Mit Asselborn verlässt ein Mann der klaren Worte die politische Bühne
Vergangene Woche hat Jean Asselborn nach 19 Jahren als luxemburgischer Außenminister seinen Abschied aus der Politik angekündigt. Wenige haben so viel Erfahrung auf der europäischen Bühne wie er. Mit dem SR hat er über die Schwächen und Stärken dieses Europas gesprochen.
Es mag vermutlich Momente gegeben haben, da wäre auch Jean Asselborn gerne mal Außenminister eines größeren Landes gewesen. Eines Landes mit mehr Gewicht, mehr Einwohnern und ja – selbst angesichts der Finanzkraft Luxemburgs – mit mehr Geld, denn das sind immer noch die Währungen in Brüssel.
Doch vermutlich gab es ebenso viele Momente, in denen Jean Asselborn gar nicht so unglücklich war, dass er Außenminister eben jenes kleinen Luxemburg war. Denn er hat die Freiheiten, die ihm diese Rolle bot, genutzt und nur allzu oft sichtbar genossen.
„Scheiße nochmal“
2005 ist Asselborn Außenminister geworden, damals hieß sein deutscher Amtskollege Joschka Fischer und Gerhard Schröder war noch Kanzler. Schon früh erkannte der heute 74-Jährige, dass das Wort eines luxemburgischen Außenministers zwar in der Runde seiner Kolleginnen und Kollegen nicht immer das größte Gewicht hat, dass man aber trotzdem gehört wird, wenn man sich nur deutlich genug äußert.
Es wurde sein Markenzeichen: das klare Wort. Wie 2016, als er den Rauswurf Ungarns aus der EU forderte. Oder 2018 als er dem rechtspopulistischen italienischen Innenminister Matteo Salvini ein „Merde alors", auf Deutsch ungefähr "Scheiße nochmal", an den Kopf warf.
Hadern des überzeugten Europäers
Vermutlich niemand hat so viele Gipfel mitgemacht wie Asselborn, hat so oft bis tief in die Nacht verhandelt, so oft ohne Ergebnis. Und trotzdem hat er einen Glauben an diese EU nicht verloren, sagt er im SR-Interview: „Wenn ich nicht daran glauben würde, wäre ich keine fast 20 Jahre dageblieben. Also Europa hat Stärken, hat aber natürlich auch Schwächen.“ Auch wenn er immer wieder – gerne auch in deutschen Talkshows – mit den Abläufen in Brüssel gehadert hat, überzeugter Europäer ist er immer noch.
„Wir machen Schengen kaputt“
Asselborn verklärt diese EU aber auch nicht. Sein großes Thema seit 2015 ist die Migration und damit auch das europäische Scheitern, eine gemeinsame Lösung zu finden. Es fehle immer noch an verbindlichen Quoten, an einer gerechten Verteilung der Menschen. Und die Staaten reagieren derzeit wieder mit Grenzkontrollen.
„Wir machen Schengen kaputt, wenn wir weitermachen mit dieser Sekundärmigration“, sagt Asselborn. Und Schengen, das sei eben neben dem Euro eine der großen Errungenschaften Europas. Europa sei an den „Grenzen zusammengewachsen“, sagt er „und wenn es eine Region gibt, wo die Grenzen aneinanderstoßen, dann sind das Saarland, Rheinland Pfalz und Luxemburg und Frankreich.“
Vereinigte Staaten von Europa
Europa wird Reformen brauchen, sagt er, der sich nun sogar ganz aus dem politischen Leben zurückgezogen hat, nicht einmal mehr einfacher Abgeordneter ist. Wobei das für einen wie ihn ohnehin vermutlich zu wenig gewesen wäre. Europa wird sich auch ohne ihn weiter verändern. Vielleicht sogar zu den Vereinigten Staaten von Europa, so wie die USA.
Asselborn hält diesen Schritt auf lange Sicht für unausweichlich: „Das heißt nicht, dass Deutschland verschwindet oder dass Luxemburg verschwindet, aber wir müssen den Schritt einmal machen, damit Europa eine Chance hat, weiterhin zu bestehen.“
Er selbst hat sich nun aus der aktiven Politik zurückgezogen. Dass er leise sein wird, glaubt niemand. Das war er selbst auf dem diplomatischen Parkett selten. Er wird weiter über Europa sprechen, das steht fest, auch als Privatmann. „Erklären Sie mal einem normalen Menschen die EU“, sagt er im SR-Interview. Vielleicht braucht es gerade dafür welche wie ihn.