Anschlag auf Saarbrücker Wehrmachtsausstellung seit 25 Jahren unaufgeklärt
Vor 25 Jahren detonierte ein Sprengsatz am Gebäude der Volkshochschule am Saarbrücker Schlossplatz. Dort wurde eine Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gezeigt. Bis heute sind keine Täter ermittelt.
9. März 1999, gegen halb fünf Uhr am Morgen: Viele Saarbrückerinnen und Saarbrücker werden durch eine gewaltige Detonation wach. An der Rückseite des VHS-Zentrums am Schloss ist ein Sprengsatz in die Luft gegangen.
Als es hell wird, zeigt sich das Ausmaß der Schäden: Fenster und Türen sind zerborsten, die Wände haben Löcher, an der benachbarten Schlosskirche sind viele der berühmten Bleiglasfenster kaputt. Ermittler werden später noch auf der Auffahrt der A620 an der Wilhelm-Heinrich-Brücke Splitter finden – so stark war die Sprengwirkung.
Schäden wie nach „Flak-Beschuss“
„Wie im Kriegsfall, als hätte es Flak-Beschuss gegeben“ – so beschreibt der Historiker Hannes Heer später seine ersten Eindrücke vom Tatort. Seiner Ausstellung galt der Anschlag mutmaßlich. Sie hieß „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ und tourte durch Deutschland. Die 31. Station war Saarbrücken, die VHS am Schloss.
Ausstellung hat mit dem Mythos „saubere Wehrmacht“ aufgeräumt
Schirmherr war Reinhard Klimmt, SPD-Politiker und damals Ministerpräsident. Die Ausstellung sei der Versuch gewesen, mit einer Legende aufzuräumen, die damals in der Bundesrepublik immer noch das Bewusstsein bestimmt habe, sagt er heute: „Dass es die ‚bösen Nazis‘ und die ‚böse SS‘ gab, aber die ‚gute Wehrmacht‘. Und dass die Soldaten als solche nicht mit den Verbrechen in Beziehung gebracht werden können.“
Die Ausstellung zeigte systematische Verbrechen der Wehrmacht vor allem in der damaligen Sowjetunion. Rund 1400 Fotos, Feldpostbriefe und andere Dokumente waren zu sehen.
„Die Ausstellung war von Anfang an höchst umstritten. Sie war das Hassobjekt der radikalen Rechten, und von Anfang an haben sich auch breite Teile der konservativen Parteien gegen die Ausstellung positioniert“, so beschreibt es heute Erich Später. Er war für die Heinrich-Böll-Stiftung Saar Mitveranstalter und bekam deshalb viel Hass ab.
Schon in anderen deutschen Städten hatte es Proteste gegen die Ausstellung gegeben. In Erfurt waren Tafeln beschmiert worden mit „Lüge!“. In München marschierten tausende Demonstranten mit Parolen wie „Unsere Väter waren keine Mörder“.
Ausstellung in aufgeheiztem Klima
Ab Februar 1999 machte die Ausstellung dann in Saarbrücken Station. Auch hier wurde Stimmung gegen sie gemacht, auch hier demonstrierten Neonazis, hunderte Leserbriefe gingen bei der Saarbrücker Zeitung ein. So geballt hatte es auch der Ausstellungsmacher Hannes Heer bei den anderen Stationen nicht erlebt. „Der Hass! Die Wut!“, erinnert er sich besonders an die vielen Leserbriefe. „Das war in der Masse in Saarbrücken wirklich beispiellos.“
Saarländische CDU-Politiker schalteten eine Anzeige: „Wir lassen unsere Väter von diesen Ausstellungsmachern und ihren Hilfstruppen nicht unwidersprochen als Mörder diffamieren und mit ihnen die vielen Toten, die sich nicht mehr wehren können.“
Nach dem Anschlag wurde die Ausstellung schnell wiedereröffnet
Als am 9. März schließlich der Sprengsatz detonierte, wurden auch Teile der Ausstellung beschädigt. Hannes Heer und sein Team ließen eilig Tafeln nachdrucken. Denn für ihn, die Saarbrücker Veranstalter und den Schirmherrn Reinhard Klimmt war klar, dass die Ausstellung so schnell wie möglich wieder eröffnet werden sollte.
„Ich wollte nicht, dass die Täter Erfolg haben mit ihrer Aktion“, erinnert sich Klimmt heute. „Es sollte nicht gelingen, was die wollten, nämlich die Ausstellung kaputt zu machen.“ Wenige Tage nach dem Anschlag konnten wieder Besucher kommen – allerdings unter strengen Sicherheitsauflagen.
„Akt des rechtsradikalen Terrors“?
Währenddessen lief die Ermittlungsarbeit an. Eine Soko „Bombe“ wurde gebildet. Zwei Bekennerschreiben gingen ein. Der damalige CDU-Vorsitzende und spätere Ministerpräsident Peter Müller sprach noch am Tag des Anschlags von einem „Bombenanschlag eines Wahnsinnigen“. Die Polizei vermutete von Anfang an einen rechtsradikalen Hintergrund.
So schätzt es auch Mitveranstalter Erich Später von der Heinrich-Böll-Stiftung Saar ein: „Das war ein Akt des rechtsradikalen Terrors.“
Immerhin gab es in den 1990er Jahren mehrere Gewalttaten im Saarland, bei denen ein rechtsextremistischer Hintergrund nahelag: etwa der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim in Saarlouis 1991, bei dem Samuel Yeboah starb, oder der versuchte Bombenanschlag auf das Saarbrücker PDS-Büro 1990, oder die Rohrbombe an einer Asylbewerberunterkunft in Wallerfangen 1992.
Dennoch verliefen alle Spuren im Sande. Die Ermittlungen zum Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung wurden damals ohne Ergebnis eingestellt, weil sich keine Täter ermitteln ließen. Zurzeit lägen auch keine erfolgversprechenden Ermittlungsansätze vor, schreibt die Staatsanwaltschaft Saarbrücken auf SR-Anfrage.
NSU-Trio als Täter?
Als sich 2011 der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) selbst enttarnte, gab es einen neuen Ermittlungsansatz. Schließlich hatte das Thüringer Terror-Trio nicht nur zehn Menschen ermordet, sondern auch drei Brandanschläge in Nürnberg und Köln verübt. Bundesweit wurden daraufhin ungeklärte Altfälle neu aufgerollt, so auch der Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung.
Der Generalbundesanwalt, dem die Ermittlungsergebnisse vorgelegt wurden, sei allerdings zum Schluss gekommen, dass der Saarbrücker Fall nicht dem NSU zuzuschreiben sei – so die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Eine tote Spur.
Ausstellung war ein Publikumsmagnet
Am Ende hatten rund 20.000 Menschen die Saarbrücker Wehrmachtsausstellung besucht, Einzelpersonen, Familien und Schulklassen. Nicht zuletzt kamen auch ehemalige Wehrmachtssoldaten, die damals teils zum ersten Mal über ihre Beteiligung am Krieg gesprochen haben, erinnert sich Mitorganisator Erich Später: „Wir haben sehr bewegende Szenen erlebt, dass endlich dieses Schweigen gebrochen wurde.“
Allerdings: Wer den Sprengsatz gezündet hat, um genau diese Vergangenheitsaufarbeitung zu sabotieren, liegt nach wie vor im Dunkeln.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 09.03.2024 berichtet.