60 Prozent Zustimmung für Rechtspopulisten in Carling - wie kommt's?

Erdrutschsieg der Rechtspopulisten in Frankreich bei den Europawahlen. Besonders hoch war die Zustimmung hinter der Grenze zum Saarland - und ganz besonders in Carling. Wie lässt sich das erklären? Eine Spurensuche.

Nach der herben Niederlage seiner Partei bei den Europawahlen hatte Präsident Emmanuel Macron am 9. Juni die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen. Als stärkste Kraft bei den Europawahlen gingen die Rechtspopulisten vom Rassemblement National (RN) hervor. Auch in der Grenzregion zum Saarland schnitten sie besonders stark ab.

Im lothringischen Département Moselle hatten sich 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler für den RN entschieden. Am Chemiestandort Carling, direkt hinter der Grenze, waren es sogar über 60 Prozent. Woran könnte das liegen?

"Mal schauen, was die so können"

Im Café L’Escale in der Hauptstraße von Carling ist schon morgens um 10 Uhr gut was los. Hinten in der Ecke, an einem braunen Holztisch, sitzt Lothar. Der Rentner liest Zeitung, den Politikteil – ein Bild von Jordan Bardella, dem Parteichef des extrem rechten Rassemblement National, prangt groß über einem Artikel. „Ich weiß noch nicht, wen ich nächste Woche wählen werde. Ich war nie ein Rassist“, erzählt er. „Aber jetzt ist es vielleicht mal an der Zeit den RN zu wählen und schauen, was die so können.“

Sehnsucht nach vermeintlich guten, alten Zeiten

Die Rentnerin Solange sieht das ähnlich: „Alle anderen hatten wir schon an der Macht. Und das Land ist abgestürzt – die Sicherheit, die wirtschaftliche Lage, eine Katastrophe. Jetzt ist es an der Zeit, endlich mal den RN zu wählen“, so ihre Meinung.

Sie habe die goldenen Zeiten hier in der Region noch miterlebt. Damals, als die Minen noch offen waren, sei es den Menschen besser gegangen. Aber heute?

Carling im Strukturwandel

Objektiv betrachtet steht Carling auch heute gar nicht so schlecht da. Das kleine Dörfchen zählt gerade einmal 3370 Einwohner, trotzdem gibt es einen Supermarkt, zwei Bäckereien und auch das Café L’Escale. Außerdem Industrie. Die Chemieplattform und das ehemalige Kraftwerk Émile-Huchet, früher einmal das größte Kohlekraftwerk Europas.

Dort sollte der Strukturwandel hin zu einer grünen Wasserstoffzentrale zwar schon lange im Gange sein, aber Paris blockiere, mache zu wenig Druck in Brüssel, von dort solle der größte Teil der Gelder her kommen, sagen die Arbeiter. Deswegen demonstrieren sie seit Monaten.

Regierung Macron als Feindbild

Nicht verwunderlich also, dass der RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella auf seiner Wahlkampftour bei den Europawahlen auf dem Werksgelände Station gemacht hat. Am 7. Juni sagte Bardella vor den Arbeitern des Kraftwerks: „Das Kraftwerk hier bei Saint Avold ist ein Symbol der desaströsen Energiepolitik von Präsident Macron. Es gibt neue Technologien, Wasserstoff, Biomasse. Macron hatte versprochen, dass sich hier was tut. Er hat sein Versprechen nicht gehalten.“

Viele Menschen – auch in Carling – werfen Präsident Macron und seiner Regierung vor, die ländlichen Regionen des Landes zu vernachlässigen.

Zurück zur alten Grenzpolitik?

Das alles aber dürfe nicht dazu führen, dass nun extrem rechts gewählt werde, sagt der Carlinger Laed. Denn gerade für die Grenzregion befürchtet er harte Einschnitte und Grenzschließungen, sollte der RN an die Regierung kommen.

Die beiden Rentner Lothar und Solange sehen dem aber gelassen entgegen. Geschlossene Grenzen habe es ja früher schon gegeben. Man habe gut gelebt und sei trotzdem über die Grenze gekommen.  

Viel Gefühl, wenig Fakten

Die Frage der Grenzen, die Auswirkungen auf die deutsch-französischen Beziehungen bei einem möglichen Wahlsieg des Rassemblement National – in Carling interessiert das nur wenige. Viele Bürger haben die Schnauze voll von Präsident Macron und seiner Regierung – die Wahlentscheidung basiert oft mehr auf Gefühlen als auf Fakten.

Über dieses Thema hat auch die Sendung "Region am Mittag" am 26.06.2024 auf SR 3 Saarlandwelle berichtet.

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