Wo die SPD-Landesregierung zur Halbzeit steht
Die Hälfte der Legislaturperiode im Saarland ist vorbei. Die SPD konnte ihr politisches Programm in einer Alleinregierung umsetzen. Wie gut ist ihr das gelungen? Eine Halbzeit-Bilanz entlang der drei wichtigsten Themenfelder.
Als „Regierungsprogramm“ hatte die SPD ihr Wahlkampfprogramm zur Landtagswahl 2022 betitelt. Was sie da noch nicht wissen konnte: Dass sie nach der Wahl genug Stimmen bekommen haben würde, um ihr Programm ohne Rücksicht auf einen Koalitionspartner umsetzen zu können. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Sie kann sich nicht hinter einer anderen Partei verstecken, wenn sie die gesteckten Ziele nicht erreicht.
Viele der im Programm angesprochenen Ziele verweisen nicht nur auf das Ende der Legislaturperiode, sondern darüber hinaus. Dennoch lässt sich zur Halbzeit der Legislatur eine Zwischenbilanz ziehen, wie weit die SPD-Alleinregierung bei der Umsetzung gekommen ist.
Dafür eignen sich die drei Themenfelder, die laut einer Umfrage von infratest dimap für die Wahlentscheidung 2022 am wichtigsten waren: Arbeitsplätze im Saarland, Energieversorgung und Klima, Bildung und Schule.
Arbeitsplätze im Saarland
Die SPD gilt als Arbeiterpartei, und mit dem Thema Arbeitsplätze konnte sie bei der Landtagswahl auch punkten. Im Wahlprogramm wurde es zudem zur „Chefinnensache“ deklariert. Das zentrale Ziel der Sozialdemokraten: Die Zahl der „guten“, also der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze, solle mit 400.000 einen neuen Rekord erreichen. Davon sollten 10.000 neue Jobs in „Zukunftsbranchen“ entstehen.
Dabei läuft es für die Landesregierung allerdings zur Halbzeit der Legislatur nicht besonders gut. Als die SPD ihr Ziel ausgab, gab es im Saarland rund 395.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Zweieinhalb Jahre nach Regierungsantritt bewegen sich die Zahlen um bis zu einem Prozent unter dieser Marke. In Gesamtdeutschland ist hingegen ein leichtes Wachstum festzustellen.
Untätigkeit kann man der SPD jedoch nicht vorwerfen. Im Wahlprogramm hatte sie angekündigt, bis 2025 mindestens fünf Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen zu mobilisieren. Und sie hat Taten folgen lassen, wenn sie dafür auch eine enorme Kreditlast in Kauf genommen hat: Mit bis zu 2,5 Milliarden Euro an neuen Schulden könnte das Land durch den Transformationsfonds der Landesregierung belastet werden. Die konnte dafür aber auch wichtige Fördergelder von Bund und EU akquirieren.
Das Problem jedoch: Der Abfluss der Mittel stockt. Ansiedlungsprojekte wie SVolt und Wolfspeed verzögern sich oder stehen ganz auf der Kippe, Lieferprobleme bremsen den hochsubventionierten Umbau der Stahlindustrie zumindest zeitweilig aus.
Und besonders bitter für die SPD: Mit der Entscheidung von Ford, die Produktion in Saarlouis einzustellen, gerieten schon kurz nach ihrem Amtsantritt mehr als 6000 Arbeitsplätze in Gefahr, darunter auch zahlreiche bei Zulieferfirmen. Dass es in der Folge nicht gelungen ist, für eine Nachfolge auf dem Gelände einen Automobilhersteller zu gewinnen, schwächt das Bemühen, das Saarland als Automobilstandort zu erhalten.
Immerhin könnte die angekündigte Ansiedlung des Pharma-Unternehmens Vetter auf dem Gelände für die Landesregierung einen Schritt in Richtung „Diversifikation“ der saarländischen Wirtschaft (ebenfalls ein Wahlkampfversprechen) darstellen, wenn er auch nicht ganz so wie geplant ausfällt. In dieser Richtung muss jedenfalls noch einiges passieren, soll das ausgegebene Ziel der 400.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze tatsächlich erreicht werden.
Energieversorgung und Klima
Eng verbunden mit der Entwicklung von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen ist der Bereich Energieversorgung und Klima, bei der Wahlbefragung auf Platz zwei der wichtigsten Themen.
Dass etwa grüner Stahl im Saarland produziert werden kann, um die damit verbundenen Arbeitsplätze zu erhalten, dafür braucht es große Mengen an Wasserstoff. Die Landesregierung hat darum den Aufbau eines vom Bund geförderten regionalen Netzwerkes in die Wege geleitet, mit dessen Hilfe ab 2027 die Produktion von grünem Stahl im Saarland beginnen soll. Fünf Jahre später soll der Anschluss an das deutsche Wasserstoffkernnetz noch größere Mengen ermöglichen.
Aber auch das Saarland selbst muss mehr erneuerbare Energie produzieren. Die SPD hat als Ziel ausgeben, bis 2030 deren Anteil auf 40 Prozent zu verdoppeln. In einem „Energiefahrplan“ hat sie dabei Zwischenziele benannt, von deren Erreichen sie aber recht weit entfernt ist.
So müssten laut Plan bis 2025 durch Photovoltaik- und Windkraftanlagen insgesamt 750 MW Leistung zugebaut werden. Stand zum 30.06.2024: ein Plus von 377,8 MW, also nur rund die Hälfte.
Während der Ausbau der Photovoltaik-Anlagen im Land dabei ganz gut vorangekommen ist (ein Plus von 337 MW bei angepeilten 500 MW bis 2025), sieht es bei den Windkraft-Anlagen ganz anders aus: Nur 41 zusätzliche MW konnten dort bis Ende Juni verbucht werden, der Plan sieht aber 250 MW bis 2025 vor.
Die Landesregierung will den Ausbau mit dem Gesetz zur Förderung des Ausbaus von erneuerbaren Energien vorantreiben. Darin gibt sie den Kommunen vor, wie viel Prozent ihrer Fläche diese jeweils für Windkraftanlage ausweisen müssen. Ob dort tatsächlich Windräder aufgestellt werden, kann die Landesregierung aber nicht bestimmen. Sie setzt stattdessen auf den Anreiz einer finanziellen Beteiligung der jeweiligen Kommunen.
Andere Klimamaßnahmen bündelte die Landesregierung in ihrem Klimaschutzgesetz samt Klimaschutz-Konzept. Beides hatte lange auf sich warten lassen und musste noch einmal überarbeitet werden, weil es beim CO2-Ausstoß auf falschen Berechnungen beruhte. Inhaltlich rief beides einige Kritik hervor: Zu vage und zu wenig ambitioniert, lautete ein von vielen Stellen geäußerter Vorwurf.
Bildung und Schule
Ambitioniert hat sich die SPD in Sachen Bildung in ihrem Wahlprogramm durchaus gegeben. Investitionen in diesem Bereich hätten bei ihr „oberste Priorität“, schrieb sie dort. Sie versprach unter anderem die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium, die Stärkung der Ganztagsbetreuung, eine „erstklassige digitale Ausstattung an den Schulen“ und die Abschaffung der Elternbeiträge für Kitagebühren.
Letzteres wurde schrittweise umgesetzt. Bereits zum Amtsantritt hatte das auch zuvor schon von der SPD geführte Bildungsministerium die Elternbeiträge um die Hälfte gekürzt, der Rest reduziert sich bis 2027 nach und nach auf Null.
Allerdings zeigte sich in den vergangenen Jahren auch, dass es mit dieser Schwerpunktsetzung nicht gelungen ist, den Ausbau des Betreuungsangebots angemessenen voranzutreiben und den gravierenden Personalengpässen bei Erzieherinnen und Erziehern entgegenzuwirken. Trotz Rechtsanspruch warten viele lange auf einen Kitaplatz, die saarländischen Kita-Beschäftigten fallen bundesweit am häufigsten wegen psychischer Erkrankungen aus.
Ein anderer Rechtsanspruch stellt die Saar-Politik in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vor eine weitere Herausforderung: Ab dem Schuljahr 2026/27 gibt es ihn auf eine Ganztagsbetreuung im Primarbereich. Die Landesregierung will dabei die Kommunen ihm Rahmen ihres Schulbauprogramms unterstützen.
Bereits gestartet ist die Umsetzung der versprochenen Rückkehr der Gymnasien zu G9. Mit einiger Verzögerung konnten zudem fast alle saarländischen Schulen an das Glasfasernetz angeschlossen werden, außerdem wurden die meisten Dritt- und Viertklässler mit Tablets ausgestattet.
Damit die Digitalisierung an den Saar-Schulen nicht versandet, braucht es allerdings eine Fortführung des Digitalpakts von Bund und Ländern. Auf dessen Finanzierung konnten sich die Beteiligten aber auch unter dem KMK-Vorsitz der saarländischen Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot nicht rechtzeitig zur Halbzeit der Landesregierung einigen.
Ein Thema aus der Sendung "Guten Morgen" am 24.09.2024 auf SR 3 Saarlandwelle.