Kommune 66 – Containerdorf zur kurzzeitigen Aufnahme von Geflüchteten (Foto: SR)

Wie die Flüchtlingssituation die Kommunen belastet

Marco Karp / Onlinefassung: Thomas Braun   26.07.2023 | 14:21 Uhr

Die Kommunen im Saarland kämpfen mit den Kosten für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Viele Bürgermeister bemängeln, dass der Bund zu wenig bezahle. Dabei entscheide er darüber, wer komme und wie viele Menschen. Wie gehen Saarbrücken und Friedrichsthal mit der Situation um?

2,5 Millionen Euro - so hoch schätzt die Landeshauptstadt Saarbrücken die direkten Kosten für Miete und Reparaturen bei der Unterbringung von Geflüchteten im vergangenen Jahr. Inzwischen kommen weniger Menschen nach Deutschland - der Betrag wird im laufenden Jahr wohl niedriger liegen, aber dennoch hoch bleiben.

Hinzu kommen indirekte Kosten zum Beispiel beim Personal. Geld, das an anderer Stelle fehlt. "Wenn wir am Ende ein Defizit machen, dann ist das eine Verlagerung der Kosten auf die nächste Generation - einschließlich aller Zinslasten", sagt der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU). "Es sind dann Kosten für die Menschen in Saarbrücken, denn es sind dort die Schulden. Aber es waren die Aufgaben des Bundes, der eigentlich seine Rechnung hätte bezahlen müssen."

Video [aktueller bericht, 26.07.2023, Länge: 4:33 Min.]
Wie die Flüchtlingssituation die Kommunen belastet

Hohe Belastung der Beschäftigten in den Kommunen

Die Mehrarbeit bindet auch Personal aus der Verwaltung. 15 Leute sind derzeit mit der Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten beschäftigt. Zu wenige für die anstehende Arbeit.

"Wir versuchen, Prioritäten zu setzen, wir haben aber auch eine stärkere Belastung bei den Kolleginnen und Kollegen, die versuchen müssen, in kürzerer Zeit mehr abzuarbeiten", erklärt der Saarbrücker Sozialdezernent Tobias Raab (FDP). "Aber wir haben immer auch Fälle, in denen es einfach zu lange gedauert hat, bis wir mit einem Vermieter reden konnten und in denen die Wohnung dann nicht mehr zur Verfügung steht."

533.000 Euro gezahlt - nur 329.000 Euro vom Bund erstattet

Genug Wohnraum für Flüchtlinge - auch in Friedrichsthal ist das ein drängendes Thema. Die Zahlen haben sich entspannt, hier in der Helanenhalle sind noch 14 Ukrainer untergebracht. Im Oktober soll die Halle wieder für Vereine frei sein.

Die Kosten sind aber auch für den Friedrichstaler Haushalt eine große Belastung. "Ich habe im vergangenen Jahr 533.000 Euro zu zahlen gehabt. Erstattet wurden und 329.000", sagt Bürgermeister Christian Jung (SPD). "Es bleibt ein Delta von 204.000. Das ist kurz und knapp das, was an der Kommune hängen bleibt." Über die Jahre werde man andere Leistungen reduzieren müssen. "Man muss an anderer Stelle einsparen, Dienstleistungen kappen", so Jung.

In der Halle sind ukrainische Flüchtlinge untergebracht, draußen in den Containern wohnen vor allem Syrer. Insgesamt hat Friedrichsthal 25 Container aufgebaut. Für jeden einzelnen zahlt die Stadt 179 Euro im Monat.

Warme Worte vom Bund - aber zu wenig konkrete Hilfe

Vertreter der Kommune fühlten sich Anfang des Jahres allein gelassen mit der Flüchtlingssituation. Auch deshalb hat sich Jung in einem Schreiben direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewendet. Zurück kamen warme Worte aus dem Innenministerium.

"Ich bedanke mich nochmals für ihr Schreiben und möchte betonen, dass das Bundesministerium konstruktiven Vorschlägen jederzeit offen gegenübersteht", zitiert Jung aus dem Schreiben. "Das ist alles, was wir erhalten haben. Mit den Sorgen und Nöten und den finanziellen Lücken kämpfen wir weiterhin."

Über dieses Thema berichtete auch die "Region am Mittag" auf SR 3 Saarlandwelle am 26.07.2023.


Zum Projekt Kommune 66

Eins eint alle Kommunen im Saarland: Die Postleitzahl beginnt mit 66. Aber auch darüber hinaus gibt es viele Gemeinsamkeiten. Egal ob Kirkel, Oberthal oder Dillingen, Kommunen und Kreise müssen umsetzen, was in Brüssel, Berlin oder der Landeshauptstadt Saarbrücken entschieden wird. Bestellt wird oben, bezahlt werden muss oft unten – trotz klammer kommunaler Kassen.

In einer monatlichen Serie werden Reporterinnen und Reporter des SR in diesem Jahr noch genauer hinschauen, wo die Kommunen politisch der Schuh drückt.


Mehr zur Situation der saarländischen Städte und Gemeinden

Kommune 66 - große Politik vor Ort
Wie Saar-Kommunen mit dem Förderdschungel kämpfen
Finanzielle Förderprogramme von Bund und EU gibt es in Hülle und Fülle. Für viele klamme Saar-Kommunen sind sie oft die einzige Möglichkeit für Investitionen. Doch schwierige Bedingungen und intransparente Verfahren verhindern oft, dass das Geld auch ankommt, zeigt das Beispiel Kleinblittersdorf.

Kommune 66 – große Politik vor Ort
Wie der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung Saar-Kommunen unter Druck setzt
Ab 2026 haben Eltern im Saarland einen gesetzlichen Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung für ihr Grundschulkind. Doch in den Kommunen fehlt es an Geld, Platz und Fachkräften. Wie prekär die Lage bereits ist, zeigt das Beispiel Homburg-Einöd.

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja