Silvester
Silvester. Auch dieses Jahr werden wieder 75 Prozent aller Menschen den Jahresausklang mit der zweiten Wahl feiern. Denn eigentlich wollte man ja mit ganz anderen Leuten feiern...
Die aber wiederum haben bereits im August bei angeblichen Freunden zugesagt, zu denen sie insgeheim im Grunde gar nicht wollten, die aber, bevor man dann am 31. Dezember doch wieder alleine dasteht, eine dankenswerte Alternative darstellten.
Von den restlichen 25 Prozent haben ein Drittel zu Theaterkarten gegriffen, obwohl sie sonst nie ins Theater gehen, ein weiteres Drittel macht mal was ganz besonderes und prostet sich auf der Schlossmauer zu, weil „ma doo jo es Feierwerk iwwer der Stadt soo scheen siehn dudd!“ und der Rest hat geglaubt, es reiche, zwei Tage im Voraus einen Tisch im Wunschlokal zu reservieren, und feiert nun ganz beschaulich zu Hause.
Wer aber nun das Glück hat, im Kreise seiner lieben Freunde feiern zu dürfen, für den gilt es jetzt noch einiges zu erledigen. Da wird beim Discounter des Vertrauens in die Schlacht um die Feuerwerksbatterie Vesuvio gezogen, während zuhause vier verschiedene Partysalate und Frikadellen vorbereitet werden. Über die Gulaschsuppe darf ich hier noch nicht sprechen. Die wird die unerwartete Mitternachtsüberraschung. Wie jedes Jahr. Gereicht kurz nach dem Bleigießen.
Bei Paaren über fünfzig geht’s gerne etwas dezenter zu. Sie feiern nicht mit der ganzen Clique, sondern mit einem befreundeten Paar bei ´nem leckeren Fondue und mit Gesellschaftsspielen.
Gespielt wird bis halb zwölf. Dann gehen die Männer raus auf den Balkon, um schon mal leere Weinflaschen als Raketenabschussstation aufzubauen und Dachlatten, an die man Silberkreisel genagelt hat, in die Erde eines Blumenkübels zu rammen.
Derweil holen die Frauen die Sektgläser aus dem Schrank und schalten im Fernsehen auf den Silvestercountdown mit Kiwi und Kerner am Brandenburger Tor. Und dann ist es soweit: Die Jacken werden angezogen, damit man nach dem Anstoßen gleich rausstürmen kann, die Gläser sind gefüllt und ... ne Stunde später, während im Hintergrund die Disco-Hits der 70er im Fernsehen laufen wird das überraschende Resümee gezogen: „Also so viel geknallt, wie diesjohr hanns bei uns im Ecke schunn lang nemmeh ...“
Michael Friemel
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Michael Friemels "Friemeleien"
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