"Im Grunde genommen ist es ein frühes Selfie"

"Im Grunde genommen ist es ein frühes Selfie"

Das SR KulturGespräch mit Dr. Inge Herold, Kuratorin der Mannheimer Ausstellung "Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum"

Barbara Renno  

Sendung: Dienstag 18.02.2025 19.15 bis 20.00 Uhr

Noch bis Anfang März 2025 läuft in der Kunsthalle Mannheim die aktuelle Ausstellung zu einem Jahrhundertjubiläum. Der Publikumsandrang ist seit Monaten ungebremst und so groß, dass das Haus sein Angebot an Rundgängen fast verdoppelt hat.  

Die Schau zum Jahrhundert-Jubiläum „Neue Sachlichkeit“ hat jetzt schon Maßstäbe gesetzt. 1924/1925 wurde dieser Epochenbegriff geprägt, der bis heute Gültigkeit besitzt. Er bezeichnet die Zwischenkriegsjahre, die Jahre der Weimarer Republik. Dabei hat Inge Herold auf mehreren Etagen und Ebenen und sowohl im Neu- als auch im Jugendstilbau alles andere als einen Blick zurückgeworfen – sie hat gründlich mit Klischees aufgeräumt. In der Mannheimer Schau wird kein Re-enactment der „Goldenen Zwanziger“ betrieben und deren Dauerkonjunktur befeuert – wie in „Babylon Berlin“.

Dr. Inge Herold (Foto: Pressefoto / Alexander Gruber)
Dr. Inge Herold, Kuratorin der Ausstellung "Die Neue Sachlichkeit - Ein Jahrhundertjubiläum"

Die Mannheimer Schau feiert Künstler, die den Alltag ihrer Zeit meisterhaft in Szene gesetzt und beleuchtet haben. Sie haben den Alltag ins Visier genommen und ihn zum Kunstgegenstand erklärt, sie haben die Umbrüche bildnerisch dokumentiert - zum Beispiel die flächendeckende Elektrifizierung von Städten und Orten - erst dadurch konnten Menschen die Nacht zum Tag machen und in der Dunkelheit mobil sein, Geschäfte, Bars und Hotels konnten Leuchtreklamen einsetzen.

Künstlerinnen waren vor 100 Jahren nicht vertreten, das holt die Jubiläumsschau gründlich nach. Zum Beispiel Lotte Laserstein und ihrem Portrait eines russischen Mädchens mit Puderdose. Sie steht vor einem Spiegel und bessert ihr Make-up mithilfe ihres Puderdosenspiegels nach - Ist das der Blick auf die eigene Zeit, die eigene Epoche?

Arno Henschel Dame mit Maske, 1928, Kulturhistorische Museen Görlitz (Foto: Görlitzer Sammlungen)
Arno Henschel Dame mit Maske, 1928, Kulturhistorische Museen Görlitz

Die zeichnet sich durch eine Gleichzeitigkeit der historischen Ereignisse aus - die Weimarer Verfassung, die in einigen Paragrafen fortschrittlicher war als unser Grundgesetz heute kannte zum Beispiel das Recht auf Wohnen oder das Wahlrecht für Frauen. Es war ein verheißungsvoller Aufbruch, gleichzeitig hat sich eine autokratisch-diktatorische Bewegung erfolgreich auf den Weg gemacht.

Wie hat die Kunst darauf reagiert? Welche Künstler und Künstlerinnen gilt es zu entdecken oder neu zu betrachten? Und was fasziniert uns bis heute? Darüber hat sich SR kultur-Redakteurin Barbara Renno mit Kuratorin Inge Herold im SR kulturGespräch unterhalten.



Das Bild ganz oben zeigt ein Gemälde von Lotte Laserstein: Russisches Mädchen mit Puderdose, 1928, Frankfurt am Main, Städel Museum © VG Bild-Kunst, Bonn 2024 Foto: bpk / Städel Museum.


Diskurs

Dienstags von 19.15 bis 20.00 Uhr auf SR kultur.

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Redaktion: Barbara Renno
E-Mail: diskurs@sr.de

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