Neues Bewertungssystem: Ratlosigkeit an den Schulen
Weniger Prüfungen und Klassenarbeiten, dafür Einsatz von KI-Anwendungen bei Leistungsnachweisen: Seit diesem Schuljahr gelten neue Regeln bei der Leistungsbewertung in den Schulen. Doch in der Praxis hakt das neue System offenbar noch ganz gewaltig. Lehrerverbände sowie die CDU-Fraktion üben scharfe Kritik am Bildungsministerium.
Seit diesem Schuljahr müssen Schülerinnen und Schüler im Saarland weniger Leistungsnachweise wie Prüfungen oder Klassenarbeiten erbringen. Grundlage ist ein neuer Erlass des Bildungsministeriums, der eine Woche nach dem Start ins neue Schuljahr von Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) öffentlich bekannt gegeben worden war.
Doch offenbar hakt es mit der Neuregelung in der Praxis gewaltig. Auf vielen Elternabenden sorgt das Thema derzeit offenbar für viele Fragen. Lehrerverbände und auch die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag kritisieren den neuen Leistungsbewertungserlass scharf.
Lehrkräfte sind verunsichert
Der Lehrerinnen- und Lehrerverband SLLV bemängelt etwa, dass dieser zu schnell und ohne die notwendige Vorbereitung der Schulen umgesetzt werde. Viele Lehrkräfte seien verunsichert.
„In der Tat erreichen uns – besonders aus dem Bereich der Primarstufe – zahlreiche Nachfragen. Diese betreffen vor allem den kombinierten Großen Leistungsnachweis Zuhören/Lesen und die Gewichtung der beiden einzelnen Lernbereiche und die Ermittlung der Zeugnisnoten für selbige“, sagte die SLLV-Vorsitzende Lisa Brausch dem SR.
„Es wäre sinnvoll gewesen, die Lehrkräfte im ersten Schulhalbjahr diesbezüglich fortzubilden und entsprechende Handlungsanweisungen klar zu formulieren. Nur so haben die Schulen Rechtssicherheit in ihrem Handeln in diesem doch sensiblen Bereich der Benotung“, so Brausch weiter.
Fortbildungen erst kurz vor Herbstferien
Auch der saarländische Philologenverband spart nicht mit Kritik und prangert die Verzögerungen bei den Fortbildungen zum neuen Leistungsbewertungserlass an. Das habe für Verunsicherung und teilweise auch für Verärgerung gesorgt.
„Tatsächlich starten die Fortbildungen am Bildungscampus zu dem Thema erst in der letzten Woche vor den Herbstferien, wenn also schon die erste 'Runde' an Leistungsbewertungen an Gymnasien durchgeführt worden ist“, so der Vorsitzende Marcus Hahn gegenüber dem SR.
Zudem gebe es mit Blick auf die Fort- und Weiterbildungsaktivitäten generelle organisatorische Probleme mit dem eingeführten Bildungscampus. „Es ist nicht gelungen, die durch die Reorganisation notwendigerweise entstehenden Schwierigkeiten zeit- und sachgerecht zu bewältigen“, so Hahn weiter.
Die Neustrukturierung der Fort- und Weiterbildung in Form des neuen Bildungscampus war im Mai bekannt geworden und sollte in diesem Sommer starten.
"Wurschteln nach bestem Wissen und Gewissen"
Auch die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag geht hart mit dem Bildungsministerium ins Gericht. Es sei ein Fehler, dass der Leistungsbewertungserlass erst im bereits laufenden Schuljahr vorgestellt worden sei.
„Es ist jetzt Ende September und die Schulen rätseln nach wie vor, wie viel Prozent der Gesamtnote die großen Leistungsnachweise ausmachen, wie sie den Lernprozess der Schüler bewerten sollen und was in materialgeschützten Klassenarbeiten nun gemacht werden kann und was nicht“, sagte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Jutta Schmitt-Lang.
Das Bildungsministerium müsse über Rundschreiben, Handreichungen und Fortbildungen endlich die nötige Klarheit schaffen. „Aktuell wurschteln die Schulen nach bestem Wissen und Gewissen. Vergleichbarkeit und Transparenz bleiben dabei aber auf der Strecke – zu Lasten unserer Schülerinnen und Schüler“, so Schmitt-Lang weiter.
Über dieses Thema haben auch die SR info-Nachrichten im Radio am 02.10.2024 berichtet.