Saar-Förderschulen trotz Inklusionsgesetz gefragter als zuvor

Saar-Förderschulen trotz Inklusionsgesetz gefragter als zuvor

mit Informationen von Christine Alt   11.03.2024 | 21:27 Uhr

Seit zehn Jahren haben Eltern die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine Regel- oder eine Förderschule schicken. Seither ist die Nachfrage nach einem Förderschulplatz aber nicht etwa gesunken, sondern sogar gestiegen. Das liegt auch daran, dass Inklusion an den Schulen im Saarland bislang nur wenig umgesetzt wird, kritisiert der Verein Miteinander Leben Lernen.

Vor zehn Jahren hatte der saarländische Landtag das Inklusionsgesetz verabschiedet. Seither können Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet werden – Eltern können selbst entscheiden, ob ihr Kind auf eine Regel- oder eine Förderschule gehen soll.  

Nachfrage steigt, Inklusion schlecht umgesetzt?

Die Folge: Zunächst schickten immer weniger Eltern ihre Kinder an eine Förderschule. Von 38 Schulen wurden zwei geschlossen. Seit einigen Jahren steigen die Zahlen nun aber wieder und liegen sogar höher als noch vor zehn Jahren. Laut Bildungsministerium ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler innerhalb der letzten zehn Jahre von 3700 auf 3900 gestiegen.

Video [aktueller bericht, 11.03.2024, Länge: 4:17 Min.]
Nachfrage nach Förderschulen im Saarland steigt

Für den Verein Miteinander Leben Lernen (MLL) kommt diese Entwicklung nicht überraschend. "Die Regelschulen haben die Inklusion bis jetzt nur sehr schlecht oder gar nicht umgesetzt", sagt die erste Vorsitzende von MLL, Manuela Spies.

"Wenn man die Inklusion in den Regelschulen richtig umsetzt, geht auch dort ein gemeinsames Lernen. Inklusion heißt für die Kinder: Alle Kinder lernen zusammen, in jeder Altersstufe." Doch dafür brauche es kleinere Klassen und Förderlehrer, die die Regelschullehrer unterstützten, so Spies.

Bedenken, das Inklusion zu teuer wäre, hält sie für unbegründet: "Deutschland leistet sich ein sehr teures doppeltes Schulsystem". Ihrer Ansicht nach wäre es langfristig deutlich günstiger, wenn es nur ein System gebe. Damit das aber funktioniere, sei die Politik gefordert. Die Schulen brauchten Konzepte, wie sie Inklusion umsetzen könnten.

Video [aktueller bericht, 11.03.2024, Länge: 3:00 Min.]
Manuela Spies: „Es muss politische Konzepte für die Schulen geben“

Zwei neue Schulen im Regionalverband

Erstmal wird es mit dem doppelten Schulsystem aber wohl noch weiter gehen. Inzwischen wurden im Saarland wieder vier neue Förderschulen eröffnet, sodass es aktuell mit 40 sogar zwei mehr gibt als vor dem Inklusionsgesetz.

Auch im Regionalverband Saarbrücken sind zwei neue Förderschulen geplant. Eine soll am Ortsrand von Kleinblittersdorf in der leerstehenden ehemaligen Kinder- und Jugendpsychiatrie entstehen.

Eine weitere kommt in die ehemalige Mozartschule in Dudweiler. Dort war bereits eine Förderschule ansässig, die vor sieben Jahren geschlossen wurde. Nun soll sie als Förderschule geistige Entwicklung neu eröffnet werden.

"Wir haben im Bereich der Förderschulen geistige Entwicklung einen massiven Anstieg der Schülerzahlen. Deshalb sind unsere bereits jetzt existierenden Standorte wirklich schon wieder an einer Grenze angelangt und deshalb mussten wir an der Stelle reagieren", erklärt die Bildungsdezernentin des Regionalverbandes Saarbrücken, Kerstin Theobald (SPD).

Kleinere Klassen, mehr Lehrkräfte

Steigende Schülerzahlen verzeichnet auch die Anne-Frank-Schule in Saarlouis. Mehrere Container müssen zurzeit als Zusatz-Klassenzimmer herhalten, weil die "Förderschule Lernen" aus allen Nähten platzt. Innerhalb von zehn Jahren ist die Schülerzahl hier von 160 auf über 220 gestiegen.

"Viele wollen natürlich erstmal ihr Kind an der Regelschule einschulen, das ist schon die erste Tendenz", sagt die Schulleiterin der Anne-Frank-Schule, Sabine Speicher. Die Schule würde das auch immer empfehlen.

"Nach einer Zeit merken manche Eltern, dass es ihrem Kind nicht so gut geht. Das Kind fühlt sich überfordert, das Kind ist gestresst, die Familie ist gestresst und dann kommen sie zu uns, weil wir einen gewissen Schutzraum bieten können", führt Speicher weiter aus.

Neue Wege im Landkreis Saarlouis

Primär müsse man auf die Bedarfe der Kinder schauen, so Speicher. Für Schüler, die mit Leistung Schwierigkeiten haben, müsse Raum geschaffen werden. Dafür müssten Konzepte verändert werden.

In die Richtung will der Landkreis Saarlouis jetzt mit der Anne-Frank-Schule gehen. Sie soll in einen Neubau ziehen, in dem die derzeit 220 Schüler mehr Platz bekommen – mit Werkstätten, Theaterraum und Schulgärten. Die Schule soll zudem zur Ganztagsschule und vor allem Teil eines "inklusiven Campus": direkt neben der Gemeinschaftsschule "In den Fliesen" und dem Forschungszentrum. Mit angrenzenden Schulhöfen und enger Zusammenarbeit.

Beispielsweise können die Lehrer miteinander kooperieren, Teamteaching machen, Hospitationen, erklärt die Schulentwicklungsplanerin des Landkreises Saarlouis, Natalie Sadik.

"Unser Schülerforschungszentrum, und das ist etwas worauf wir uns besonders freuen, bietet Forschungsprojekte für die Förderschülerinnen und Förderschüler an. Das gibt's bisher noch nicht."

Über dieses Thema hat auch der aktuelle bericht am 11.03.2024 im SR Fernsehen berichtet.


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