Die saarländische Auswahl vor der Obdach- und Wohnungslosen WM im kalifornischen Sacramento (Foto: Anstoß e.V.)

Saarbrücker spielen bei Obdachlosen-WM in den USA

Melina Miller   08.07.2023 | 17:18 Uhr

Am Samstag haben die Fußball-Weltmeisterschaft der Obdach- und Wohnungslosen im kalifornischen Sacramento begonnen. Mit dabei sind drei ehemalige Bewohner des Saarbrücker Bruder-Konrad-Hauses.

„Es ist eine große Ehre, sein Land zu vertreten. Da ist man nicht nur aufgeregt, sondern auch ehrfürchtig“, sagt Sebastian Hopp. Er ist Nationalspieler – zwar nicht in der DFB-Elf, aber dafür im Deutschland-Team des Wohnungslosen-Fußballs.

Von 8. bis 15. Juli findet der Homeless World Cup 2023 in den USA statt. Sebastian steht zusammen mit zwei weiteren Saarbrückern auf dem Platz. Insgesamt treten bei dem Turnier rund 50 internationale Teams an. Die Spielerinnen und Spieler aus aller Welt haben eins gemeinsam: Sie haben keine eigene Wohnung.

Was ist der Unterschied zwischen wohnungs- und obdachlos?

Als obdachlos bezeichnet man Menschen, die ohne Unterkunft auf der Straße oder öffentlichen Plätzen leben. Wohnungslose Menschen sind ohne eigene Wohnung, aber nicht ohne Obdach. Sie leben zum Beispiel vorübergehend bei Bekannten oder in Einrichtungen.

Tim Trautmann (links) und Sebastian Hopp (rechts).  (Foto: Pinter/Bruder-Konrad-Haus)
Tim Trautmann (links) und Sebastian Hopp (rechts).

Die Wohnungs- beziehungsweise Obdachlosigkeit ist die Grundvoraussetzung, um Nationalspieler für den Homeless World Cup zu werden. Zumindest beim deutschen Team muss das auch nachgewiesen werden.

„Job weg, Freundin weg, Wohnung weg“

Wie wird man überhaupt wohnungslos? Bei Sebastian Hopp ging alles ganz schnell: Vor gut einem Jahr kam er der Liebe wegen ins Saarland, vorher lebte er in Sachsen. Die Beziehung ging in die Brüche, der Job fiel weg und dann auch die Wohnung, erzählt der 36-Jährige. „Ich habe mir zum Glück direkt Hilfe bei der Caritas gesucht – und kann das auch nur jedem empfehlen.“

Hilfe bei der Caritas

Sebastian kam im Bruder-Konrad-Haus in Saarbrücken unter, einer Einrichtung der Caritas für Wohnungslosenhilfe. Dort kümmert sich unter anderem Sozialarbeiter Bernhard Pinter um ihn.

Das gesamte deutsche Team kurz vor dem Abflug am Frankfurter Flughafen (Foto: Pinter)
Das gesamte deutsche Team kurz vor dem Abflug am Frankfurter Flughafen

Und der hat gute Kontakte zum Verein „Anstoß e. V.“, der den Wohnungslosen-Fußball in Deutschland organisiert und fördert. Darüber kam der Ball ins Rollen – und der Bundestrainer Johan Graßhoff ins Saarland, um sich die Spieler hier anzuschauen.

Sichtungsturnier in Saarbücken

„Bei der Auswahl bin ich natürlich auf die Kontakte vor Ort angewiesen. Neben dem Fußballerischen geht’s mir auch um Soziales. Jeder hat ja seinen Rucksack zu tragen, aber wir müssen als Team funktionieren“, erklärt Graßhoff.

Graßhoffs Wahl fiel neben Sebastian auch auf Tim Trautmann und Angelo Diliberto. Auch sie haben eine Zeit lang im Saarbrücker Bruder-Konrad-Haus gelebt oder leben dort immer noch. Das deutsche Team geht in diesem Jahr also mit einer besonders hohen Saarland-Quote an den Start, nämlich mit drei von insgesamt sechs Spielern und einer Spielerin. Das Ziel des Bundestrainers: Unter die Top 25 kommen. 

Sebastian Hopp ist stolz darauf, Teil des Teams zu sein. Aber er hatte auch Zweifel. Daran, ob es richtig ist, jetzt zu reisen, „wo man sich doch gerade wieder was aufbaut im Leben.“

 Ziel: Kraft schöpfen für Neustart

Das Gute: Beim Homeless World Cup geht es nicht nur ums Sportliche, sondern auch um die persönliche Weiterentwicklung. „Das Gefühl des Weiterkommens steht im Vordergrund. Das Kraftschöpfen, um zum Beispiel nach dem Turnier nochmal auf dem Arbeitsmarkt durchzustarten“, erklärt Sozialarbeiter Bernhard Pinter.

Sebastian Hopp, Bianca Koch und Tim Trautmann ( von links nach rechts) (Foto: privat)
Sebastian Hopp (links) und Tim Trautmann (rechts) kurz vor dem Abflug in die USA. Mit dabei: Spielerin Bianca Koch aus Hamburg, ebenfalls in Nationalteam

Der Bundestrainer, der selbst auch Sozialarbeiter ist, ergänzt: „Einerseits ist man bei einer richtigen Weltmeisterschaft dabei. Auf der anderen Seite kann man die Themen Armut und Obdachlosigkeit in einem ganz anderen, positiven Kontext an die Öffentlichkeit bringen. Viele Spielerinnen und Spieler kommen ganz verändert zurück, denn es geht auch darum, das Selbstvertrauen zu stärken.“

Das ist auch den drei Spielern aus dem Saarland zu wünschen.

Alle Spiele live übertragen

Alle Spiele des Homeless World Cups werden live im Internet übertragen, zum Beispiel direkt auf der Webseite des Turniers. Anders als bei einer „normalen“ WM spielen die Teams auch weiter, wenn sie im Kern-Wettbewerb ausgeschieden sind: Es werden viele weitere Pokalspiele veranstaltet.

Die Trikos der Spieler  (Foto: Pinter)
Bei der Ausstattung der Spieler gab es unter anderem Unterstützung von den saarländischen Vereinen FCS und SVE

Zur Situation von Obdach- und Wohnungslosen

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