Work-Life-Balance aus der Sicht einer Zukunftsforscherin

Wie könnte die Arbeitswelt von morgen aussehen?

Moderation: Frank Hofmann / Onlinefassung: Jil Kalmes   29.12.2023 | 09:30 Uhr

Wie können und wollen wir in Zukunft arbeiten? Wieviel Freizeit sollte man haben? Mögliche Antworten auf diese Frage liefert Nora Dietrich. Sie ist Zukunftsforscherin, Expertin für Arbeit und Gesundheit und arbeitet unter anderem am Zukunftsinstitut Frankfurt.

Die IG Metall hat die Viertagewoche in ihre Tarifforderungen aufgenommen und auch bei den Lokführern geht es um Arbeitszeiten, die mehr Platz für Privates lassen. Das Thema Arbeitszeit und Work-Life-Balance ist also in aller Munde. Viele wollen weniger arbeiten – darunter nicht nur junge Menschen. Doch warum ist das so und wie könnte Arbeiten in Zukunft aussehen?

Pandemie hat neue Arbeitsideen vorangetrieben

Zum Einen sei der aktuelle Trend hin zu weniger Arbeit auf die Pandemie zurückzuführen, so Zukunftsforscherin Dietrich. Corona sei für sie eine Art Evolutionsbeschleuniger gewesen. Themen, die schon lange unter der Oberfläche waren, seien an die Oberfläche getrieben. Und: In der Corona-Zeit habe es einfach keine andere Möglichkeit gegeben. Man habe einfach von einem auf den anderen Tag anders arbeiten müssen, und zwar über viele viele Branchen hinweg, sagt die Zukunftsforscherin.

Gesundheit wird wichtiger

Man habe aber auch realisiert, welchen Stellenwert Gesundheit habe, sagt Dietrich. Es gehe nicht nur darum, nicht krank zu sein, sondern man wolle auch ein gesundes Leben in der Arbeitswelt und zuhause führen. So haben laut Dietrich dieses Jahr etwa dreiviertel aller Menschen gesagt, dass ihre Gesundheit ihnen wichtiger sei als der nächste Karriereschritt.

"Generation Wellbeing"

Gedanken rund um die Work-Life-Balance machen sich vor allem jüngere Leute – aber längst nicht nur. Die jüngste Generation, auch Generation Z genannt, bringe die Ideen aber nach und nach mit in die Arbeitswelt. Das habe sogar zu dem Spitznamen "Generation Wellbeing" geführt, so Nora Dietrich.

Der Grund: Sie seien oft mit Eltern aufgewachsen, die hart gearbeitet haben – nach dem Motto "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" – und dann spät und erschöpft nach Hause kamen. Deshalb hätten sich viele junge Menschen die Frage gestellt, ob das der einzige Weg sei, wie Arbeit und Leistung funktionnieren könne.

Leistung neu definieren: Qualität statt Quantität

In der Weniger-Arbeiten-Diskussion käme oft die Frage auf, ob die Gesellschaft heute keine Leistung mehr bringen und nichts Neues mehr erschaffen und gestalten wolle. Das hält Zukunftsforscherin Dietrich für nicht zutreffend. Man müsse Leistung neu definieren, zum Beispiel indem es weniger um die Arbeitszeit und mehr um die Resultate gehe.

Was sich in Unternehmen ändern müsse

Viele Arbeitgeber sind von der Idee der Arbeitszeitsverringerung aber nicht begeistert. Hier stelle sich die Frage, ob sich Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels leisten können, nicht auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden einzugehen, meint die Zukunftsforscherin.

Es gehe ja auch nicht darum einfach alles abzunicken, sagt Nora Dietrich. Vielmehr solle man offen und neugierig in den Diskurs gehen. Und vielleicht dann fragen: "Können wir diesen vermeintlichen Widerstand zwischen Höchstleistung und Menschlichkeit vielleicht auflösen, sodass wir am Ende flexibler und auch gesünder arbeiten können?"

Ein Thema in der Sendung "Guten Morgen" am 29.12.2023 auf SR 3 Saarlandwelle.

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