"Der weitere Abbau des Sozialstaates ist absolut kontraproduktiv"
Interview mit Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes fehlen im Bundeshaushalt 60 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Lindner sieht Einsparmöglichkeiten unter anderem bei den Sozialausgaben. Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge hält das für fatal. Steuererhöhungen, vor allem bei großen Vermögen, und der Abbau von klimaschädlichen Subventionen seien der bessere Weg.
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen dem Bund 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung. Nach dem Urteil dürfen Coronahilfen nicht in den Klima- und Transformationsfonds verschoben werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat nun eine Haushaltssperre für mehrjährige Projekte verhängt. Bereits zuvor hatte er angekündigt, dass wohl auch bei den Sozialausgaben gekürzt werden müsse.
"Absolut konraproduktiv"
Keine gute Idee, sagt der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. "Bei zunehmenden Sozialproblemen im Land den Sozialstaat weiter abzubauen, ist absolut kontraproduktiv." Es würde dazu führen, dass noch mehr Menschen in die Armut abrutschen und der Staat ihnen dann nicht mehr helfe.
Steuererhöhung? Aussetzen der Schuldenbremse?
Butterwegge hält eine Steuererhöhung für den besseren Weg. Das sei sogar dringend erforderlich, sagt er. "Und ganz besonders große Vermögen müssten herangezogen werden, um die sozialen Probleme im Land zu lösen." Doch dagegen werde sich die FDP wohl wehren. Ebenso wie gegen eine Aussetzung der Schuldenbremse, um neue Kredite aufzunehmen. Dabei wäre dies eine alternative Möglichkeit bei der aktuellen finanziellen Lage.
Streichungen bei den Armen
So bleibe - zumindest für die FDP in der Ampelkoalition - nur die Streichung bei den Sozialausgaben, also im Grunde bei den Armen im Land und somit bei denjenigen, "die es sich am wenigsten leisten können, dass ihnen noch was weggenommen wird."
Alternative Einsparmöglichkeiten
Es gebe aber alternative Einsparmöglichkeiten, sagt Butterwegge. Beispielsweise bei der Rüstung. Da die Bundeswehr aber aufgerüstet werden solle, würden in dem Bereich die Ausgaben sogar steigen.
Auch bei Subventionen, die zudem noch klimaschädlich seien, könnte man einsparen - zum Beispiel bei der Nichtbesteuerung von Kerosin für Flugzeuge oder auch beim Dienstwagenprivileg.
Soziale Ungleichheit - das Kardinalproblem
"Ich finde, eigentlich sollte der außen-, energie- und militärpolitischen Zeitenwende keine sozialpolitische Zeitenwende folgen", sagt der Politikwissenschaftler. Die Zunahme von Armut und sozialer Ungleichheit hält er nämlich für das Kardinalproblem in unserer Gesellschaft.
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Ein Thema in "Guten Morgen" am 21.11.2023 auf SR 3 Saarlandwelle