So dramatisch ist der Personalmangel in Saar-Kitas
Im Saarland verursacht der Personalmangel in Kitas massive Probleme. Zuletzt hatte fast die Hälfte aller Kitas weniger Personal als ihre Betriebserlaubnis vorschreibt. Das stellt Familien und Betreuungskräfte vor große Herausforderungen.
Jennifer Sontag aus dem Kreis St. Wendel hat zwei Kinder im Kita-Alter (1 und 5 Jahre). Eigentlich ist sie mit der Kita sehr zufrieden. Aber der Personalmangel führt auch dort zu Problemen, etwa zu reduzierten Öffnungszeiten. "Vor den Sommerferien waren es fünf oder sechs Wochen am Stück", erzählt Sontag. "Und eine ganze Woche, da war die Öffnungszeit massiv verkürzt." Statt bis 17.00 Uhr sei die Kita nur bis 13.30 Uhr geöffnet gewesen.
Saarlandweites Problem
Dass Sontag kein Einzelfall ist, zeigen Zahlen aus dem Bildungsministerium. Für die Personalisierung der rund 500 Einrichtungen im Saarland sind die Kita-Träger verantwortlich. Dem Ministerium müssen sie aber melden, wenn es in einer Kita zu erhöhtem Personalmangel kommt.
Öffnungszeiten häufig reduziert
Demnach haben Träger von September 2022 bis September 2023 insgesamt 1098 mal gemeldet, dass sie in Kitas Öffnungszeiten verkürzt haben. In 509 Fällen meldeten sie sogar, dass sie wegen Personalmangels entweder Gruppen oder ganze Einrichtungen geschlossen haben. Statistisch hatte also jede Kita zwei Mal ihre Öffnungszeiten eingeschränkt und musste einmal ganz oder teilweise schließen.
Klar ist: Eine einzelne Meldung kann bis zu zwei Wochen umfassen. Das Ministerium kann jedoch nicht sagen, an wie vielen Tagen es insgesamt Probleme durch Personalmangel in Kitas gab. Es sei zu aufwändig, die Meldungen auszuwerten. Auch eine Aussage, welche Kreise wie stark betroffen seien, sei daher nicht möglich. Man arbeite aber an einer Datenbank dafür.
Bundesweites Problem
Personalmangel in Kitas ist kein saarländisches Problem. Eine Recherche von Correctiv.lokal und „Frag den Staat“, an der auch der SR beteiligt war, zeigt: Vielerorts in Deutschland führt die Personalsituation zu negativen Auswirkungen wie eingeschränkten Öffnungszeiten oder sogar Kita-Schließungen. Die Lage in den Bundesländern lässt sich dabei jedoch nicht vergleichen. Die Daten werden zu unterschiedlich erhoben und verarbeitet.
Verkürzte Öffnungszeiten untererfasst?
Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass die Problematik durch die Zahlen sowieso untererfasst wird. Nicht gemeldet werde etwa nach SR-Informationen häufig, wenn Einrichtungen die Eltern lediglich bitten, ihre Kinder früher abzuholen, weil die Personaldecke dünn ist.
In der Praxis sind die Auswirkungen für die Eltern jedoch vergleichbar, sagt Jennifer Sontag. Sie spüre dann "schon Zugzwang". Denn schließlich bedeute eine solche Situation ja auch, dass die Erzieherinnen die Kinder nicht mehr so gut im Blick haben könnten.
Viele Kitas unterpersonalisiert
Dass die Personalsituation an den Kitas generell problematisch ist, liegt vor allem am Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarkt für Erzieherinnen und Erzieher ist faktisch leergefegt. Krankheitsfälle und Urlaube lassen sich kaum abfedern.
Wie dramatisch die Situation ist, zeigt eine Abfrage des Bildungsministeriums unter den Kita-Trägern. Die Ergebnisse aus dem Februar liegen dem SR vor. Demnach hatte zu Jahresbeginn fast die Hälfte aller Kitas im Saarland weniger Personal als ihre Betriebserlaubnis eigentlich vorschreibt.
Sonderregelung ausgelaufen
Den Betrieb aufrecht erhalten konnten sie, so steht es in der Präsentation, nur deshalb, weil noch Corona-Ausnahmen galten. Diese sind aber offiziell seit Anfang November Geschichte.
Und es gibt keine deutlichen Anzeichen dafür, dass sich die Personalsituation im Kita-Bereich in den letzten Monaten merklich verbessert hätte. Das Ministerium verweist hingegen darauf, dass in den letzten Tagen weniger Einrichtungen als zuvor Personalnotstand gemeldet hätten.
Ministerium: Träger in der Pflicht
Generell seien für die Personalisierung der Kitas die Träger allein zuständig. Das Ministerium könne nur die Rahmenbedingungen anpassen. Das Land habe zuletzt für mehr Berufsgruppen den Quereinstieg in die Kita-Job ermöglicht.
Seit April 2022 könnten auf Antrag auch Kinderpflegerinnen, Sozialarbeiter oder Ergotherapeutinnen als Fachkraft eingesetzt werden. Auch die Zahl der Ausbildungsplätze habe man in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht.
"Teufelskreis" für Betreuungskräfte
Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Saarland sind das zwar Schritte in die richtige Richtung. Diese würden aber erst mit Verzögerung helfen und außerdem auch nicht ausreichen, sagt der GEW-Landesvorsitzende Max Hewer.
Durch den momentanen Personalmangel entstehe ein "Teufelskreis": Betreuungskräfte erkrankten, und "die Fachkräfte, die dann noch in der Einrichtung sind, sind überbelastet, und werden in der Folge auch krank." Das führe zu noch größerer Belastung.
Außerdem falle die Zeit, die eigentlich zur Vorbereitung vorgesehen sei, zu häufig weg, um Löcher in der Betreuung zu stopfen. "Im Moment ist es unter diesen Bedingungen ganz schwierig, den Bildungsauftrag aufrechtzuerhalten", betont Hewer.
Die GEW fordert daher, dass sich alle Beteiligten zusammensetzen, und ehrlich darüber reden, was und wie viel Kitas überhaupt noch leisten können.
Auch Eltern brauchen Klarheit
Auch für Eltern ist Planungssicherheit enorm wichtig. Vor allem kurzfristige Reduzierungen von Öffnungszeiten stellen sie vor große Herausforderungen. Jennifer Sontag und ihr Ehemann konnten das bisher auffangen, denn noch ist sie in Elternzeit.
Aber in drei Wochen geht die Arbeit wieder los. Dann sei sie auf das Verständnis ihres Vorgesetzen angewiesen. "Aber wenn das überhandnimmt, wird wahrscheinlich jeder Vorgesetzte irgendwann sagen: Das funktioniert so nicht", befürchtet Sontag. Sie hofft, dass sich jetzt schnell etwas tut. Denn auch in dieser Woche hat ihre Kita die Öffnungszeiten schon wieder reduziert.
Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 15.11.2023 berichtet.