Militärexperte Masala: Russland führt "hybriden Krieg" gegen Deutschland
Russlands Angriff auf die Ukraine zielt auch auf Deutschland: Mit dieser Botschaft kam Militärexperte Carlo Masala in die Saarbrücker Staatskanzlei. Das Land müsse darum resilienter werden. Ministerpräsidentin Rehlinger sieht dabei auch wirtschaftliche Chancen für das Saarland.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die saarländische Staatskanzlei ihren Festsaal für den Vortrag eines Professors vorbereitet. Dass der Anlass dafür kein historischer Gedenktag, sondern die sicherheitspolitische Lage war, deutet auf die Brisanz der Thematik: „Der Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen für die Bundesrepublik Deutschland“.
Am Bestehen dieser Brisanz ließ der geladene Redner Carlo Masala, Politikwissenschaftler an der Bundeswehruniversität München, am Mittwochabend keinen Zweifel. Allerdings werde sie in Deutschland seiner Meinung nach noch zu wenig begriffen: Denn Russlands Angriff auf die Ukraine ziele nicht nur auf das Nachbarland, sondern auf eine neue Weltordnung. Auch China werde immer aggressiver, und die USA verabschiedeten sich aus der Rolle des Sicherheitsgaranten.
"Hybrider Krieg" gegen Deutschland
Deutschland habe Jahrzehnte im Frieden gelebt. Dadurch sei bei vielen der Glaube entstanden, Demokratie sei etwas Selbstverständliches, sagte Masala. Das "Grundproblem" sei, dass man sich nicht vorstellen könne, dass auch "Demokratien sterben können". Ungarn etwa sei ein Beispiel, wie fundamentale Voraussetzungen für das System Demokratie verlorengehen könnten.
Auch gegen die Bundesrepublik Deutschland werde wie gegen andere europäische Demokratien bereits seit mehr als zehn Jahren ein "hybrider Krieg" geführt "mit dem großen Ziel, das Vertrauen großer Teile der Deutschen in die Problemlösungsfähigkeit des demokratischen Verfassungsstaates nachhaltig zu untergraben." Zu den eingesetzten Mitteln zählten Desinformationskampagnen, Sabotage, Spionage, die Unterstützung und möglicherweise Finanzierung extremistischer und populistischer Parteien von links oder rechts.
Russland sei dabei "nicht unerfolgreich", betonte Masala. Bei drei deutschen Landtagswahlen hätten "diese Parteien", gemeint sind die AfD und das BSW, "50+" erreicht. Auch bei der Bundestagswahl hätten 25 Prozent der Wähler Parteien gewählt, "die letzten Endes die demokratische Staatsform aktiv untergraben wollen."
Resilienz als Aufgabe für gesamte Gesellschaft
Wie aber solle man dieser Bedrohung begegnen? Dazu brauche es mehr als die Aufrüstung der Bundeswehr, so notwendig diese auch sei, sagte Masala: Es brauche "Resilienz".
Darunter sei mehr zu verstehen als Sicherheit und Verteidigung, denn das seien Aufgaben, die der Staat organisieren müsse. Resilienz hingegen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür brauche es die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger.
Es müsse allen klar sein, "dass diese demokratische Staatsform es wert ist, verteidigt zu werden. Und zwar nicht nur mit der Waffe in der Hand an der Ostflanke des Bündnisses, sondern auf allen Ebenen", so Masala. Nur mit der Einsicht in den Wert der Demokratie sei es möglich, dass die Bundeswehr im Fall der Fälle "ihren Job" machen könne, denn dieser habe seinen Preis: auf menschlicher, politischer und ökonomischer Ebene.
Konkret warb Masala etwa dafür, dass Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Außerdem müsse in der schulischen Bildung stärker vermittelt werden, dass Demokratie auf vielen Voraussetzungen beruhe.
Forderung nach gemeinsamem Lagebild
Mit Blick auf die Debatte um eine Wehrpflicht betonte Masala, dass er das schwedische Modell für sinnvoll halte. Demnach solle jeder an seinem 18. Geburtstag angeschrieben, dann gemustert werden und sich dafür oder dagegen entscheiden. „Jeder muss sich einmal im Leben Gedanken darüber machen, ob er sich dafür interessiert oder nicht“, so Masala. Dann entschieden sich möglicherweise auch mehr Menschen wieder für Blaulichtorganisationen.
Um darüber hinaus die nationale Sicherheit zu stärken, warb Masala für einen nationalen Sicherheitsrat zur engeren Koordination zivil-militärischer Beziehungen in Deutschland. Dabei gehe es nicht um Außenpolitik, sondern um eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
Außerdem brauche es ein gemeinsames Lagebild in Deutschland. Es gebe bislang keine militärische oder polizeiliche Stelle, die erkennen könnte, ob es sich um einen hybriden Angriff auf Deutschland oder Zufälle handele. Das werde auch durch Datenschutzbestimmungen verhindert: „Es müssen alle Daten rein und alle, die mit Sicherheit zu tun haben, müssen darin vertreten sein“, forderte Masala.
Rehlinger sieht Potenzial für Arbeitskräfte
Auch Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte in ihrer Begrüßungsrede die Bedeutung der gesellschaftlichen Resilienz betont. Diese habe etwas mit psychischer Verfasstheit zu tun, an der alle arbeiten müssten. Rehlinger hatte den Austausch mit dem Militärexperten bereits im vergangenen November im Rahmen einer Regierungserklärung angekündigt, auch um das Thema "Sicherheit" in eine breite gesellschaftliche Debatte zu überführen.
Rehlinger verwies aber auch auf die wirtschaftlichen Chancen, die sich für das Saarland durch die Instandsetzung der Infrastruktur und höhere Verteidigungsausgaben ergeben. So gebe es im Saarland viele namhafte Rüstungsfirmen, die Fachkräfte bräuchten. Gleichzeitig habe es im Bereich der Automobilindustrie zahlreiche schlechte Nachrichten gegeben.
Vielleicht könne man diese unterschiedlichen Entwicklungen zum gegenseitigen Nutzen zusammenführen und Qualifikationen, "die man bislang nutzbringend in der Automobilindustrie eingesetzt" habe, möglicherweise auch beim Hochfahren der Rüstungsproduktion ebenso nutzbringend einsetzen: "Da steckt viel Potenzial drin", so die Ministerpräsidentin.
Über dieses Thema hat auch die SR 3-Sendung "Region am Mittag" am 27.03.2025 berichtet.