Zweisprachigkeit - die Realität an saarländischen Schulen
Zehn Jahre Frankreichstrategie
Vor zehn Jahren wurde die Frankreichstrategie der saarländischen Landesregierung veröffentlicht. Das Ziel: Das Saarland sollte bis 2043 das erste zweisprachige Bundesland werden. Was ist aus den Plänen geworden? Wie fit ist der Nachwuchs in Französisch?
„Wir haben die Vision, dass wir ein mehrsprachiger Raum werden. Das Ziel ist, dass wir die Kinder aus der vierten Klasse entlassen mit einem für alle verbrieften, französischen Sprachniveau", sagte Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Einführung der Frankreichstrategie vor zehn Jahren.
Ziel einer bilingualen Erziehung
Die Kinder sollten demnach bilingual erzogen werden und von klein auf Französisch lernen. Das hört sich in der Theorie gut an, doch die Realität, zehn Jahre später, sehe ganz anders aus, sagt Lisa Brausch, die Vorsitzende des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes. Es gebe keine flächendeckende Sprachbildung, die es jedoch als Kernvoraussetzung bräuchte, um eine Mehrsprachigkeit in einem Land zu gewährleisten.
Kein durchgehender Französischunterricht
Zwar unterrichten laut Bildungsministerium 2024 alle saarländischen Grundschulen ab der 3. Klasse Französisch. Aber ab der 1. Klasse – wie damals anvisiert - gerade mal 43 Schulen von insgesamt 160.
Und in den weiterführenden Schulen hat Französisch oft erstmal ein Jahr Pause und wird dann in Form eines zusätzlichen Sprachkurses belegt, der aber nicht benotet wird.
Der saarländische Landesschülersprecher Hasan Aljomaa sieht den zusätzlichen Sprachkurs zudem kritisch. „Aus persönlicher Sicht kann ich sagen: Es bringt mir im Leben einfach nichts." Der Sprachkurs sei kein Vergleich zu richtigem Französischunterricht, so Aljomaa weiter. Ihm erscheint das Angebot der Schulen daher nicht ausreichend. Aljomaa bezieht sich mit seiner Kritik auf Gemeinschaftsschulen, nicht auf den regulären Französischunterricht an den Gymnasien.
Mangel an qualifizierten Lehrkräften
Neben der Kritik an unzureichendem Unterricht schwankt auch das Niveau der Sprachvermittlung stark und es fehlt an qualifizierten Lehrern. Denn die Lehrerausbildung wurde nicht an die Strategie angepasst.
Zudem gebe es immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund, die erst einmal ihr Deutsch verbessern müssten, bevor sie mit einer weiteren Fremdsprache anfangen, sagt Lisa Brausch.
Hinzu kommt, das Französisch bei den meisten Schülern nicht favorisiert wird. Immer mehr lernen lieber Englisch als Französisch. In Zahlen bedeutet das: Nur noch knapp mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler im Saarland erlernt die Sprache unserer Nachbarn. Vor fünf Jahren waren es noch knapp 60 Prozent.
Schüler lernen lieber Englisch
Diese Entwicklung bestätigt auch Katja Oltmanns von der Landeselternvertretung. "Englisch wird vielleicht auch von den Eltern ein bisschen bevorzugt." Mittlerweile gebe es viele Studiengänge, die vollständig auf Englisch angeboten würden, da habe Französisch einen deutlich schlechteren Stand.
Keine Strategie bei der Frankreichstrategie
Gründe, warum die Frankreichstrategie an Schulen ihre Ziele bisher verfehlt hat, gibt es verschiedene. Zum einen gibt es zu wenig Lehrer, die Französisch der Ausbildung lernen. Zum anderen zu wenig Muttersprachler an den Schulen. Letzteres hätte vermieden werden können, sagt Brausch. Die Muttersprachler im Rahmen eines EU- Projekts habe es gegeben, doch diese sehr gut ausgebildeten Kräfte seien nicht gehalten worden, als die Initiativen aus Kostengründen beendet wurden.
Hinzu kommt, dass es kein durchgängiges Konzept für die saarländischen Schulen gibt, wann und wie sie Französisch anbieten. Eigeninitiativen der Schulen werden teils abgeblockt. Unterm Strich könnte man also sagen: Auch nach zehn Jahren Frankreichstrategie fehlt es in diesem Bereich an einer echten Strategie.
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Ein Thema u.a. in der Sendung "Guten Morgen" am 18.01.2024 auf SR 3 Saarlandwelle