Freiheit auf vier Pfoten: Blindenführhunde als treue Wegbegleiter
Blindenführhunde eröffnen blinden Menschen neue Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und Mobilität. Für viele sind sie daher weit mehr als nur Helfer im Alltag – sie werden zu unersetzlichen Lebensbegleitern. SR-Reporter Christoph Borgans hat sich den Tannenhof, eine Blindenführ-Hundeschule in der Eifel, genauer angesehen.
Die Blindenführ-Hundeschule Tannenhof in der Eifel bildet Hunde zu Blindenführern aus. Die Hunde können erblindeten Menschen wieder mehr Freiheit und Selbstständigkeit zurückgeben. So zum Beispiel auch Melanie, die sich gerade mit Trainer Roland Schmitz an ihren neuen Blindenführhund Jack, einen Deutschen Schäferhund, gewöhnt.
Da es im Saarland keine Hundeschule gibt, die Blindenführer ausbildet, ist der Tannenhof in Wallersheim eine von zwei möglichen Schulen in Rheinland-Pfalz.
Blindenführhunde sind Mangelware
Am Tannenhof bilden sie zeitgleich vier Hunde zu Blindenführern aus, was alles in allem zwei Jahre dauert. Daran merkt man schon: Blindenführhunde sind Mangelware. Denn viele Blinde wünschen sich einen Hund, der sie in ihrem Alltag unterstützt. Doch auf diesen müssen sie im Schnitt zwei bis drei Jahre warten.
Grund dafür ist, dass die Ausbildung zum Blindenführhund so etwas wie die Königsdisziplin der Hundeausbildung ist. Der Grundgehorsam wie Sitz, Fuß und Platz müssen die Hunde bereits beherrschen. Das reicht aber nicht aus, um Blindenführhund zu sein. Sie müssen viele weitere Kommandos lernen.
Hinzu kommt der "Intelligente Ungehorsam". Die Blindenführhunde müssen Befehle nicht nur befolgen, sondern auch verweigern. Wenn der Blinde zum Beispiel sagt "Voran" und der Hund aber sieht, dass dort eine Baustelle ist und der Platz zum sicheren Vorbeigehen zu eng wird, muss er den Befehl verweigern.
Ausbildung ist ein Hochrisikogeschäft
Der Schulleiter vom Tannenhof, Roland Schmitz, geht bei der Ausbildung der Hunde zwei Jahre in Vorkasse: "Alle Kosten, die bis dahin entstehen, trägt die Schule." In den zwei Jahren könne viel passieren, so Schmitz.
Die Ausbildung ist daher für die Schulen auch ein Hochrisikogeschäft. Erst wenn sie den Hund an den Halter oder die Halterin abgegeben habe, diese die Eingewöhnungszeit überstanden und eine vernünftige Gespannprüfung abgelegt haben, zahle die Krankenkasse die Rechnung.
Melanie und Schäferhund Jack befinden sich gerade in der Eingewöhnung. Meistens reichten zwei bis drei Wochen mit Trainer, ehe die neuen Besitzerinnen und Besitzer selbst mit ihren Hunden für die Gespann-Prüfung trainieren können, erklärt Roland Schmitz. Wichtig sei, dass die Chemie stimme und sie ein Gespann werden.
Charakter des Hundes wichtig
Nur ein Hund, der kerngesund ist und auch bleibt, kann Blindenführer werden. Ebenfalls ist der Charakter entscheidend, wegen dem Hunde die Ausbildung letztlich auch mal abbrechen. Mitunter sind die Anforderungen für sie einfach zu hoch.
Beispielsweise hätte Hund Dave zu Melanies neuem Blindenführhund werden sollen. Zurückhaltend sei er bei Menschen schon von Beginn an gewesen, was für Blindenführhunde per se nicht schlimm sei, so Schmitz. Doch bei einer Situation im Training, bei der Dave viele Menschen in der dunklen Bahnhofsunterführung entgegengekommen seien, habe er aufgehört zu führen.
"Da ist er dann einfach stehengeblieben und hat gar nichts gemacht", so der Trainer. Daher musste Dave ausgemustert werden. Jetzt lebt er als gut ausgebildeter Hund in einer Familie, die ganz glücklich mit ihm sei.
Ausgemusterte Blindenhunde
Lustigerweise ist der Schulleiter genau durch einen ausgemusterten Hund zur Ausbildung gekommen. Der Hund, ein Edelterrier, habe damals zum Streunen geneigt. "Das heißt, ohne Geschirr war der vier, fünf Stunden unterwegs und der Blinde konnte gucken, wie er wieder nach Hause kommt." Zum Führen war der Edelterrier also nicht geeignet, als Familienhund bei den Schmitz‘ aber schon.
Wegen einer porösen Netzhaut hat der Schulleiter und Trainer selbst mit Seheinschränkungen zu kämpfen. Zum Glück habe sie sich über die letzten Jahrzehnte nicht verschlechtert. Daher ist er Hundetrainer geworden und hat damals zuerst eine normale Familienhundeschule gegründet. Grund dafür war die damalige Ausbildung der Blindenführhunde, die noch nicht sehr hundefreundlich gewesen sei.
In den letzten Jahrzehnten habe sich aber vieles für den Hund, aber auch für den Halter oder die Halterin zum Positiven entwickelt. "Je stressärmer die Hunde arbeiten können, desto freier sind sie und desto länger können sie natürlich dann auch die Arbeit ausführen", so Schmitz.
Geschirr bedeutet Arbeit
Wenn die Hunde ihr Führhundgeschirr tragen, sind sie hochkonzentriert. Gleichzeitig sieht man ihnen aber auch an, dass sich sich sehr freuen, ihre Arbeit auszuführen. Wenn sie dagegen das Geschirr nicht tragen, sind sie normale Familienhunde. Dann dürfen sie frei laufen und mit anderen Hunden spielen.
Den Unterschied kennen die Hunde bestens. Deshalb ist es auch wichtig, dass Nicht-Blinde den Unterschied kennen: Wenn wir einen Hund mit seinem Geschirr mit der Aufschrift "Blindenführhund" sehen, darf er nicht gestreichelt werden. Dienst ist Dienst.
Jacks Einzug bei Melanie
Inzwischen ist Jack bei Melanie eingezogen. Der Start war allerdings ziemlich aufregend, denn Jack ist seinem Trainer hinterher. Der war zwar schon weg, aber Jack lief weiter, um ihn zu suchen. Melanie und ihr Mann haben Jack überall gesucht, unterstützt von den Nachbarn. Schließlich hat die Polizei ihn gefunden - und sei von ihm sichtlich beeindruckt gewesen, sagt Melanie.
"Die Polizei sagte, sie hätte noch nie einen so schnellen Hund gesehen und einen so gut erzogenen Hund. Er ist nämlich nur auf dem Bürgersteig gerannt, hat die Ampeln akkurat überquert und hat an den Bordsteinkanten vor dem Überqueren links und rechts geschaut." Aber nichts geschehe ohne Grund, so Melanie. Inzwischen weiche Jack ihr nicht mehr von der Seite.
Thema "Kollege Hund"
Ein Thema in der Sendung "SR 3 am Vormittag" am 25.03.2025 auf SR 3 Saarlandwelle.