen hat der Regionalverband keinen direkten Einfluss darauf, wann mögliche Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden“, so der Sprecher weiter. Mehr als die Hälfte der laufenden Verfahren bezögen sich auf private Zusammenkünfte. Bei rund 100 Fällen handele es sich um Maskenverstöße.
Im Landkreis Merzig-Wadern gibt es derzeit noch 71 laufende Verfahren aus den Jahren 2020 und 2021. Sie sollen nach Angaben des Landkreises noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Im Landkreis St. Wendel sind noch 62 Verfahren offen, die „schnellstmöglich zum Abschluss gebracht werden sollen“. Im Saarpfalz-Kreis werden derzeit noch 83 Verfahren bearbeitet. Wann diese abgeschlossen sein werden, ist noch unklar.
Anders sieht es im Kreis Saarlouis aus. Dort sind keine Mahnverfahren mehr offen. Auch in Neunkirchen sind nach Kreis-Angaben alle Corona-Fälle abgeschlossen. Bei einigen Fällen stehe noch die Zahlung des Bußgeldes aus. In diesen Fällen liege aber auch ein bestandskräftiger Bescheid vor.
Debatte über Amnestie
Berlins Ex‑Regierungschef, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller, hatte jüngst vorgeschlagen, Strafen für Verstöße gegen die damaligen Schutzmaßnahmen zu erlassen. "Wir wissen aus heutiger Sicht, dass manche Maßnahmen nicht so zwingend waren, wie wir damals dachten". Deshalb könne man über eine Amnestie nachdenken, sagte Müller.
Bei der CDU-Fraktion im saarländischen Landtag sieht man den Vorschlag mit gemischten Gefühlen. „Eine nachträgliche Massen-Amnestie, wie sie jetzt Michael Müller von der SPD oder zuvor bereits die AfD in Mecklenburg-Vorpommern fordern, halte ich für falsch. Das ist eine populistische Forderung, die sich bei genauem Hinsehen jedoch als hochproblematisch erweist“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Dagmar Heib, dem SR.
"Als hätten sie etwas falsch gemacht"
Alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie seien auf der Grundlage gültigen Rechts umgesetzt worden. Im Grundsatz müsse immer gelten, dass ein funktionierender Rechtsstaat seine geltenden Regeln auch durchsetze. „Nachträglich die Rechtmäßigkeit über eine Amnestie-Regelung anzuzweifeln, würde dem Prinzip der Gewaltenteilung widersprechen. Richter, Staatsanwälte, Polizisten und andere Beamte würden dann in ein seltsames Licht gerückt – als hätten sie etwas falsch gemacht, obwohl sie zum damaligen Zeitpunkt völlig korrekt gearbeitet haben“, so Heib weiter.
"Einzelfälle können eingestellt werden"
Allerdings wisse man heute auch, dass sich manche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie im Nachhinein als überzogen gezeigt hätten. „In solchen Fällen, insbesondere bei geringfügigen Erstverstößen, bin ich dafür, dass die Behörden im Rahmen ihres Ermessensspielraums großzügig von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, noch offene Verfahren einzustellen“, so Heib weiter.
Ähnlich sieht es die SPD-Fraktion. Amnestien sollten im Rechtsstaat nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, sagte Kira Braun, Sprecherin für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen. „Einzelfälle können im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch die zuständigen Behörden bewertet und angemessen geahndet bzw. auch eingestellt werden.“
Über dieses Thema berichteten die SR info-Nachrichten im Radio am 21.04.2024.